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Bildung

Polymer-Forscherinnen auf Probe

Michael Hahn, 04.12.17
Zum sechsten Mal haben Jugendliche beim „2°-Campus“ der Umweltorganisation WWF zum Klimaschutz geforscht. Die jungen Erwachsenen boten dabei ein anderes Bild, als bei den sogenannten Mint-Berufen eigentlich üblich: Frauen waren in der Überzahl. Das kommt nicht von ungefähr: Untersuchungen zeigen, dass vor allem die Erneuerbaren-Branche Berufsanfängerinnen anzieht.

Technische Berufe sind noch immer zu großen Teilen eine Männerdomäne, in denen Frauen nur einen geringen Anteil der Beschäftigten ausmachen. Das fängt schon bei der Ausbildung an: In den sogenannten Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) an Universitäten und Hochschulen sind Frauen unterrepräsentiert. 2015 waren es nur 32 Prozent, hat der Nationale Pakt für Frauen in Mint-Berufen ermittelt. Immerhin beobachtet die Initiative seit ihrer Gründung 2008 aber einen stabilen Anstieg bei den Studienanfängerinnen.

Eine mögliche Ursache für den Frauenmangel in Mint-Berufen hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Anfang November veröffentlichten Studie benannt: Mädchen würden ihre Fähigkeiten in Mathematik unterschätzen und im Gegenzug Jungen die ihrigen überschätzen. Die „Unterschiede sind bereits in der fünften Klasse deutlich und bleiben in höheren Jahrgangsstufen bestehen“, teilte das DIW mit. Mädchen würden deshalb schon früh andere Fächer vorziehen, etwa Sprachen.

Ein Mangel an Schülerinnen, die sich für technische Berufe interessieren, war Mitte Oktober in der Repräsentanz der Robert Bosch Stiftung in Berlin nicht zu spüren. Dort präsentierten Jugendliche im Alter von 15 bis 19 Jahren ihre Forschungsergebnisse beim „2°-Campus“. Die Schülerakademie, organisiert von der Umweltorganisation WWF, soll junge Menschen für Forschung und Klimaschutz begeistern und „Mint-Förderung mit Nachhaltigkeit kombinieren“. Das Projekt gibt es seit mittlerweile sechs Jahren.

Frauen in der Überzahl

Erforscht wurde dieses Mal, wie Bestandsquartiere nachhaltig und energieeffizient saniert werden können, wie eine längere Lebenszeit von organischen Solarzellen möglich ist oder welchen Beitrag solidarische Landwirtschaft zum Klimaschutz leistet. Im Gegensatz zum realen Forschungsbetrieb waren dabei die Frauen in der Überzahl. Fünf Campus-Teilnehmerinnen untersuchten etwa zur Elektromobilität, ob der Einsatz eines speziellen Polymers anstelle der bisher genutzten Lithiumsalze Batterien umweltverträglicher macht und mehr Leistung bringt. Betreut wurden die Jugendlichen unter anderem von einem wissenschaftlichen Mentor aus dem Batterieforschungszentrum Meet in Münster.

Kaja Sophie Grewe war mit 17 Jahren die Gruppenälteste. „Mein ehemaliger Biologielehrer hat mich gefragt, ob ich nicht beim 2°-Campus mitmachen möchte“, sagt sie. Damit habe er „absolut richtig“ gelegen, denn sie habe sich schon immer für Naturwissenschaften interessiert, ebenso für Klimaschutz. „Das geht Hand in Hand.“ Das restliche Team setzte sich aus Clara Deifel, Dorothea Hellinger, Johanna Finkeldey und Dörthe Winkler zusammen. Alle vier sind 15 bis 16 Jahre alt und berichten ebenfalls vom bereits vorhandenen Interesse fürs Klima als Motivation, hier mitzumachen.

Erneuerbare interessant für Berufsanfängerinnen

Mit dieser Kombination aus Technik- und Klima-Interesse liegen die Schülerinnen offenbar im Trend. Laut mehreren Untersuchungen böten „auf Umweltschutz ausgerichtete Branchen mit ihrem konkreten gesellschaftlichen Nutzen einen Anreiz für Mädchen, einen technischen Beruf zu ergreifen“, teilte die Agentur für Erneuerbare Energien im März mit. Das mache vor allem die Erneuerbaren-Branche interessant für Berufsanfängerinnen.

„Das Projekt zur E-Mobilität klang für mich sehr interessant und es gab die Möglichkeit coole Labore von innen zu sehen“, sagt Johanna Finkeldey über ihr Campus-Projekt. Die für eine Schülergruppe doch recht spezielle Fragestellung entstand gemeinsam mit Mentor Johannes Betz vom Meet. „Ich habe den Input gegeben, dass wir mit einem Polymer forschen könnten. Wie genau, war jedoch in keiner Weise geregelt“, sagt Betz. Antrieb sei gewesen, die Klimabilanz der Batterie zu verbessern, weil gerade die Produktion der Kathoden sehr energieintensiv sei.

Dafür haben die Schülerinnen auch praktische Versuche mit einem Elektro-Modellauto unternommen, um die Ausdauer der Batterien zu vergleichen. „Es hat sich herausgestellt, dass zwar immer noch die Lithium-Ionen-Batterien am längsten gehalten haben, aber mit der richtigen Kombination die Polymer-Zellen schon sehr nah rankommen“, erzählt Kaja Grewe. Das Material sei „durchaus zukunftsfähig“, urteilt sie. Am Meet soll jetzt weiter daran geforscht werden, auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Nachwuchs-Forscherinnen.

Wunsch nach mehr Klimaschutz

Ob die Teenager später einmal einen Mint-Beruf ergreifen oder in die Richtung studieren wollen, weiß der Großteil von ihnen noch nicht. „Vielleicht in Richtung Umweltschutz und Naturwissenschaften“, bleibt Johanna Finkeldey vage und schiebt schnell hinterher: „Ich habe ja noch vier Jahre Zeit zu überlegen.“ Alle wünschen sich aber, dass Klimaschutz stärker auf die Lehrpläne kommt und auch politisch mehr in den Vordergrund rückt.

Lediglich Kaja Grewe hat schon sehr genaue Vorstellungen, was ihre Zukunft betrifft: „Ich will molekulare Biomedizin studieren“, erzählt sie. Sie interessiert das Wissen, das Naturwissenschaften bieten. „Aber man muss das Ganze auch für einen guten Zweck einsetzen“, sagt Grewe. „Was gäbe es da besseres als den Klimaschutz.“

Der Bewerbungsschluss für den nächsten „2°-Campus“ ist am 12. Dezember. Alle Infos, auch zur Teilnahme, gibt es unter www.2-grad-campus.de. neue energie ist Medienpartner des Projekts.

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