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Müllproblem

Plastik heizt die Klimakrise an

Joachim Wille, 27.05.19
Dass Kunststoff die Meere vermüllt, ist bekannt. Doch auch fürs Klima hat unser Plastikkonsum verheerende Folgen, zeigt eine Studie. Für eine erste Gegenmaßnahme könnte die EU Vorbild sein.

Die guten Nachrichten von der Plastikmüll-Front können täuschen. Jüngst feierten Umweltpolitiker die Meldung, wonach der Absatz von Plastiktüten hierzulande deutlich zurückgegangen ist, auf nur noch 24 pro Kopf und Jahr. Anderswo, so bereits in 31 afrikanischen Ländern, sind die Kunststoff-Taschen, die schnell zu Müll werden, sogar ganz verboten. Und auch die jetzt endgültig verabschiedete neue EU-Richtlinie gegen die Verschmutzung der Umwelt durch Einwegplastik wird bejubelt. Doch der Durchbruch zu einer ökologischen Kunststoff-Wirtschaft ist mit solchen Aktionen noch längst nicht geschafft. Eine neue Untersuchung zeigt: Die Branche belastet nicht nur die Umwelt, Sinnbild sind die Plastikmüll-Strudel in den Meeren, sondern auch das Klima stark – und zwar mit steigender Tendenz.

Die Studie „Plastic & Climate“ analysiert die Emissionen und die Klimabilanz von Kunststoffen entlang des gesamten Lebenszyklus der Produkte – also von der Gewinnung der fossilen Rohstoffe für die Herstellung, zumeist Erdöl und Erdgas, zu einem geringen Teil auch Kohle, bis zur Entsorgung, etwa in Müllverbrennungsanlagen, auf Deponien oder ungeordnet in der Umwelt. Gemacht wurde die Untersuchung von der US-Nichtregierungsorganisation „Center for International Environmental Law“ (CIEL) und anderen, ebenfalls plastikkritischen Partnern. Das Ergebnis zeigt, dass alleine Produktion und Verbrennung von Kunststoffen bereits heute weltweit jährlich für mehr als 850 Millionen Tonnen an Treibhausgasen verantwortlich sind, was dem CO2-Ausstoß von 189 modernen Kohlekraftwerken entspreche. Hinzu kommen die Emissionen, die bei der – allerdings meist sehr langsamen - Zersetzung des Plastiks in der Umwelt entstehen.

„Null Abfall“ lautet das Ziel

Derzeit werden weltweit pro Jahr knapp 400 Millionen Tonnen Kunststoffe hergestellt, doch die Industrie plant wachsende Produktionskapazitäten, vor allem in den USA und Asien. Bis 2030 erwartet die CIEL-Studie, die nach Angaben der Autoren auf konservativen Schätzungen aus der Branche basiert, einen Anstieg der Emissionen auf 1,34 Milliarden Tonnen im Jahr, vergleichbar mit der Klimawirkung von fast 300 Kohlemeilern. Bis 2050 könnten so aus dem Sektor insgesamt 56 Milliarden Tonnen zusammenkommen. Vergleicht man das mit dem Budget an Treibhausgasen von rund 400 Milliarden Tonnen, das weltweit noch ausgestoßen werden darf, um das im Pariser Weltklimavertrag fixierte 1,5-Grad Limit einzuhalten, würden davon durch das Plastik alleine knapp 14 Prozent „aufgefressen“.

Als Mittel gegen die Plastikkrise empfehlen die Experten unter anderem, die Produktion von Wegwerfplastik zu stoppen. Eine weltweite Nachahmung des für die EU beschlossen Verbots würde also schon etwas helfen. Doch sie gehen natürlich noch viel weiter: Sie fordern auch, die Produktionskapazitäten in der Plastikindustrie nicht weiter auszuweiten und für den Sektor ambitionierte Maßnahmen zur Emissionsreduktion umzusetzen. Ziel, so die Studie, müsse eine „echte Kreislaufwirtschaft“ sein, bei der die Kunststoffe nach der Nutzungsphase von den Herstellern gemäß einer „erweiterten Produzentenverantwortung“ zurückgeholt, recycelt und wieder für Neuprodukte eingesetzt werden. „Null Abfall“ sei das Ziel – eine Vision, die weit über das Verbot von Plastikgabeln und Wattestäbchen aus Kunststoff hinausgeht.

 

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