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Gastbeitrag

Wie können wir weltweit die Ziele des Klimagipfels erreichen?

Manfred Fischedick, 06.01.16
Die Erwartungshaltung an den Klimagipfel in Paris war groß. Sind aber die vergangenen internationalen Klimakonferenzen stets mehr oder weniger mit einer Enttäuschung zu Ende gegangen, hat der Pariser Gipfel positiv überrascht. Ein Gastbeitrag von Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie.

Am 12. Dezember 2015 hat die 21. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention das sogenannte „Paris Agreement" angenommen. Von der Weltgemeinschaft ist damit ein gemeinsamer Weg des Kampfes gegen den menschengemachten Klimawandel eingeschlagen worden. Es ist ein ermutigendes Zeichen der 195 teilnehmenden Länder, dass dies trotz eines schwach ausgebildeten, auf dem Konsensprinzip beruhenden internationalen Systems und einer Vielzahl aktueller Bedrohungen wie Krieg, Terror und sozialer Ungleichheit gelungen ist.

Nach 25 Jahren UN-Klimadiplomatie haben die Regierungen der Welt zum ersten Mal einen umfassenden Vertrag verabschiedet, der Klimaschutzbeiträge von allen Staaten vorsieht. Dies beendet die statische Teilung der Welt in „Industrie-" und „Nicht-Industriestaaten" durch die Klimarahmenkonvention, die mit dem Kyoto-Protokoll für fast zwanzig Jahre zementiert worden war. Denn seit den 1990er Jahren hat sich die Welt stark verändert – ehemals wirtschaftlich schwächere Staaten sind inzwischen zu starken Emittenten herangewachsen. Es ist den Entwicklungsländern hoch anzurechnen, dass sie der Abkehr von dieser Dichotomie zugestimmt haben, obwohl viele Industriestaaten bisher nicht durch ambitionierten Klimaschutz in Vorleistung getreten sind. Die Entwicklungsländer haben damit akzeptiert, die Eindämmung des menschengemachten Klimawandels zu einer global-gemeinsamen Aufgabe (mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten) zu machen – dass dies auch im Beschlusstext steht, ist einer der wesentlichen Erfolge von Paris.

Als Erfolg kann auch gewertet werden, dass nunmehr vertraglich als langfristiges Ziel verankert wurde, dass der globale Temperaturanstieg deutlich unter zwei Grad Celsius gehalten werden soll (Artikel 2). Mit der Formulierung „deutlich unter“ ist letztlich gemeint, dass Anstrengungen unternommen werden sollen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Verankerung des 1,5-Grad-Limits ist ein enormer Verhandlungserfolg der am meisten verwundbaren Staaten, der kleinen Inselstaaten und der am wenigsten entwickelten Länder, der bis vor kurzem noch kaum vorstellbar erschien. Nicht zuletzt hat dafür eine „Koalition der Ambitionierten“ gesorgt, der neben den Inselstaaten auch die EU, die USA und Brasilien angehörten.

Die notwendige Technologie ist bereits verfügbar

Im Vertragstext wird zudem festgehalten, dass die globalen Treibhausgasemissionen erstens ihren Höhepunkt so bald wie möglich erreichen sollen und, zweitens, eine „Balance zwischen dem Ausstoß und der Absorbierung durch Senken in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts" geschaffen werden soll. Dieses Ziel kommt de facto einem Aufruf zu einer globalen Dekarbonisierung vor dem Ende dieses Jahrhunderts gleich. Dies ist die Hauptbotschaft von Paris: Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe ist vorüber.

Damit nicht genug. Kämpft man sich durch den wie üblich etwas komplex formulierten Text, finden sich weitere wichtige Eckpunkte. Dies ist zum Beispiel das klare Bekenntnis der Staatengemeinschaft zu progressiv immer stärkeren Minderungsambitionen. Die im Vorfeld der Konferenz formulierten freiwilligen Ziele der Länder (INDC: Intended National Determined Contribution) sollen in Fünf-Jahreszyklen nachgebessert werden. Dies ist auch unerlässlich, soll das Zwei-Grad-Ziel wirklich erreicht werden. Auf Grundlage der vorliegenden Zusagen der einzelnen Länder wird bis Ende des Jahrhunderts mit einer Erderwärmung von rund 2,7 bis 3 Grad Celsius gerechnet.

Schließlich hat das Abkommen von Paris nicht nur eine solide Grundlage zur Verstärkung der Anstrengungen im Klimaschutz geschaffen, sondern stärkt auch Bemühungen zur Anpassung an den Klimawandel sowie im Umgang mit bereits jetzt unvermeidlichen Klimaschäden. Darüber hinaus finden sich wichtige Vereinbarungen in Bezug auf die Finanzierung von Klimaschutzaktivitäten und den Aufbau eines Klimafonds.

Das Pariser Abkommen legt die „Klimaschutzlatte“ hoch und beschreibt sehr deutlich die zu erreichende Zielmarke. Wie aber kann die „Lücke“ zwischen den derzeit beabsichtigten Klimaschutzmaßnahmen der Länder und den für die Erreichung des Zwei-Grad-Ziels notwendigen Emissionsreduktionen geschlossen werden? Wie kann eine stufenweise Dekarbonisierung des Energiesystems bis zur Mitte des Jahrhunderts erreicht werden? Die Antwort – so aktuell vorliegende Studien – ist überraschend einfach: im Wesentlichen mit Hilfe der heute bereits verfügbaren Technologien. Dabei wird jedes Land je nach Rahmenbedingungen und Möglichkeiten seine spezifische Antwort auf diese Herausforderungen finden müssen und einen eigenen Technologiemix wählen.

Zwei zentrale Meilensteine für Deutschland

Im Rahmen des internationalen Deep Decarbonization Pathways Project (DDPP) findet diese These ihre Bestätigung. In dem Projekt wurden detaillierte Szenarien für eine Umgestaltung der Energiesysteme von 16 verschiedenen Ländern erstellt, die in Summe für rund drei Viertel der gegenwärtigen energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich sind. Bei aller Unterschiedlichkeit der gewählten Länder-Studien können drei zentrale Elemente identifiziert werden, die für weitgehenden Klimaschutz bis zum Jahr 2050 offenbar unerlässlich sind:

  • eine deutliche Erhöhung der Energieeffizienz
  • ein sukzessiver Wechsel hin zu CO2-freien beziehungsweise CO2-armen Primärenergieträgern
  • eine deutlich verstärkte Nutzung von Strom als Endenergieträger

Auch in der Deutschland-Studie des Projekts liegt das Schwergewicht auf der Ausschöpfung dieser drei Optionen. Dabei werden im Rahmen einer Metastudie drei bestehende Energieszenarien miteinander verglichen, die für sehr unterschiedliche Auftraggeber aus Politik und Wirtschaft entwickelt worden sind und insofern unterschiedliche Perspektiven spiegeln. Gemeinsam ist allen Szenarien, dass sie bis 2050 entsprechend den Vorgaben des Energiekonzepts der Bundesregierung eine Minderung der Treibhausgasemissionen von 80 bis 90 Prozent (gegenüber 1990) beschreiben.

Die Szenarien machen deutlich, dass die Dekarbonisierung der Stromerzeugung und deutliche Effizienzsteigerungen im Gebäudebereich die zentralen Meilensteine für die Umsetzung der definierten Ziele sind. Eine CO2-freie Stromerzeugung und ein CO2-freier Gebäudebestand sind schon für die Erreichung des 80-Prozent-Ziels bis 2050 nahezu unerlässlich. Weitere strukturelle Veränderungen sind notwendig, wenn das Treibhausgas-Minderungsziel deutlich über 80 Prozent hinausgehen soll. So wird in den Szenarien dann vermehrt Strom aus erneuerbaren Energien in Wasserstoff umgewandelt und damit indirekt Strom im Verkehrs- und Industriesektor zum Einsatz gebracht.

Auf die schnelle Umsetzung kommt es an

Für den Aufbau der dafür notwendigen Infrastrukturen müssen heute schon die Grundlagen geschaffen werden. Eine mögliche Alternative oder Ergänzung dazu stellt die Abscheidung und -Speicherung von CO2 (CCS) dar. Für diese in Deutschland sehr umstrittene Technologie erwartet eines der betrachteten Szenarien zumindest eine Akzeptanz für Anwendungen im Bereich der Industrie. Verhaltensänderungen spielen in den analysierten Szenarien eher implizit eine Rolle, indem davon ausgegangen wird, dass Rebound-Effekte deutlich eingeschränkt werden können.

Sowohl in Deutschland als auch weltweit erfordert das Zwei-Grad-Ziel die zügige Umsetzung zusätzlicher klimapolitischer Maßnahmen. Dabei braucht es eine Balance zwischen der Umsetzung kurzfristig erschließbarer Beiträge zur Emissionsreduktion (insbesondere durch die konsequente Verbesserung der Energieeffizienz) und der Durchführung vorbereitender Maßnahmen für zukünftig sehr viel weitergehende Reduktionen der Emissionen (zum Beispiel Aufbau von Power-to-X-Strukturen). Entscheidend ist zudem der Einstieg in den geordneten Ausstieg aus der Kohlenutzung. Es geht dabei nicht um eine Beendigung des Einsatzes von Kohle über Nacht, sondern um klare politische und in der Konsequenz in Marktstrukturen übersetzte Signale, um hinreichend Zeit zu haben, den Ausstieg sozial verträglich zu gestalten.

Deutschland kommt für die Erfüllung der Pariser Ziele eine wichtige Impulsgeberfunktion zu. Die deutschen Klimaschutzbemühungen werden international aufmerksam beobachtet. Kann hier gezeigt werden, dass eine deutliche Minderung der Emissionen nicht in Widerspruch zu Wohlstand und Entwicklung steht, dann hat dies erhebliche Signaleffekte. Dass dies bei einem entsprechenden politischen Mut und langem Atem gelingen, steht immer weniger in Frage. Nach der Zeit der Verhandler in Paris ist jetzt die Zeit der Praktiker, der Umsetzer in den Regionen, Städten, Gemeinden, in den Unternehmen und bei jedem Einzelnen von uns zu Hause.

 

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