WIRTSCHAFT _Finanzierung Schmerzliche Blockaden Der Sparzwang im Bundeshaushalt bringt auch den Windsektor unter Druck. Obendrein belastet ihn die Zinswende. Gerade Anlagenhersteller hoffen nun auf Brüssel. Und Umweltverbände fordern, den Klimaschutz zu stärken. Von Jörg-Rainer Zimmermann E igentlich bräuchte es Billionen, um die Systemtransformation schnell zum Erfolg zu führen. Doch aktuell zieht das Milliarden-Loch im Bundeshaushalt, ausgelöst durch das Urteil des Bundesver- fassungsgerichts zum Klima- und Transfor- mationsfonds (KTF) immer weitere Kreise. Nachdem der Richterspruch am 15. No- vember vergangenen Jahres ergangen war und seither die Umschichtung der Mit- tel im Haushalt von 2021 als verfassungs- widrig gelten muss – Stichwort Sonderver- mögen –, machten sich Sorgen in der Er- neuerbaren-Branche breit. Besonders bei Stadtwerken, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette agieren, sowie im So- larsektor zeichneten sich schnell Kürzun- gen in den staatlichen Fördertöpfen ab. Al- lein im Windbereich schien sich der Scha- den zunächst in Grenzen zu halten, wie im Dezember eine Kurzumfrage von neue energie ergab (neue energie 01/2024). Mittlerweile kommen die Einschläge je- doch näher, betroffen ist nicht zuletzt die Forschung. „Es ist zu erwarten, dass die Einsparungen jetzt auf alle Energiefor- schungsfelder umgelegt werden, also bei- spielsweise auch auf die Windkraft“, sagt Andreas Reuter, Leiter des Fraunhofer-In- stituts für Windenergiesysteme in Bremer- haven (siehe Seite 44). Dass ein Teil der Einsparungen im Forschungsbereich durch ein stärkeres Engagement etwa der Indus- trie kompensiert werden könnte, weist der Wissenschaftler zurück. Reuter betont, dass insbesondere die Hersteller von Windener- gieanlagen in den zurückliegenden Jahren „kaum Geld verdient“ hätten – ein bekann- 54 neue energie 02/2024 ter Umstand, auch wenn Unternehmen wie Enercon und Siemens Gamesa jüngst einen positiven Trend melden konnten. Angesichts der außergewöhnlichen Be- lastungen der vergangenen Jahre, darunter die hohe Inflation, unterbrochene Liefer- ketten sowie die globale Konkurrenzsitu- ation – insbesondere chinesische Unter- nehmen drängen mit der finanziellen Un- terstützung Pekings auf den europäischen Markt – verunsichert der Ausblick, dass auch bei den staatlichen Hilfen für den Hochlauf der deutschen Windindustrie der Rotstift angesetzt werden soll. Seit weit über einem Jahr hatte die Branche mit Wirtschaftsminister Robert Habeck über Instrumente diskutiert, die dabei hel- fen könnten, Produktionskapazitäten an- gesichts noch ausbleibender Aufträge statt zu reduzieren nach Möglichkeit sogar auf- zustocken (neue energie 07/2023). Schließ- lich gilt es auf die (klima-)politisch ge- wollten, steigenden Aufstellungsvolumen im Onshore-Wind-Sektor vorbereitet zu sein. Künftig sollen jährlich zehn Gigawatt Windleistung installiert werden. Kürzung statt Stützung Gerade weil die aktuellen Zahlen davon noch deutlich entfernt sind (siehe Seite 12), braucht es eine mittel- bis langfristig orientierte, gemeinsame Strategie von Poli- tik und Unternehmen. Im Gespräch waren etwa Zwischenfinanzierungen oder auch staatliche Bürgschaften, um auf Seiten der Hersteller Ausfallrisiken zu minimieren und die Zeit bis zu einer verbesserten Auf- tragslage zu überbrücken. Doch ausgerech- net bei der ursprünglich mit 100 Millionen Euro kalkulierten Investitionsförderung für „Produktionskapazitäten für Transforma- tionstechnologien“ soll nun massiv gespart werden. Seitens der Hersteller richten sich die Hoffnungen deshalb mittlerweile beson- ders auf die EU-Kommission. Denn es ist längst kein rein deutsches Problem. „2023 war das bisher stärkste Jahr im Neuzubau von Windenergieanlagen in Europa. Den- noch bauen wir derzeit nur die Hälfte der neuen Leistung, die wir benötigen, um die Energie- und Klimaziele der EU für das Jahr 2030 zu erreichen“, verdeutlicht Christoph Zipf, Sprecher des europäischen Windenergie-Dachverbands Wind Europe. Als industriepolitische Antwort der EU auf die globalen Herausforderungen gilt – neben dem Ende 2023 verabschie- deten Windkraftpaket – der Net-Zero In- dustry Act (NZIA). Die Kommission will festschreiben, dass bis 2030 mindestens 36 Gigawatt Produktionskapazität für Windenergieanlagen in der EU entstehen sollen. Über alle Clean-Tech-Sektoren hin-