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Interview-Special zur aktuellen Titelstory

„Die Professionalisierung wird zunehmen“

Interview: Jörg-Rainer Zimmermann, 05.01.17
…erwartet Stefan Kapferer, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung beim Energiewirtschaftsverband BDEW. Akteursvielfalt sei gut für den Wettbewerb, aber kein Selbstzweck.

neue energie: Der Energiemarkt befindet sich aktuell in einem grundlegenden Wandel. Welche Trends sehen Sie?

Stefan Kapferer: Die aktuelle politische Stoßrichtung stellt die Sektorenkopplung ins Zentrum. Positiv ist dabei, dass die Bedeutung des Produkts Strom stark zunimmt, weil im Rahmen der Sektorenkopplung die Nachfrage steigt. Früher hatten wir einen starken Fokus auf Effizienz, also Energiesparen. Das bleibt nach wie vor wichtig. Je mehr wir uns aber auf ein Überschussangebot an Strom aus Erneuerbaren hinbewegen, desto stärker gewinnen Themen wie Speicherung,  Power-to-Gas und Power-to-Liquid an Bedeutung. An der Stelle muss der Gesetzgeber aber noch aktiv werden, den geeigneten Rahmen schaffen. Zudem kommen neue Akteure auf den Markt und es bilden sich neue Geschäftsmodelle heraus. Dabei wird der Kunde immer wichtiger, da er mittlerweile selbst zum Energieproduzenten wird und nach neuen Produkten fragt – Stichwort Prosumer. Es ist wichtig zu klären, welche Rolle der Kunde künftig spielt. Auch wenn es um Fragen wie Netzinfrastruktur, kleine Speichereinheiten oder Blockchain-Technologie geht. Am Ende muss dies alles volkswirtschaftlich so effizient wie möglich organisiert werden, was eine weitere Professionalisierung erfordert.

neue energie: Bislang herrschte die Überzeugung, dass die Vielfalt der Akteure ein wichtiger Faktor des Gelingens der Energiewende ist, Stichwort Akzeptanz. Wie wichtig ist die Akteursvielfalt künftig?

Kapferer: Oberstes Ziel der Energiewende ist die CO2-Reduzierung. Die Akteursvielfalt ist wichtig, aber diesem Ziel nachgeordnet. Es liegt in der Logik der Energiewende, dass die regionale, dezentrale Energieerzeugung und damit auch die Stadtwerke an Bedeutung gewinnen. Seit der Atomausstieg beschlossen ist, erleben wir zudem eine Entideologisierung der Systemtransformation: Die etablierten Konzerne verlieren das Image, die ‚Bösen‘ zu sein, die alten Fronten lösen sich auf. Es ergeben sich neue Chancen für Kooperationen zwischen Unternehmen unterschiedlicher Größen und Sparten. Das zeichnet sich zunehmend auch in unserer Mitgliedschaft ab: Unternehmensvertreter von WPD Windmanager oder Arge Netz sitzen mittlerweile bei uns im Vorstand. Insgesamt werden wir eine zunehmende Konsolidierung der Branchen und eine Professionalisierung kleinerer Anbieter beobachten können.

neue energie: Dennoch wurde die Akteursvielfalt ja auch als eine Möglichkeit der Stärkung strukturschwacher Regionen gesehen, es geht also auch um die Stärkung des Mittelstands und insofern Wirtschaftspolitik …

Kapferer: Die Akteursvielfalt tut dem Wettbewerb auf dem Energiemarkt gut, ist aber aus meiner Sicht kein Selbstzweck. Übergeordnetes Ziel muss wie gesagt die CO2-Reduzierung sein. Welche oder wie viele Akteure dies umsetzen, ob ein kleineres kommunales oder ein großes Unternehmen den Kunden entsprechende Angebote macht, ist gegenüber diesem übergeordneten Ziel nachrangig – das entscheidet sich im Wettbewerb.

neue energie: Wenn in diesem Sinn der gesetzliche Rahmen geschaffen wird, folgt dann daraus, dass es zu einer neuen Konzentrations-Welle am Markt kommt?

Kapferer: Wer etwa als Projektierer bereits viel Know-how aufgebaut hat, der wird sicher im Ausschreibungsmodell höhere Chancen haben. Wie gesagt, die Professionalisierung wird zunehmen. Es wird aus meiner Sicht aber keine Oligopol-artigen Strukturen mehr geben. Das wollen die Menschen hierzulande auch nicht. Wir werden eine Welt mit vielen Prosumern haben, die aber Partner benötigen, um die Prozesse zu organisieren. Wir werden deshalb eine Vielzahl neuer Firmen sehen, die sich dieser Themen annehmen.

neue energie: Welche Konsequenzen hätte das von Brüssel gewollte Ende des Einspeisevorrangs angesichts der aktuellen Anstrengungen, auf Erneuerbare umzustellen, während wir noch immer ein Überangebot an konventionell produziertem Strom im System haben? Würde das nicht die Transformation auch solcher Konzerne wie RWE oder Eon erschweren?

Kapferer: Nach unserem Verständnis geht es der EU-Kommission mit der Neuregelung des Einspeisevorrangs darum, die Bewirtschaftung von Netzengpässen kosteneffizienter zu gestalten. In Deutschland regelt das EEG, dass bei Netzengpässen zuerst konventionelle Erzeugungsanlagen abgeregelt werden, bevor Erneuerbare- und KWK-Anlagen vom Netz gehen. Die von der EU-Kommission erlassene Strombinnenmarktverordnung sieht nun vor, dass grundsätzlich alle Erzeugungstechnologien, Speicher und steuerbare Lasten am Einspeisemanagement teilnehmen können. Es soll sich also im Markt entscheiden, welche Akteure an der Behebung von temporären Netzengpässen mitwirken. Auf den deutschen Energiemarkt dürfte die Neuregelung in der Praxis aber keine große Auswirkung haben. Denn wenn ein Netzbetreiber zwischen gleichwertigen Anlagen zur Behebung seines Engpasses wählen kann, wird er sich an den jeweiligen Kosten orientieren. Heißt: Er wird den Windpark mit einem Förderanspruch von neun Cent pro Kilowattstunde immer nach konventionellen Erzeugungsanlagen mit Grenzkosten von rund drei Cent pro Kilowattstunde abregeln.

 

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