Das Ziel ist ambitioniert: Die Energiewende soll zielstrebig aber kostengünstig vorangehen, dezentrale Strukturen stärken, die deutsche Industrie wettbewerbsfähig halten und zugleich die Akzeptanz der Verbraucher sichern. Damit all das gewährleistet ist, sprechen sich die Unterzeichner der „Berliner Erklärung“ für eine „evolutionäre Weiterentwicklung des EEG“ und gegen einen radikalen Kurswechsel aus. Darunter sind Bankinstitute wie die Deutsche Kreditbank DKB und die Commerzbank, aber auch der Windparkentwickler WKN oder der Ökostromanbieter Naturstrom.
Zusammen hätten die beteiligten Unternehmen in den letzten Jahren deutschlandweit circa 50 Prozent der Finanzierungen gestemmt, erklärt Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). Die Branchenvertretung hat die Zusammenarbeit initiiert. „Es war schon länger überfällig, dass sich Branche und Investoren enger austauschen. Viele Investitionen wurden aus Unsicherheit über die künftige Gesetzeslage zuletzt auf Eis gelegt“, so Falk.
Ins Herz der Debatte
Das Papier richtet sieben Forderungen an die Politik, von ehrlichen Preisen bei Kohle- und Atomstrom, inklusive Folgekosten, bis zum Vertrauensschutz für eingeleitete Investitionen. Besonders trifft aber der siebte und letzte Punkt ins Herz der laufenden Reformdebatte. Es handelt sich um ein klares Statement gegen eine verpflichtende Direktvermarktung von Ökostrom an der Börse. Das fordert die Union, nach Medienberichten hat auch die SPD zuletzt eine „größtmögliche Direktvermarktung“ auf die Agenda gesetzt.
Die Finanzierer warnen dagegen vor höheren Risiken für Betreiber. „Günstige Kredite kriegt ein Windparkprojekt in der Regel nur, weil sich der Projektfinanzierer sehr sicher sein kann, dass er sein Geld aufgrund der im EEG festgelegten Vergütungspflicht auch zurück bekommt“, sagt Hartmut Kluge von der ebenfalls beteiligten Bremer Landesbank. „Wenn ein Direktvermarkter verpflichtend hinzukommt, ist das aus Finanzierersicht ein Zusatzrisiko – sofern Betreiber dann nicht mehr die Möglichkeit haben, so wie jetzt nach drei oder vier Monaten wieder ins EEG zurückzugehen, falls Zahlungen ausbleiben.“
„Marktmacht dreht sich um“
Derzeit können Stromproduzenten zwischen EEG-Vergütung und Direktvermarktung wechseln. Das Bundesumweltministerium lässt die Anteile jedes Quartal erheben. Tatsächlich ist der Börsenverkauf im Windsektor so lukrativ, dass Ende 2012 insgesamt 85 Prozent des Windstroms direkt vermarktet wurden. Bei Photovoltaik-Anlagen sind es dagegen nur knapp neun Prozent. Wasserkraft und Biomasse liegen bei fast 50 Prozent.
Auch wenn der Vertrieb also bereits deutlich in diese Richtung weist, geht Hermann Falk ebenfalls von steigenden Kosten durch einen Vermarktungszwang aus: „Bisher müssen die Direktvermarkter gute Konditionen anbieten, weil sie in Konkurrenz zur EEG-Vergütung stehen. Wenn in Zukunft jeder Anlagenbetreiber direkt vermarkten muss, dreht sich die Marktmacht um.“
Ein weiterer Knackpunkt: Die Finanzierer erwarten eine Konzentration auf wenige große Anbieter. Auch das befürchtete Oligopol würde sich letztlich negativ auf die Betreiberkosten auswirken, erklärt Falk: „Derartige Mengen können nur Großunternehmen schultern. Entsprechend hoch könnten sie ihre Margen ansetzen.“
Sorge um Bürgerenergie
Deshalb müsste laut Hartmut Kluge vor einer solchen Umstellung die Frage beantwortet werden, wie „insbesondere auch kleinere Betreiber eine sichere Direktvermarktung zu marktadäquaten Preisen finden“. Insgesamt gelte es ein höheres Risiko zu vermeiden, das zu einer teureren Finanzierung für alle Betreiber führt. Damit einher geht die Sorge, dass Bürgerprojekte durch unüberwindbare Barrieren abgewürgt werden. Die Erklärung betont die Bedeutung von Akteursvielfalt und Bürgerbeteiligung an der Energiewende.
Zahlen aus einer aktuellen Studie des Marktforschungsinstituts trend:research und der Leuphana Universität Lüneburg unterstützen diesen Punkt. Im Auftrag der Initiative „Die Wende – Energie in Bürgerhand“ und der Agentur für Erneuerbare Energien haben sie die Anteile an Erneuerbaren-Anlagen im Jahr 2012 nach Eigentümergruppen erhoben. Das Ergebnis ist deutlich: Während 47 Prozent der Anlagen in Bürgerhand sind, tragen Energieversorger nur zwölf Prozent bei. Und bei Onshore-Windrädern macht die Beteiligung von Privatpersonen und Bürgerenergiegesellschaften sogar noch ein bisschen mehr aus: ganze 50,4 Prozent.