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Interview

„Eine Möglichkeit, Trump symbolisch Widerstand zu leisten“

Foto: Raw Cinematics

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Die Trump-Forest-Gründer von links nach rechts: Daniel Price, Jeff Willis, Adrien Taylor.

Interview: Tim Altegör, 14.09.17
…haben Daniel Price und seine zwei Mitstreiter gesucht. Das Ergebnis ist Trump Forest, ein globales Aufforstungsprojekt. Sein Ziel: Zehn Milliarden Bäume zu pflanzen, um die Klimapolitik des US-Präsidenten auszugleichen.

neue energie: Sie haben einen Plan, der sehr einfach klingt und zugleich sehr ambitioniert: Die zusätzlichen CO2-Emissionen zu kompensieren, die aus Donald Trumps Klimapolitik entstehen – durch das Pflanzen von Bäumen. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Daniel Price: Das Ganze entstand hauptsächlich aus Frustration. Im März haben Trump und seine Regierung per Dekret verkündet, dass sie den Clean Power Plan auseinandernehmen werden, den Versuch aus der Obama-Zeit, damit anzufangen, etwas gegen den Klimawandel zu tun. Ein paar Monate später haben sie beschlossen, das Paris-Abkommen zu verlassen, was eine Missachtung von 200 Jahren Wissenschaft und einen Affront gegenüber zwei Jahrzehnten Diplomatie bedeutet. Das hat uns sehr wütend gemacht, vor allem weil klar ist, wie dringlich die Situation ist, dass wir uns schnell vorwärts bewegen müssen, statt die Dinge zu verlangsamen. Die Menschen fühlen sich so machtlos angesichts dessen, was Trump tut. Also wollten wir einen Weg finden, etwas dagegen zu setzen.

ne: Sehen Sie Ihre Initiative denn eher als Mittel, um Trump zu kritisieren, oder als Versuch, tatsächlich den Klimaschutz voranzubringen?

Price: Es geht um beides. Trump Forest gibt den Leuten eine Möglichkeit, Trump symbolisch Widerstand zu leisten und seine gefährliche Klima-Ignoranz anzuprangern. Zugleich bietet es einen greifbaren Ansatz, etwas dagegen zu tun, die Emissionen zu kompensieren. Bäume sind die günstigste und effektivste Art, um CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen. Aufforstung muss tatsächlich ein Teil des Puzzles sein, wenn es darum geht, den Klimawandel zu verlangsamen.

ne: Die meisten werden das Kompensationsmodell von Flugreisen kennen, bei denen man seinen persönlichen CO2-Fußabdruck wieder ausgleichen kann. Aber warum sollten wir für die Entscheidungen von jemand anderem bezahlen, in diesem Fall von Donald Trump?

Price: Es eröffnet den Leuten einen Weg, ihren Frust abzulassen, aber natürlich ist es traurig, dass wir uns dem stellen und die Entscheidungen der Trump-Regierung ausgleichen müssen. Die Realität ist, dass wir darin alle gemeinsam stecken. Uns bleibt keine Zeit mehr. Seit ich in der Klimawissenschaft tätig bin, ist die Situation immer und immer alarmierender geworden. Wie Sie bestimmt wissen, sind die derzeitigen Zusagen im Rahmen des Paris-Abkommens nicht einmal annähernd gut genug, um uns bei zwei Grad Celsius zu halten. Im Moment steuern wir auf eine Erwärmung von drei Grad oder mehr zu. Viele Menschen haben gesagt, es sei nicht wirklich wichtig, ob die USA sich zurückziehen. Aber die USA stellen 17 Prozent der globalen Emissionen, und wenn Sie diesen Anteil Ihres Teams verlieren, bedeutet das bei jeder Art von Aufgabe: Es wird Sie bremsen.

ne: Sie konzentrieren sich auf die angekündigte Abkehr vom Clean Power Plan, aber das ist ja nur ein kleiner Teil des Gesamtproblems. Gibt es eine Grenze, wie viele Bäume man pflanzen kann?

Price: Absolut. Leute fragen uns: Wird das wirklich etwas gegen den Klimawandel bewirken? Die realistische Antwort mit Blick auf das große Ganze ist: nein. Wir haben 40 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen jedes Jahr. Bäume allein können das unmöglich auffangen. Was passieren muss, ist eine schnelle Dekarbonisierung der Weltwirtschaft. Eine Gruppe von Wissenschaftlern hat kürzlich einen Weg nach vorne für die Menschheit vorgeschlagen, einen Fahrplan wenn Sie so wollen, um mit der Bekämpfung des Klimawandels zu beginnen. Nach dem, was sie das „Carbon Law“ nennen, müssen wir die Emissionen in den nächsten 30 Jahren jede Dekade halbieren, was eine unglaubliche Herausforderung darstellt. Bei Trump Forest beschränken wir uns dagegen allein darauf, die zusätzlichen Emissionen auszugleichen, die entstehen, wenn der Clean Power Plan aufgehoben wird.

ne: Ihre Schätzung lautet, dass Sie etwa zehn Milliarden Bäume benötigen, korrekt?

Price: Ja. Die Fehlerspanne ist bei diesen Dingen ziemlich groß und es ist schwierig, exakt zu beziffern, was genau benötigt wird. Eine Studie, die die US-Klimazusage für Paris untersucht hat, schätzt aber für den Clean Power Plan, dass er 650 Megatonnen CO2 daran hindert, in die Atmosphäre zu gelangen. Wir haben dann eine Standardrate für die CO2-Abscheidung eines durchschnittlichen Baumes genommen, was natürlich einen sehr großen Unsicherheitsbereich umfasst, und die Zahl, bei der wir herauskamen, ist ungefähr zehn Milliarden Bäume. Wir sprechen damit über eine Fläche von 100 000 Quadratkilometern, was etwa einem Drittel Deutschlands entspricht.

ne: Im Frühling sind Sie gestartet. Bis jetzt sind, Stand Mitte September, 700 000 Bäume zusammengekommen, finanziert von etwa 2500 Unterstützern. Das ist beeindruckend, aber noch weit entfernt vom erklärten Ziel. Haben Sie einen Zeitplan?

Price: Es ist immer noch ein kleiner Teil von dem, was wir erreichen wollen. Ich habe neulich Abend ausgerechnet, dass 350 000 Bäume die lebenslangen Emissionen von nur etwa 300 Menschen ausgleichen, wenn man den Standard-CO2-Fußabdruck eines Neuseeländers nimmt. Um das in einen Kontext zu setzen: Die 650 Millionen Tonnen entsprechen ungefähr dem, was 33 Millionen Amerikaner jedes Jahr an CO2-Emissionen erzeugen. Die Zahl ist also riesig, was erschreckend ist, einmal in Bezug darauf, wie viel CO2 das tatsächlich ist, aber auch wie schwierig es wird, diese Herausforderung zu meistern. Ein Zeitplan ist dabei sehr schwierig, weil er davon abhängt, wie schnell sich das Ganze beschleunigt. Zuletzt hatten wir eine fast exponentielle Entwicklung, innerhalb weniger Wochen sind wir von circa 50 000 auf 700 000 Bäume gewachsen. Diesen Schwung müssen wir aufrechterhalten.

ne: Wie überprüfen Sie, ob die Bäume gepflanzt werden und auch wirklich das erwartete Ausmaß an CO2-Reduktion in der Atmosphäre erbringen?

Price: Wir tun unser Bestes. Gleich am Anfang haben wir uns mit einer Organisation namens Eden Reforestation Projects zusammengetan, die in Kalifornien sitzt und eine außerordentliche Erfolgsbilanz dabei hat, Bäume in den Boden zu setzen. Wir haben beschlossen, uns auf Mangroven zu konzentrieren. Mangroven sind eine unglaublich effiziente CO2-Senke. Sie speichern bis zu dreimal so viel wie ein durchschnittlicher anderer Wald. Eden Projects pflanzt viele Mangroven in Madagaskar, in Zusammenarbeit mit einheimischen Bauern. Es gibt drei Optionen: Leute können an Eden Projects spenden, sie können Bäume von einer lokalen Aufforstungsorganisation zusagen, oder sie können einfach hingehen, ein paar Bäume kaufen und sie in ihrem Garten pflanzen. Was sie tun müssen, ist uns die Quittung schicken. Wir verbringen eine Menge Zeit damit, das zu überprüfen und sicherzustellen, dass diese Bäume auch wirklich gekauft wurden. Wir arbeiten alle Vollzeit in anderen Jobs und Trump Forest ist komplett unbezahlt, trotzdem versuchen wir unser Bestes.

ne: Die Zusagen für Bäume sind auf Ihrer Webseite sichtbar. Viele Menschen aus Industriestaaten haben für das Aufforstungsprojekt in Madagaskar gespendet. Das hat etwas den Beigeschmack, die Lösung auszulagern. Wenn ich also hier in Deutschland einen Baum pflanzen würde, eine Kiefer zum Beispiel, hätte das einen geringeren Effekt, klima-technisch gesehen?

Price: Aus einer botanischen Perspektive, ja. Aber es ist den Leuten komplett überlassen. Wenn jemand selbst einen Baum pflanzen und 20 Jahre lang im eigenen Garten wachsen sehen will, gibt es ihnen möglicherweise etwas Hoffnung zu wissen: Dieser Baum steht dort im Widerstand gegen Trump.

ne: Gibt es eigentlich schon irgendeinen Kommentar der US-Regierung? Wenn man den Namen bedenkt…

Price: Nein, überhaupt nicht. Wir fänden es großartig, wenn es ein Journalist in einer von Trumps Pressekonferenzen erwähnen würde. Viele Menschen haben uns Nachrichten geschickt mit der Frage: Warum habt ihr das Projekt nach Trump benannt? Wir haben das getan, weil es Aufmerksamkeit bringt. Um ehrlich zu sein, uns ist egal, ob er es mag oder ob er es sich zu eigen macht, solange wir CO2 aus der Atmosphäre holen. Mit all den anderen Dingen, die Trump tut, mache ich mir große Sorgen, dass der Klimawandel wieder einmal im allgemeinen Lärm untergeht. Der Silberstreif am Horizont dieser ganzen Situation könnte sein, dass der Klimawandel jetzt ein Gesicht hat, es gibt einen Feind, den die Menschen sehen können – was immer ein Problem gewesen ist, weil er so abstrakt ist. Vielleicht, nur vielleicht, mit etwas Hoffnung, könnte dies der Moment sein, an dem die Welt tatsächlich entscheidet, ernsthaft etwas dagegen zu tun.

Zur Person:
Daniel Price ist Klimaforscher und hat in Gletscherkunde promoviert. Zusammen mit Jeff Willis und Adrien Taylor gründete er im März 2017 Trump Forest. Kennengelernt haben sie sich bei einer Kampagne vor dem Pariser Klimagipfel 2015. Alle drei leben derzeit in Neuseeland.

 

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