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Energieversorgung

Studie: Ausbau von LNG-Terminals völlig überdimensioniert

Joachim Wille, 12.12.22
Das New Climate Institute warnt vor dem geplanten Bau von elf Flüssiggas-Stationen an Deutschlands Küsten. Sie würden die Steuerzahler unnötig viel Geld kosten und die Klimaziele gefährden. Der Chef der Netzagentur verteidigt die Pläne.

An Deutschlands Küsten sollen insgesamt elf Terminals für Flüssig-Erdgas entstehen, um das Gas zu ersetzen, das bisher aus Russland kam. Eine Studie kommt nun zu dem Schluss: Drei LNG-Terminals würden für die Versorgung neben den vorhandenen Pipelines ausreichen, die Gas etwa aus Norwegen, den Niederlanden sowie von vorhandenen LNG-Terminals in den Nachbarländern liefern.

Pläne zum Bau von LNG-Terminals an Nord- und Ostsee gab es bereits im letzten Jahrzehnt, sie wurden jedoch nicht realisiert. Der Grund: Sie rechneten sich gegenüber den Pipeline-Gaslieferungen nicht. Seit dem Beginn von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine haben sich die Vorzeichen geändert. Derzeit werden hierzulande sechs Terminals realisiert, fünf davon im Auftrag der Bundesregierung, nämlich zwei in Wilhelmshaven und je eins in Brunsbüttel, Stade und Lubmin.

Insgesamt sollen bis Ende 2026 elf LNG-Terminals entstehen, davon wären acht als schwimmende Terminals ausgeführt und drei fest installiert. Die erste schwimmende Anlage, bei der ein Tankschiff als zeitweises Gaslager sowie als „Regasifizierungs-Einheit“ dient, soll bereits am 17. Dezember ihre Arbeit in Wilhelmshaven aufnehmen. Bei der Regasifizierung wird das bis auf minus 162 Grad Celsius heruntergekühlte Flüssiggas wieder in Gasform umgewandelt, so dass es in herkömmliche Pipelines eingespeist werden kann.  

Laut einer jetzt veröffentlichten Untersuchung des Kölner „New Climate Institute“ würden alle elf LNG-Terminals zusammen über eine Importkapazität von etwa 73 Milliarden Kubikmeter Gas verfügen und so den Import von etwa 50 Prozent mehr Gas ermöglichen als vor dem Krieg aus Russland bezogen wurde; das waren 46 Milliarden Tonnen. Selbst unter Berücksichtigung einer eventuell möglichen späteren Umrüstung der Terminals auf grünen Wasserstoff oder grünes Ammoniak seien die von der Ampel-Bundesregierung vorangetriebenen Pläne „massiv überdimensioniert“, urteilen die Experten. Der Bedarf an importiertem Wasserstoff in einem klimaneutralen Deutschland werde deutlich kleiner sein als der jetzige Erdgas-Bedarf.

Nach 2035 komplett überflüssig?

Das Institut begründet die Kritik am Umfang der LNG-Pläne mit aktuell bestehenden Importmöglichkeiten aus europäischen Nachbarländern per Pipeline sowie mit dem zukünftig aufgrund der Klimaschutzmaßnahmen sinkenden Gasverbrauch, zum Beispiel durch die Wärmedämmung von erdgasbeheizten Häusern. Bereits für dieses Jahr wird laut der Studie aufgrund von Sparanstrengungen und bis Dezember relativ milden Temperaturen mit einem gegenüber 2021 um zwölf Prozent niedrigeren Gasabsatz von rund 83 Milliarden Kubikmeter gerechnet. Da Deutschland bis 2045 Klimaneutralität anstrebt, werde der Verbrauch weiter sinken, bis 2030 um 20 Prozent, bis 2035 um die Hälfte und bis 2045 auf annähernd Null.

Bei gleichbleibend hohen Gasimporten aus den Nachbarländern wie in den letzten Monaten könnten laut den Experten 86 Milliarden Kubikmeter pro Jahr bereitgestellt werden, also mehr, als derzeit verbraucht wird. „Bei anhaltenden Einsparbemühungen wären also keine neuen LNG-Terminals nötig“, schlussfolgert das Institut. Tatsächlich wird aber erwartet, dass die zuletzt gesteigerten Importe über Land-Pipelines wieder zurückgehen. Dann, so die Studie, könne die Gasnachfrage die verfügbaren Importe um bis zu 15 Milliarden Kubikmeter jährlich übersteigen. Diese Lücke könne „entweder durch ambitioniertere Reduktionen oder durch drei schwimmende Terminals abgedeckt werden“. Nach 2035 würden auch diese „nicht mehr benötigt werden“, prognostiziert das Institut, das von Professor Niklas Höhne geleitet wird.

Die Expertinnen warnen, dass die neuen LNG-Terminals „der Energiewende im Weg“ stehen würde. „Der Aufbau bindet Ressourcen und Aufmerksamkeit, die dann für Energieeffizienz-Maßnahmen und Ausbau der erneuerbaren Energien nicht zur Verfügung stünden.“ Zudem werde es nahezu unmöglich, die deutschen Klimaziele bei vollem Betrieb der geplanten Terminals zu erreichen. Allein der CO2-Ausstoß aus der Verbrennung des darüber importierten Erdgases werde im Jahr 2030 ein Drittel der dann noch zulässigen Treibhausgas-Emissionen ausmachen, nicht mitgerechnet die CO2- und Methan-Emissionen bei Förderung und Transport.

Regierung räumt deutlich höhere Kosten ein

Für den Fall, dass alle LNG-Pläne umgesetzt werden, erwartet das Institut Fehlinvestitionen, sogenannte „Stranded Assets“. Diese überflüssigen Kosten würden auch auf die Steuerzahler zurückfallen, da „ein Großteil der LNG-Terminals durch finanzielle Mittel des Bundes unterstützt wird“, so die Studienautoren. Das Wirtschaftsministerium schätzt die Kosten der vom Bund beauftragten LNG-Terminals inzwischen auf knapp zehn Milliarden Euro. Dabei geht es um das Chartern der Spezialschiffe, den Bau der Installationen in den Häfen sowie der Verbindungen zum vorhandenen Pipeline-Netz. Für den Zeitraum 2022 bis 2038 schätze man die Aufwendungen auf eine Summe von 9,7 Milliarden, sagte eine Ministeriumssprecherin und bestätigte damit einen Bericht des „Spiegel“.

Im Frühjahr hatte die Ampel-Regierung zunächst 2,9 Milliarden Euro für die LNG-Projekte bereitgestellt. Laut dem Magazinbericht kamen dann weitere Kosten hinzu, so durch zusätzliche schwimmende Terminals sowie längere geplante Laufzeiten. Dies summiere sich auf nahezu zehn Milliarden Euro. Die Sprecherin bestätigte das, verwies aber auf Unsicherheiten bei den Schätzungen. Außerdem stünden den Kosten künftig „Regasifizierungsentgelte“ entgegen.

Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, verteidigte unterdessen den geplanten Bau der Terminals. Deutschland habe auch eine Verantwortung für Länder wie Österreich oder Tschechien, sagte er, „die als Binnenländer keine Küsten haben und so auch keine LNG-Terminals bauen können“. Traditionell sei auch immer Gas aus Deutschland durch seine Nachbarländer geflossen. „Das sollten wir solidarisch im Blick behalten.“ Die Alternative zu Flüssiggas wäre Müller zufolge Gas aus Russland oder mehr Kohle gewesen.

Er erneuerte seinen Appell an Wirtschaft und Privathaushalte, mehr Gas zu sparen. „Wir laufen auf einen sehr, sehr kalten Dezember zu.“ Statt der angestrebten 20 Prozent habe der Gasverbrauch zuletzt nur 13 Prozent unter dem Üblichen gelegen. „Wenn das ein Ausreißer bleibt - okay, stecken wir weg. Die Gasspeicher sind gut gefüllt“, sagte Müller. „Aber das sollte im Dezember, Januar, Februar wieder etwas besser werden.“

 

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