Der Wandel ist stetig, ihn verhindern zu wollen, ein System in Stein zu meißeln, das scheitert. Wolfhart Dürrschmidt hat es schon früh erlebt: „Wir durften keinen Mucks sagen, als wir mit den Eltern über die deutsch-deutsche Grenze fuhren, von Ost- nach Westberlin, kurz vor dem Mauerbau.“ Weich klingt es, wie er seine Sätze formt – leichtes Sächsisch aus der Kindheit mischt sich mit Wendungen seiner zweiten Heimat Baden-Württemberg – glasklar und bestimmt ist das, was er über seinen Lebensweg berichtet. Der führte ihn durch ganz Deutschland und ließ aus einer akademischen Laufbahn eine Karriere als Staatsbeamter werden: „Als Junge zwei Gesellschaftsformen kennengelernt zu haben, hat mir den Blick geöffnet. Ich bin fest überzeugt, dass ein gravierender Umbruch immer auch die Chance eines Neubeginns beinhaltet. Rückblickend betrachtet habe ich nach diesem Motto gehandelt, indem ich mein ganzes Berufsleben lang aus innerster Überzeugung für die Energiewende, die große Systemtransformation, gekämpft habe.“
Im zurückliegenden Dezember schied Dürrschmidt nach 22 Jahren als Ministerialrat und Referatsleiter aus dem Bundesumweltministerium aus. Der Siegeszug der Erneuerbaren in Deutschland wurde – öffentlich wenig wahrgenommen – auch auf seinem Schreibtisch vorbereitet und mitgestaltet. Wie etliche andere Vordenker von Atomausstieg, Klimaschutz und Erneuerbare-Energien-Gesetz ließ sich Dürrschmidt von den Anfängen der Öko-Bewegung inspirieren. Allerdings bewahrte er stets seine politische Unabhängigkeit – und ließ seinem Talent freien Lauf: „Schon in der Schule war ich sehr gut in Mathematik, Physik, den Naturwissenschaften. Wäre ich familiär stärker an unserem damaligen Wohnort Oberrot gebunden gewesen, dann hätte ich vielleicht mein Glück als Zimmermann gefunden.“ Er sagt das ohne jegliche Koketterie – obwohl er 1979 an der Uni Tübingen seine Promotion in physikalischer Chemie ablegte.
Mikrowellenspektroskopie, Quantenphysik, Molekularforschung – Dürrschmidts Forschungsschwerpunkte waren in dieser Kombination im wahrsten Sinne ein Explosivgemisch. Kein Wunder, dass man sich um ihn in der Wirtschaft riss. „Ich hatte Angebote aus der Kernforschung, der Rüstungsindustrie. Einmal ging es darum, Fernlenkwaffen zu entwickeln. Aber das kam für mich nicht in Frage.“ Dürrschmidt blickte auf sich und das ihn umgebende System mit kritischer Distanz, um das schnelle Geld ging es ihm nicht. „Ich habe intensiv darüber nachgedacht, welcher Sache ich mein Leben und meine Arbeitskraft widmen möchte. Als ich dann an die Universität Kassel ging, um eine befristete Teilzeitstelle anzunehmen, weil ich das Thema interessant fand, hielten mich einige Kollegen für sehr seltsam.“ 1980, für Dürrschmidt war es das eigentliche Jahr Eins der Abkehr von den konventionellen Energieträgern.
Der Uni Kassel stand Ernst Ulrich von Weizsäcker vor. In der Öffentlichkeit wurde ein schmaler, aber revolutionärer Band heiß diskutiert: „Energiewende – Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran“, herausgegeben vom Öko-Institut. In diesem intellektuellen Klima wurden Weichen gestellt. Weizsäcker gründete die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe für Angepasste Technologie (AGAT), zu der schließlich auch Dürrschmidt gehörte. Der Arbeitsschwerpunkt lag auf der dezentralen Nut-zung der Erneuerbaren in Industrieländern und technischen Innovationen nach Kriterien der Sozial- und Umweltverträglichkeit. Die Arbeitsgruppe bot zwar keine feste berufliche Perspektive – aber entpuppte sich als ein Sprungbrett. „Wir standen damals mit einem Ableger der Pfaff-Stiftung in Kaiserslautern in Kontakt, der Stiftung Mittlere Technologie. Der ehemalige Pfaff-Vorstandschef Karl Werner Kieffer wurde auf mich aufmerksam. Als die beiden Jahre in Kassel vorüber waren, warb man mich als Geschäftsführer ab“, erinnert sich Dürrschmidt.
Den vollständigen Artikel finden Sie in der Ausgabe 02/2013 von neue energie.