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Jahresgutachten

Regierungsberater sehen weiter Nachholbedarf beim Klimaschutz

Joachim Wille, 21.02.22
Ein neues wissenschaftliches Gremium dringt in seinem ersten Bericht auf mehr Bürgerbeteiligung und bringt auch das umstrittene CCS-Verfahren wieder ins Spiel.

Die „Klimaweisen“ der Bundesregierung haben ihr erstes Jahresgutachten vorgelegt. Darin attestieren sie dem Scholz-Kabinett, dass die Richtung der in der Klimapolitik geplanten Maßnahmen zwar stimme. Sie reichten aber nicht aus für die von der Ampel selbst gesetzten CO2-Reduktionsziele. Außerdem fordern sie, auch heiße Eisen wie die unterirdische Verpressung von Kohlendioxid anzupacken. Diese Technologie sei nötig, um Klimaneutralität zu erreichen.

Die „Wissenschaftsplattform Klimaschutz“, so die offizielle Bezeichnung, ist noch von der Großen Koalition 2019 eingerichtet worden. Sie hat die Aufgabe, die Bundesregierung bei der Umsetzung und Weiterentwicklung des Klimaschutzplans 2050 zu beraten und so dazu beizutragen, dass Deutschland seine nationalen und internationalen Klimaschutzziele erreichen kann.

Die Klimapolitik sei lückenhaft, monieren die Wissenschaftler nun. Die bisherigen Maßnahmen seien eher „punktueller Natur“, und es sei zu befürchten, dass „sie nicht von allen in der Bevölkerung akzeptiert werden“, sagte die Co-Vorsitzende des Gremiums, die Greifswalder Professorin und Institutsdirektorin Sabine Schlacke.

Bürgerräte und Genossenschaften

Die Groko hatte das Ziel der Klimaneutralität im vorigen Jahr nach dem wegeweisenden Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Jahr 2050 auf 2045 vorgezogen. Um hier in die Spur zu kommen, hat der neue Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Gesetzespakete angekündigt, bei denen der Ökostrom-Ausbau im Mittelpunkt steht. So soll Windkraft auf zwei Prozent der Landesfläche möglich sein, und die Photovoltaik stark zulegen. Dies sei „sehr zu begrüßen“, sagte Schlacke. Doch müsse der Ausbau der Stromnetze vorangetrieben werden, um die Anlagen auch nutzen zu können.

Die Klimaexperten fordern die Ampel zudem auf, die Bevölkerung stärker einzubeziehen. Die nächste Phase des Umbaus werde die Bevölkerung in vielen Bereichen unmittelbarer und intensiver betreffen als bisher, erklärten sie. „Die Bürgerinnen und Bürger müssen hier vom Objekt zum Subjekt gemacht werden“, sagte Schlacke. „Ziel muss sein: Ihr Leben wird nicht verändert, sondern sie verändern es.“ Bürgerinnen-Räte und Energiegenossenschaften könnten dabei helfen. Zudem müssten die sozialen Verteilungswirkungen verschiedener Klimaschutz-Maßnahmen stärker als bisher erforscht und berücksichtigt werden.

CO2 aus der Luft holen, um unter Null zu kommen

Weiter forderten die Klimaweisen die Ampel auf, dem künftigen Import von sauberer Energie, vor allem von Wasserstoff, mehr Bedeutung beizumessen. Der zweite Co-Chef des Gremiums, Professor Ottmar Edenhofer, betonte, hierfür brauche es „einen Plan und Infrastruktur“. Zudem müsse „das lang verpönte Thema der CO2-Entnahme aus der Luft und der unterirdischen Verpressung angepackt werden“. Diese Technologie sei nötig, um trotz Restemissionen etwa aus der Landwirtschaft den Ausstoß von Treibhausgasen unter dem Strich auf Null zu bringen. „Nur so kriegen wir die Klimarisiken in den Griff.“ Geplante Testläufe zum umstrittenen CCS („Carbon Capture and Storage“) waren hierzulande nach Protesten aus der Bevölkerung aufgegeben worden.

In ihrem 150-seitigen Gutachten dringen die Wissenschaftler zudem darauf, den Agrarsektor stärker in die Pflicht zu nehmen. Sie schlagen eine Bepreisung von Lachgasemissionen durch Dünger und Methanemissionen aus der Rinderhaltung vor. „Bei Weitergabe des Preissignals wären auch – wünschenswerte – Anreize für klimafreundlichere Ernährungsweisen zu erwarten“, so das Gremium. Umgekehrt solle es in Bereichen, in denen Treibhausgase gebunden werden, Geld dafür geben, etwa bei der Neupflanzung von Wäldern oder der Renaturierung von Moorflächen.

 

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