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Windenergie-Zubau

Rekord gebrochen – Skepsis bleibt

Isaac Bah, 25.01.18
Der Ausbau der Windenergie in Deutschland hat 2017 einen neuen Höchststand erreicht. In den kommenden Jahren droht sich der Boom deutlich abzuschwächen, doch genaue Prognosen sind derzeit nahezu unmöglich.

Im vergangenen Jahr sind in Deutschland 1792 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 5333 Megawatt (MW) neu installiert worden – ein neuer Brutto-Zubaurekord, deutlich oberhalb der bisherigen Bestmarke von 4750 MW aus dem Jahr 2014. Bereinigt um Anlagen, die abgebaut oder im Repowering durch neue, leistungsstärkere Modelle ersetzt wurden, ergibt sich ein Netto-Zubau von 4866 MW. Im Vergleich zu 2016 liegt der Zuwachs bei 15 Prozent. Damit entsprechen die heute (25. Januar) von den Verbänden VDMA Power Systems und Bundesverband WindEnergie (BWE) vorgelegten Zahlen insgesamt den Erwartungen.

Bereits vor gut einer Woche hatte das Beratungsunternehmen Deutsche Windguard im Auftrag mehrerer Branchenverbände die Jahresabschlusszahlen zum Ausbau der Windenergie auf See präsentiert. Demnach waren 1169 Offshore-Anlagen mit einer installierten Leistung von rund 5387 MW am Netz. Nach Zahlen der AG Energiebilanzen konnten diese ihre Stromproduktion auf 18,3 Terrawattstunden (TWh) im Jahr 2017 steigern – fast 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Dass die Stimmung in der Branche trotz guter Zahlen nicht ungetrübt ist, liegt vor allem an den Verwerfungen, die durch die Umstellung auf das Ausschreibungssystem entstanden sind. Beim Großteil der neuen Onshore-Turbinen handelt es sich um Anlagen, die noch unter das alte EEG fallen. Sie haben bis zum Stichtag am 31. Dezember 2016 eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImschG) erhalten und können, sofern sie bis zum Jahresende 2018 in Betrieb gehen, eine Vergütung nach der alten Systematik in Anspruch nehmen. Laut Deutsche Windguard, die auch hier die Zahlen erhoben hat, gilt diese Übergangsregelung für Windkraftanlagen mit einer Kapazität von 8,6 Gigawatt (GW). Angesichts der aktuellen Zubauzahlen gehen die Branchenverbände für die übrigen 3,3 GW von einem Bau noch in diesem Jahr aus.

Übergangsanlagen verzerren die Bilanz

Darüber hinaus fallen die Prognosen der Verbände eher mau aus. 2018 erwarten sie einen Gesamtzubau von insgesamt etwa 3,5 GW. Gleichzeitig räumen sie ein, dass die Prognose für das laufende Jahr mit Unsicherheiten behaftet ist, da bei den Ausschreibungen im Jahr 2017 überwiegend nicht genehmigte Projekte mit verlängerten Realisierungszeiten von viereinhalb Jahren zum Zuge kamen. Matthias Zelinger, Geschäftsführer von VDMA Power Systems, fordert daher zwei wesentliche Änderungen am EEG: „Die Genehmigung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz muss umgehend und dauerhaft für alle Gebote gefordert werden.“ Und: „Um den kontinuierlichen Ausbau zu sichern und Klimaschutz zu ermöglichen, müssen zusätzliche Mengen ausgeschrieben werden und nicht realisierte Zuschlagsmengen in die Ausschreibungen zurück.“

Die bisherige Ausschreibungsbilanz verleiht der Forderung Nachdruck. Von 2017 insgesamt ausgeschriebenen 2820 MW Wind an Land wurden 2730 MW an Bürgerwindprojekte vergeben, die noch über keine BImSchG-Genehmigung verfügen. Um einen für die Industrie nachhaltig negativ wirkenden Einbruch im Jahr 2019 zu glätten, argumentieren BWE und VDMA für die Ausschreibung zusätzlicher Kapazitäten in der dritten und vierten Auktionsrunde 2018 – was bereits von einigen Bundesländern unterstützt wird.

Im Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD wird ein Sondervolumen für Windenergie an Land angekündigt, um die trotz des aktuellen Ausbaus erneuerbarer Energien anerkannte Verfehlung des Klimaschutzziels 2020 aufzufangen. „Wir begrüßen diese Ankündigung und regen an, die Aufteilung auf die einzelnen Ausschreibungsrunden an dem tatsächlich genehmigten Volumen auszurichten“, sagte BWE-Präsident Hermann Albers. Damit lasse sich zusätzlicher Klimaschutz mit Wettbewerb kombinieren.

Einbruch in Bayern

Kritik übte Albers bei der Präsentation der Zahlen für 2017 an der Politik einzelner Bundesländer. So sei der Zubau beispielsweise in Schleswig-Holstein und Bayern deutlich zurückgegangen. Insbesondere die Situation im südlichen Bundesland gebe Anlass zur Sorge. Nach Einführung der sogenannten 10H-Abstandsregelung, die die 10-fache Windradhöhe als Abstand zur angrenzenden Bebauung vorschreibt, sei die Zahl der Bauanträge von 219 im Jahr 2014 auf vier im vergangenen Jahr gesunken, zitierte Albers aus einer Anfrage im bayerischen Landtag.

Insgesamt bewertete der langjährige BWE-Präsident die Entwicklung der Windindustrie als positiv. „Die vergangenen vier Jahre zählen zu den sehr guten für die Windenergie in Deutschland“, sagte Albers, verband damit aber auch einen deutlichen Fingerzeig auf die kommende Bundesregierung. „Wir haben einen wichtigen Beitrag für die Klimaschutzziele der Bundesregierung erreicht. Dass die 2020-Ziele nicht erreicht werden können, liegt nicht an der Windenergie.“

 

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