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Analyse

Wer zahlt drauf, wenn CO2 einen Preis bekommt?

Tim Altegör, 04.02.19
Der Verein für eine CO2-Abgabe legt eine Studie vor, die zeigen soll: Sein Konzept würde ärmere Haushalte finanziell eher entlasten. Langfristig müssten sich aber alle darauf einstellen, dass Emissionen teuer werden – und sie möglichst vermeiden.

Die Forderungen nach einem angemessenen Preis für CO2-Emissionen reißen nicht ab. Zuletzt sprach sich auch die Kohlekommission in ihrem Abschlussbericht für einen CO2-Preis aus. Zudem machen sich aktuell die Bundesländer Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg dafür stark, eine CO2-Abgabe für den Verbrauch von Wärme, Strom und Kraftstoffen zu erheben und im Gegenzug die Strompreise zu senken. Das soll unter anderem die sogenannte Sektorenkopplung beflügeln, die Nutzung von Ökostrom auch beim Heizen und im Verkehr.

Eine solche Reform von Steuern und Abgaben soll in jedem Fall „sozialverträglich“ sein, da sind sich die Befürworter einig – sonst wäre sie wohl kaum politisch durchsetzbar. Sie argumentieren aber, dass dies mit der richtigen Ausgestaltung durchaus möglich ist. Im Dezember haben etwa zwei namhafte Ökonomen vorgerechnet, wie ein CO2-Preis aussehen könnte, von dem ärmere Menschen sogar finanziell profitieren.

Auch der vor knapp zwei Jahren gegründete „CO2-Abgabe e.V.“ hat nun eine Studie vorgelegt, die sein Konzept auf mögliche Verteilungseffekte bei Privathaushalten abklopft. Der Plan ist, nicht bloß das Treibhausgas teurer zu machen. Gleichzeitig soll das komplizierte System der Energiepreise entschlackt werden. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass das Modell des Vereins – ein Einstiegspreis von 40 Euro je Tonne CO2, während im gleichen Umfang andere Abgaben wie EEG-Umlage und Stromsteuer entfallen – vor allem Haushalten mit geringem Einkommen zugutekäme.

Reiche Haushalte erzeugen mehr CO2

Der Grund für die stärkte Belastung reicherer Haushalte: Wer viel fliegt, eine große Wohnung oder ein Haus beheizt und spritfressende Autos fährt, erzeugt mehr CO2. Bei Hartz-IV-Beziehern kommt noch dazu, dass die Kosten für Miete und Heizung vom Amt übernommen werden, für Strom aber nur ein pauschaler Satz gezahlt wird, der häufig unter den tatsächlichen Kosten liegt. Sie würden daher „besonders von einer Strompreissenkung profitieren“, erklärt Stephan Lessenich von der Uni München, Vereinsbeirat und einer der Studienautoren.

Zunächst sollen aber alle Einkommensklassen im Durchschnitt einen kleinen Betrag mehr in der Tasche haben. Nicht mit eingerechnet sind dabei Flüge: Wenn sie dazukommen, stehen unterm Strich nur noch Menschen mit einem relativ niedrigen Einkommen besser da. Wer mit seiner Lebensweise mehr Emissionen erzeugt, soll auch mehr zahlen, lautet die grundsätzliche Logik.

Für ihre Studie haben die Autoren unter anderem echte Fallbeispiele aus einer Erhebung des Umweltbundesamts mit dem vorgeschlagenen CO2-Preis abgeglichen. Nur „in einigen wenigen Fällen“ komme es vor, dass Haushalte mit geringem Einkommen und Pendler zusätzlich belastet würden. Zum Ausgleich schlägt der Verein vor, die Pendlerpauschale so umzubauen, dass sie vor allem Haushalten nutzt, die einen hohen Anteil ihres Einkommens für die Strecken ausgeben.

Fossile Energien würden teurer

Mit der Zeit und einem steigenden CO2-Preis, wie ihn das Modell vorsieht, würde es allerdings für Menschen aller Einkommensklassen immer teurer, fossile Energien zu nutzen. Fünf Euro mehr pro Tonne CO2 sollen es ab 2020 jedes Jahr sein, 2050 – das Jahr, in dem Deutschland laut politischen Bekundungen weitgehend klimaneutral sein soll – wären damit 190 Euro erreicht. Der absehbare Preisanstieg soll die Verbraucher dazu bewegen, frühzeitig emissionsärmere Autos, Heizungen und Geräte zu kaufen. „Die Abgabe kommt ganz allmählich“, sagt Vereinsvorstand Jörg Lange, es gebe reichlich Zeit, Entscheidungen daran auszurichten. „Das ist aus meiner Sicht ein sehr moderater Weg.“

Für eine „verbraucherfreundliche CO2-Bepreisung“ seien auch die Verbraucherzentralen zu haben, kommentiert Anett Ludwig von deren Bundesverband die Ergebnisse. Eine Umfrage im Oktober habe ergeben, dass 62 Prozent der Verbraucher einen CO2-Preis für Strom und Wärme unterstützen.

Ein Dilemma, das wurde bei der Vorstellung der Studie klar, kann der Plan allerdings nicht auflösen: dass Mieter zwar die Heizkosten zahlen, über die Heizungsart und mögliche Sanierungen aber die Vermieter entscheiden (beziehungsweise per Umlage der Kosten ärmere Mieter verdrängen). Hier müsste also an anderer Stelle nachgebessert werden, etwa bei Förderprogrammen. Hauseigentümer auch zum Handeln zu verpflichten, „damit steht und fällt das Ganze“, so Lange.

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