Akzeptanz für Wind im Forst

„Bürgerinnen und Bürger wollen gehört werden – und mitgestalten“

Wo es Windradprojekte gibt, regt sich oft Widerstand. Avaly-CEO Sophie Apel nennt die vermeidbaren Fehler in der Kommunikation und erläutert, wie sich Akzeptanz gewinnen lässt.
Interview: Michael Prellberg
28.10.2025 | 5 Min.
Erschienen in: Dossier: Wind im Forst
Umweltpsychologin Sophie Apel erforscht mit ihrem Startup Avaly, wie Akzeptanz für Windkraftanlagen erreicht werden kann – und warum es mitunter misslingt.
Umweltpsychologin Sophie Apel erforscht mit ihrem Startup Avaly, wie Akzeptanz für Windkraftanlagen erreicht werden kann – und warum es mitunter misslingt.
Foto: Avaly

neue energie: Wer Windräder im Wald aufstellen will, stößt auf Widerstand. Wie erreicht man Akzeptanz für solche Projekte?

Sophie Apel: Wie komplex das Thema Akzeptanz ist, unterschätzen Projektierer mitunter. Sie erklären Projekte vor allem mit ihren technischen Details. Dann schildern sie noch die positiven finanziellen Auswirkungen und denken, damit hätten sie ihre Aufgabe erledigt.

ne: So schnell wird Akzeptanz also nicht erreicht?

Sophie Apel

ist CEO und Mitbegründerin von Avaly und studierte Umweltpsychologin. Bevor sie das Berliner Startup Avaly mitgründete, arbeitete Sophie Apel in der Klimapolitik und der Nachhaltigkeitsberatung.

Apel: Im Gegenteil. Die Reaktion ist eher: „Die kommen mit Konzern voller Geld hierher und erwarten, dass alle ‚Hurra!‘ schreien.“ Menschen wollen sich nicht kaufen lassen, sie wollen gehört und eingebunden werden. Geld ist dabei nur ein Aspekt von vielen.

ne: Wie gelingt es, die Menschen vor Ort besser einzubinden?

Apel: Es braucht Gerechtigkeit, und zwar in drei Dimensionen: Verteilungs-, Verfahrens- und Anerkennungsgerechtigkeit. Zur Verteilungsgerechtigkeit zählt, wenn Bürgerinnen und Bürger sich am Projekt und damit auch an den Erlösen beteiligen können. Und wenn die Kommune ebenso von den Gewinnen profitiert, damit neue Spielplätze baut oder das Schwimmbad saniert. Davon profitieren alle Menschen vor Ort – auch wenn sie nicht das Geld haben, sich direkt am Windpark zu beteiligen.

ne: Wie zeigt sich Verfahrens- und Anerkennungsgerechtigkeit?

Apel: Die zeigt sich darin, ob – und wie – die Menschen eingebunden werden. Wenn sie das Gefühl haben, nur noch pflichtgemäß informiert zu werden, nachdem die wesentlichen Entscheidungen bereits getroffen worden sind, regt sich Widerstand. Bürgerinnen und Bürger vor Ort wollen mit ihren Vorschlägen und Vorbehalten gehört werden – und mitgestalten. Dann entscheiden gerade nicht „die da oben“. Durch ein partizipatives Vorgehen wird das Projekt „unser Projekt“. Selbst wer persönlich mit den Entscheidungen nicht einverstanden ist, akzeptiert sie eher, wenn die eigene Meinung gehört – und insofern anerkannt – worden ist.

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Jetzt vormerken: Am Donnerstag, 13. November, um 10.30 Uhr hält Sophie Apel einen Vortrag zu „Akzeptanz und Projektkommunikation“ (Forum 13). Ihr Thema: „Von NIMBY zum Bescheid: Lokale Akzeptanz als unterschätzte KPI für schnellere Genehmigungen und effizientere Investitionen“.

ne: Diese dreifache Gerechtigkeit macht Verfahren allerdings auch aufwendiger…

Apel: Wenn kritische Stimmen überhört werden und deshalb geklagt wird, werden Verfahren eben falls aufwendiger. Widerstand und Protest steigern Kosten, verzögern Projekte oder sorgen sogar für Projektabbrüche. Dazu kommt: Wenn Unternehmen auftreten wie die Axt im Walde, spricht sich das herum. Beim nächsten Projekt wird es dann von vornherein sehr ungemütlich.

ne: Wie geht es schlauer – und damit erfolgversprechender?

Apel: Indem die Menschen dort abgeholt werden, wo sie mit ihren Werten stehen. Einige sind eher egoistisch, manche altruistisch, andere hedonistisch ausgerichtet. Die ausgesandten Botschaften müssen im jeweiligen Wertesystem verfangen, um überhaupt Wirkung zu zeigen. Projektierer sollten ihre Kommunikation auf diese unterschiedlichen Wertesysteme ausrichten.

ne: Wie ein Buffet?

Apel: Der Vergleich passt. Ich muss als Projektierer überlegen, wen ich mit welchen Botschaften erreiche. Das immer gleiche „Dieses Projekt bietet finanzielle Vorteile und fürs Klima ist es auch gut“ reicht jedenfalls nicht aus.

ne: Ist es bei Windenergieprojekten im Wald noch schwieriger, Akzeptanz zu erreichen?

Apel: Ja. Wie sehr jedes Projekt ein Eingriff in die Lebensrealität der Menschen ist, unterschätzen viele Projektierer. Wir sprechen von Ortsverbundenheit. Die lässt sich mit noch so guten Sachargumenten nicht wegdiskutieren. Für viele Menschen ist Wald etwas sehr Persönliches, geradezu Identitätsstiftendes. Wer Wald zerstört, greift diese Identität an. Es geht um Psychologie, doch auf dieser Ebene werden Konflikte nicht ausgetragen – und so redet man aneinander vorbei. Für jeden gefällten Baum werden andernorts drei neue gepflanzt? Solche Argumente verfangen nicht, wenn es weniger um Bäume als um die eigene Identität geht.

ne: Aber die eigene Identität wird doch nie thematisiert, wenn es um Windräder im Wald geht?

Apel: Stattdessen wird zu Sachargumenten gegriffen. Der Wald ist zu wichtig für den Schutz vor dem Klimawandel, als dass man dort Bäume fällen sollte. Vögel und Fledermäuse müssen vor den Windradfügeln geschützt werden. Das ist alles richtig, aber es kanalisiert ein sehr persönliches „Ich will das nicht“.

ne: Es werden also Scheindiskussionen geführt, weil das wirkliche Problem weder adressiert noch diskutiert wird?

Apel: Ein Aufzählen von Fakten, Fakten, Fakten führt jedenfalls nicht zum Erfolg. Ich muss die Menschen auf ihrer Bedürfnis- und emotionalen Ebene verstehen und erreichen.

Der Angriff auf die Identität muss abgemildert werden." Sophie Apel, CEO von Avaly
ne: Wie kann das gelingen, wenn es den Menschen mitunter selbst nicht völlig klar ist, warum sie gegen ein Projekt sind?

Apel: Dieses Dilemma lässt sich nicht lösen, nur einhegen. Der Angriff auf die Identität muss abgemildert werden. Etwa indem nicht irgendwo aufgeforstet wird, sondern für alle sichtbar am selben Wald. Indem die versprochene Renaturierung ebenfalls vor Ort sichtbar ist, etwa als wiedervernässtes Moor. Oder wenn die Forste in der Nachbarschaft umgestaltet werden in klimaresilientere Mischwälder.

ne: Solange ich das Für und Wider mit mir selbst austrage, kann ich mich vielleicht mit solch einem Kompromiss anfreunden. Was passiert, wenn um mich herum lautstarker Protest zu hören ist?

Apel: Dann entwickelt sich ein interessantes Phänomen. Wer selbst unsicher ist, schaut und hört sich um: Was machen die anderen? Und selbst wenn die lautstarken Protestierer zahlenmäßig weniger sind als die schweigende Mehrheit, scheinen sie die Mehrheit zu sein – und damit die soziale Norm. Das zieht die Unsicheren auf ihre Seite.

ne: Was lässt sich dagegen tun? Die schweigende Mehrheit zum Reden bringen?

Apel: Genau. Ein Ansatz besteht darin, Menschen aus benachbarten Gemeinden einzuladen – dort, wo schon entsprechende Projekte umgesetzt wurden. Mit diesen Nachbarn können sich Anwohner identifizieren, sie vertrauen ihnen. Diese Gäste erzählen ebenso glaubwürdig wie nachvollziehbar, was es bei ihnen an Problemen gab und wie sie gelöst werden.

ne: Werte, Gerechtigkeit, Identität, Normen – solche Begrifflichkeiten spielen bisher bei Bürgerversammlungen und ähnlichen Treffen kaum eine Rolle. Wird sich das ändern?

Apel: Wenn die Bürgerinnen und Bürger vor Ort das – zutreffende – Gefühl haben, gehört und mitgenommen zu werden, steigert das die Akzeptanz von Windkraftprojekten. Gerade wenn der Schuh drückt, das wäre meine Botschaft an die Projektierer, muss die Kommunikation und müssen die Argumente ganzheitlicher sein. Um die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen mit ihren Werten.

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