Geschichten über IT-Pioniere beginnen schon mal in einer Garage und führen dann zu einem Weltkonzern. Henrik Stiesdals Garage ist die Farm seiner Eltern in Dänemark. Sonst hätte der Platz auch kaum gereicht: Stiesdal baut keine Computer, sondern Windkraftanlagen, seit nunmehr 38 Jahren. Mittlerweile 14 davon ist er Technischer Geschäftsführer (CTO) bei Siemens‘ Windkraftsparte Wind Power und damit mitverantwortlich für Milliardenumsätze. Angefangen hat alles in den Jahren 1976 bis 1979, zwischen Schule und Studium. Stiesdal reist damals ein wenig, leistet seinen Militärdienst – und baut auf eben jenem Hof seine ersten Windräder.
Dass ein 19-jähriger Abiturient auf diese Idee kommt, hat ebenfalls mit dem elterlichen Bauernhof zu tun. Nach der ersten Ölkrise 1973 steigen die Preise für Strom und Wärme drastisch, das Gebäude ist mehr als einhundert Jahre alt und schlecht isoliert. Auf der Suche nach Alternativen besinnen sich die Landwirte einer dänischen Tradition: Windräder zur Eigenversorgung mit Strom gibt es dort bereits seit der Jahrhundertwende. Auch Stiesdals Vater ist auf einem Hof mit einer solchen Anlage aufgewachsen. Also machen sich die beiden auf, das Vorzeige-Projekt jener Jahre zu besichtigen. An der dänischen Westküste baut eine Gruppe junger Dänen, die eine alternative Schule betreiben, auf ihrem Hof namens Tvind ein Megawatt-Windrad. „Ich fand das ungeheuer interessant, weil es Leute wie ich waren. Ich dachte: Wenn die das können, kann ich es auch“, sagt Stiesdal.
Als er und sein Vater zurückkehren, ist für sie klar: Die Lösung für die hohen Energiekosten liegt im Wind. Also machen sie sich an die Arbeit. Der erste Rotor, den sie bauen ist etwas mehr als einen Meter lang und hat zwei Blätter. Als sie ihr Werk per Hand in den Wind halten, passiert erst einmal nichts. „Auch bei starkem Wind startete es nicht von selbst. Ich musste per Hand nachhelfen. Aber nach einer Weile beschleunigte es wie verrückt. Man konnte die Kraft des Windes spüren. Wenn man versuchte, es mit den Händen zu stoppen, wurden sie warm von der Reibung. Das war so dramatisch und dynamisch dass ich dachte: Das funktioniert.“
Die nächste selbstgebaute Anlage ist schon drei Meter groß, er testet sie auf einem Feld. Und schließlich baut Stiesdal eine Anlage, die den elterlichen Hof bis in die 90er Jahre mit Strom versorgen wird. Während dieser Zeit des Bastelns fährt er immer wieder zu den Tvind-Entwicklern, holt sich wertvolle Tipps und tauscht sich mit Gleichgesinnten aus. Es geht damals etwa noch um die Frage, ob zwei oder drei Rotorblätter mehr Erfolg versprechen. Dass er Teil einer Bewegung ist, wird Stiesdal aber erst klar, als er 1978 einen offenen Tag der Windkraft an einer Art Volkshochschule besucht. „Dort waren mehr als hundert Menschen, die ihre eigenen Windturbinen bauten. Sie fanden, dass wir furchtbar abhängig von Energie-Importen waren und wollten etwas dagegen tun.“
Das vollständige Portrait von Henrik Stiesdal aus der Ausgabe 06/2014 von neue energie finden Sie hier als PDF.