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50Hertz-Studie

Netzbetreiber bestätigt Ausbaubedarf

Michael Hahn, 01.07.16
Wie groß ist der Übertragungsnetzbedarf im Osten Deutschlands im Jahr 2035? Dieser Frage ist der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz in einer hauseigenen Studie nachgegangen. Auch wenn die Energiewende nicht gelingt, ist der Ausbaubedarf demnach fast unverändert.

Der Ausbau des Stromübertragungsnetzes in  Deutschland ist ein ewiger Zankapfel. Zwar müssen die Leitungen für die Energiewende optimiert werden. Wie viele Kilometer aber tatsächlich für die Integration von Erneuerbaren-Strom gebaut werden müssen bleibt umstritten. Denn zahlreiche Experten weisen darauf hin, dass in den Leitungen auch jede Menge mit Kohle produzierter Strom transportiert wird. Der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, zuständig für den Osten Deutschlands, hat jetzt (01.07.16) dazu die Studie „Energiewende Outlook 2035“ vorgelegt. Untersucht wird der Netzausbaubedarf bis zum Jahr 2035 Die zentrale Aussage: Die bestehenden Trassenprojekte werden als notwendig eingestuft.

Erstellt wurde die Studie von dem Beraterunternehmen E-Bridge Consulting, Prognos, dem Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft der RWTH Aachen und dem Energieunternehmen FGH. Die fünf Szenarien berücksichtigen die Entwicklung der Last, der erneuerbaren Energien und des konventionellen Kraftwerkparks und orientieren sich an den folgenden übergeordneten Annahmen:

  • Prosumerorientiert („Prosumer“ setzt sich aus den englischen Wörtern für Produzent und Konsument zusammen), die Stromversorgung findet zunehmend dezentral statt, mit einer stark wachsenden Anzahl kleiner Photovoltaik-Anlagen und Speicher
  • Gemäß des Pfads im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
  • Wettbewerblich, mit freien, technologieoffenen Ausschreibungen, die eine zentrale Stromversorgung durch große Windparks und Photovoltaik-Anlagen zur Folge haben
  • Verzögert, die Ausbau-Ziele des EEG werden nicht rechtzeitig erreicht
  • Unvollständig, die Ziele des EEG werden nicht erreicht

Mindestausbau von 1450 Kilometern

Der Bericht zeige, dass für alle Szenarien ein ähnlicher Ausbaubedarf der Übertragungsnetze anfalle, sagt Dirk Biermann, Geschäftsführer Märkte und Systembetrieb von 50Hertz. Der Großteil der bereits geplanten Ausbau-Vorhaben wäre deshalb erforderlich. Diese könnten überwiegend durch Verstärkung und Erweiterung bestehender Trassen erfolgen. Konkret bedeute dies einen Mindestausbau von 1450 Kilometer Leitungen, unabhängig des Szenarios. „Der Netzbedarf liegt auch an Versäumnissen der Regierung in der Vergangenheit“, so Biermann. Für jedes Szenario entstehe dann noch ein weiterer Bedarf. Am geringsten falle dieser mit 150 Kilometern im Prosumer-Szenario aus. Bei der unvollstänigen Energiewende liege er bei 400 Kilometern. Am höchsten – 1200 Kilometer – ist er im wettbewerblichen Szenario.

Die Leistung der Windkraft an Land würde darin auf 92 Gigawatt steigen, im Gegensatz zu heute fast 42 Gigawatt. „Die Windkraft treibt den Netzausbaubedarf“, sagt Biermann. Die günstige Stromproduktion könne die Netzausbaukosten jedoch ausgleichen, wenn die Anlagen-Standorte ertragreich seien.

Ausbautempo von Erneuerbaren und Netzen anpassen

Netze und Erneuerbare müssten jetzt synchronisiert werden. Die Reduzierung des Ausbautempos der Erneuerbaren durch das EEG bei gleichzeitiger Beschleunigung des Netzausbaus erachtet Biermann deshalb als sinnvoll. So können Netzengpässe vermieden werden. Gefährlich werde die Situation, wenn beides ausgebremst würde.

Dass eine regionale Quote für den Erneuerbaren-Ausbau sinnvoll ist, bestreiten unabhängige Experten allerdings vehement. Der Berliner Netzexperte Christian von Hirschhausen von der Technischen Universität Berlin stellt fest: „Es gibt in Deutschland derzeit keine Netzengpassgebiete, in denen eine Verzögerung des Erneuerbaren-Ausbaus gerechtfertigt wäre, so wie es im Entwurf des EEG 2016 vorgeschlagen wird.“

Für kritisch hält der Forscher, dass zeitgleich mit Wind- und Solaranlagen auch konventionelle Kraftwerke einspeisen. Dazu schreibt er in einer gemeinsam mit Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung erstellten Analyse: „Der von den Übertragungsnetzbetreibern ermittelte umfangreiche Netzausbaubedarf ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das gegenwärtige Marktdesign eine Einspeisegarantie für fossilen Strom auch in Zeiten hoher Überkapazitäten vorsieht, welche dann vor allem für Stromexporte genutzt wird; selbst dieses erfolgt nur in wenigen Stunden des Jahres.“

Gaskraftwerke liefern 2035 die meiste konventionelle Energie

In dem 50Hertz-Papier findet sich darüber hinaus, dass der Hauptanteil der konventionellen Energieerzeugung 2035 durch Gaskraftwerke erfolge. Der Zubau dieser im Süden Deutschlands und der starke Rückgang von Braunkohleverstromung würden den Bedarf des Netzausbaus nicht verkleinern, ebenso wenig eine Verdopplung der Anzahl von Kleinspeichern. Die 50Hertz-Region werde auch in Zukunft wegen Überproduktion einer der größten Stromexporteure Europas bleiben, bei einer verzögerten oder unvollständigen Energiewende müsse aber möglicherweise elektrische Energie importiert werden.

Die jährlichen Kosten der Energiewende bewegen sich dem Bericht zufolge bei den ersten drei Szenarien auf gleichem Niveau, der verzögerte oder unvollständige Umstieg auf Erneuerbare wäre etwas billiger. Eine umfängliche volkswirtschaftliche Analyse sei jedoch nicht erfolgt. Die letzten beiden Szenarien wären zwar günstiger, würden aber zu mehr CO2-Ausstoß und zum Verfehlen der Pariser Klimaziele führen, sagt Biermann.

Aktuelle und ausführliche Hintergründe sowie Informationen zum Thema Netzausbau finden Sie in der Titelstrecke der Juli-Ausgabe von neue energie.

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