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Windenergie-Zubau

Flaute in Sicht

Michael Hahn, 10.07.18
Der Ausbau der Windenergie an Land geht in diesem Jahr stark zurück, warnt der Branchenverband BWE. Dabei wären für die Klima- und Koalitionsziele der Regierung deutlich mehr Kapazitäten nötig. Die versprochenen Sonderausschreibungen werden mit Verweis auf fehlende Netze nicht angegangen. Unnötigerweise, wie eine aktuelle Analyse zeigt.

Die Befürchtungen der Windbranche werden wahr: Nach Informationen des Bundesverbands WindEnergie (BWE) bricht die Ausbauleistung bei Windenergie an Land in diesem Jahr hierzulande voraussichtlich um rund ein Drittel auf weniger als 3500 Megawatt (MW) ein. Im Jahr darauf könnten es laut BWE sogar noch weniger neu installierte Anlagen werden. Im letzten Jahr hingegen wurde noch ein Rekordwert von 1792 Neuanlagen mit einer Leistung von 5333 MW zugebaut.

Mit der bevorstehenden Flaute stellt sich ein, wovor die Branche seit längerer Zeit gewarnt hatte: Die Umstellung auf das Ausschreibungssystem mit gleichzeitigen Ausbaudeckeln für Windenergie an Land führt zu starken Verwerfungen im Markt. Als weitere Belastung erwiesen sich Ausnahmeregeln für Bürgerenergieprojekte, mit denen diese Beteiligungsform eigentlich unterstützt werden sollte.

So mussten in den ersten drei Ausschreibungsrunden im vergangenen Jahr keine Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BimschG) von Bürgergesellschaften vorgelegt werden, um an dem Vergabeverfahren teilnehmen zu können. Zudem wurden längere Realisierungsfristen von viereinhalb Jahren eingeräumt. In Folge gingen die meisten Zuschläge an Projekte, die mit derzeit noch nicht am Markt verfügbarer Anlagentechnologie geplant wurden und erst in einigen Jahren realisiert werden.

Auftragseinbruch bei Anlagenherstellern

Experten befürchten, dass aufgrund der fehlenden Genehmigungen viele dieser Projekte letztlich nicht gebaut werden könnten. Der drohende Fadenriss beim Ausbau zeichnet sich bereits deutlich bei den Anlagenherstellern ab. Senvion und Nordex mussten Arbeitsplätze streichen. Die veränderten Marktbedingungen haben zudem - wie etwa im Fall von Enercon - auch weitreichende Konsequenzen für Kommunen, in denen die Firmen ansässig sind.

Die Bundesregierung hatte zuletzt auf Initiative des Bundesrats mit einer Gesetzesänderung reagiert: Im Gegensatz zu 2017 wird jetzt bis 2020 die BimschG-Genehmigung für alle Bieter vorausgesetzt. Doch die Verunsicherung in der Branche ist nach wie vor groß. In der zweiten Auktionsrunde 2018 wurden erstmals weniger Gebote abgegeben als Ausbaukapazitäten ausgeschrieben waren. Dabei waren eigentlich mehr als genügend Projekte zur Teilnahme berechtigt.

Ein kontinuierlicher Zubau auf hohem Niveau wäre neben dem Klimaschutz auch für die Glaubwürdigkeit der Großen Koalition wichtig. In ihrem Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD vereinbart, dass der Ökostromanteil von derzeit etwa 36 auf 65 Prozent bis 2030 steigen soll.

Maßnahmen zur Netzmodernisierung

Die Berliner Denkfabrik Agora Energiewende hat in einem Zwölf-Punkte-Plan zur Netzmodernisierung errechnet, dass für dieses Ziel ein jährlicher Zubau von mindestens vier Gigawatt Windkraft an Land und fünf Gigawatt Photovoltaik nötig sei. Obwohl Deutschland seine Klimaziele für 2020 verpasst, gibt es in Berlin bislang wenig Bewegung wenn es darum geht, den Erneuerbaren-Ausbau zu beschleunigen.

Im Gegenteil: Die ebenfalls im Koalitionsvertrag festgeschrieben Sonderausschreibungen für Wind und PV, die eigentlich noch vor der Sommerpause der Regierung festgezurrt werden sollten, lassen weiter auf sich warten. Vor allem Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) tritt auf die Bremse und beruft sich auf die fehlenden Netze, mit denen der Erneuerbaren-Strom vom windstarken Norden in den verbrauchsstarken Süden transportiert werden soll. Die Blockadehaltung der Union sorgte auch in der Großen Koalition für Streit.

Allerdings hauen jetzt auch die Wirtschaftsminister von Bund und Ländern in dieselbe Kerbe wie die Union. Auf der diesjährigen Wirtschaftsministerkonferenz haben sie sich darauf verständigt, dass die Sonderausschreibungen zeitlich gestreckt und so gestaltet werden sollten, dass „die Aufnahmefähigkeit der Netze sowie eine bessere Synchronisierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Netzausbau gewährleistet“ wird.

Dabei kommt die Agora-Zwölf-Punkte-Analyse zu dem Schluss, dass das Erneuerbaren-Ziel der Regierung für 2030 mit den vorgeschlagenen Maßnahmen zur Netzmodernisierung in den kommenden zwölf Jahren „machbar und kostenseitig unproblematisch“ sei. „Die meisten der Maßnahmen dienen einer wesentlich verbesserten Auslastung der bestehenden Netze. Das ist mit der heute verfügbaren Technik möglich“, so Agora Energiewende.

 

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