verschärft: Auch die Vorstände müssen in Zukunft mit mindestens einer Frau besetzt werden, sobald sie mehr als drei Mitglieder haben. Bislang mussten Unternehmen nur Zielgrößen für ihre Vorstände und weiteren Führungsebenen formulieren. Es war auch möglich, die „Zielgröße Null“ anzugeben – was im September 2020 laut Allbright-Stif- tung 55 Aufsichtsräte machten. Windkraft ohne Frauenpower Auch Nordex gehörte dazu. Seit 2016 steht der Hamburger Windradhersteller auf der jährlichen Allbright-Liste der Unternehmen ohne Frau im Vorstand. Im sechsköpfigen Aufsichtsrat ist mit der ehemaligen däni- schen Politikerin Connie Hedegaard nur eine Frau vertreten. Im Geschäftsbericht von 2019 steht: „Die Zielgrößen für den Frauenanteil in Vorstand und Aufsichts- rat wurden 2016 bis zum 31. Dezember 2020 entsprechend dem bestehenden An- teil in Höhe von null Prozent für den Vor- stand und 16,67 Prozent für den Aufsichts- rat, also in unveränderter Höhe festgelegt und im Berichtsjahr erneut erreicht.“ Der Vorstand lasse sich bei der Besetzung von Führungspositionen ungeachtet des Ge- schlechts ausschließlich von der Qualifika- tion der zur Verfügung stehenden Personen leiten, erklärt der Nachhaltigkeitsbericht. Allmählich ändert sich bei Nordex der Kurs allerdings. Ziel sei es, den Anteil von Frauen in Schlüsselpositionen und auf der oberen Management-Ebene zu erhöhen, sagt Nordex-Sprecher Felix Losada. Bis zum Jahr 2025 soll der Vorstand laut aktu- ellem Aufsichtsratsbeschluss zu 25 Prozent mit Frauen besetzt sein, eine weitere Quo- te sieht 15 Prozent Frauen im Management vor. Mit der Initiative „Women in Nordex Operations“ soll der operationelle Bereich bis 2022 von derzeit 15 auf 20 Prozent er- höht werden, wie laut Losada dem im März erscheinenden Geschäftsbericht zu entneh- men sein wird. „Die ganze Branche erkennt, dass wir zu wenige Frauen in unseren Ar- beitsbereichen haben. Da geht es nicht nur um die Führungskräfte, sondern generell darum, Frauen für die Windenergie zu be- geistern. Es ist wichtig, dass wir uns selber verstärkt für Gender-Diversity einsetzen“, sagt der Nordex-Sprecher. Dass Firmen von einer diverseren Be- legschaft und gemischten Führungsriegen, deren Mitglieder unterschiedliche Hinter- gründe und Erfahrungen mitbringen, pro- fitieren, ist längst nachgewiesen. Wer sich immer nur in der eigenen Echokammer aufhält, kommt nicht auf innovative Ideen. Die Juristin und Energieexpertin Dörte Fouquet ist darüber hinaus der Ansicht, dass die Erneuerbaren-Organisationen, die keinen starken Fokus auf dezentrale Bür- gerenergie legen, stets einen Mangel bei der Gleichberechtigung haben werden. Frauen geben als Grund für ihre Berufs- wahl häufig an, dass sie mit ihrer Tätigkeit gesellschaftlich Sinnvolles tun wollen. „Ein klassischer Energieprojektierer, der mög- lichst große Flächen ausbaut, schaut auf die Gewinnmaximierung, und das kann man ihm in unserem kapitalistischen System gar nicht übelnehmen“, sagt die Juristin. Wo- hingegen in den Bürgerenergien ein verant- wortlicher Umgang mit der eigenen Versor- gung mehr gelebt wird. „Für mich ist die Idee der gemeinsamen nachhaltigen Ener- gieproduktion als soziales Engagement sehr weiblich konnotiert.“ Frauen wären ihrer Ansicht nach auch prädestiniert dafür, die Akzeptanz großer Erneuerbaren-Projekte zu erhöhen. Wie es um das Geschlechterverhältnis in den Bürgerenergien steht, wollen ak- tuell die World Wind Energy Association (WWEA) und der Landesverband Erneu- erbare Energien NRW (LEE NRW) in der noch laufenden Studie „Frauen für die Energiewende: Mehr Vielfalt für die Bür- gerenergie“ untersuchen. Ihre Umfrage unter Bürgerenergiegesellschaften Nord- rhein-Westfalens soll Mitte des Jahres ver- öffentlicht werden, neue energie hat vorab Einblick in die Ergebnisse erhalten. Demnach sind Bürgerenergiegesellschaf- ten zu 29 Prozent aus Frauen zusammenge- setzt, die darin 27 Prozent der Anteile hal- ten. In den Leitungsgremien sind sie zwar ebenfalls unterrepräsentiert, mit 35 Prozent sind in den Vorständen aber deutlich mehr Frauen vertreten als in der Erneuerbaren- Wirtschaft. In der Geschäftsführung und den Aufsichtsräten sind es allerdings nur um die 20 Prozent. Es gebe auch einen ge- wissen Nachzieheffekt, so die Analyse: Bei k c o t S i : o t o F WIRTSCHAFT _Frauenquote den Genossenschaften mit Frauen in Füh- rungsgremien sei insgesamt der Frauenan- teil größer. Unterschiede zeigen sich auch im Ver- gleich der Gesellschaftsformen: Bei einge- tragenen Genossenschaften halten Frauen etwa 33 Prozent der Anteile. Ein Einstieg ist dort schon mit geringem Kapital mög- lich. Bei den GmbHs dagegen sehe es mit 14 Prozent schlechter aus. Hier seien auch einige von Landwirten betriebene Wind- energie-Projekte vertreten – und Frauen sind in der Landwirtschaft stark unterre- präsentiert. Generell zeichne sich bei den von Frauen gehaltenen Anteilen ein Unter- schied nach Technologien ab: Etwa 37 Pro- zent hätten mit Solarstrom zu tun, nur gut 21 Prozent mit Windenergie. Das könnte mit dem unterschiedlichen Kostenumfang der Projekte zusammenhängen, vermu- tet Studien-Mitautor Timo Karl. Auch die Größe der Bürgerenergiegesellschaft ist aus- schlaggebend: Sind weniger als 40 Leute be- teiligt, ist der Anteil von Frauen mit sieben Prozent „dramatisch niedrig“, so Karl. Er nennt sie „sehr kleine Männerzirkel“. Noch seien nicht sämtliche Umfragebö- gen ausgewertet. Die bisherigen Ergebnis- se spiegelten jedoch wider, dass die Bürger- energie derzeit trotz vergleichsweise hoher Beteiligung von Frauen überwiegend von einer relativ homogenen sozialen Gruppe gestaltet wird: mehrheitlich weiße Män- ner über 60 mit gutem Bildungsabschluss und relativ leicht verfügbarem Grundkapi- tal. Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen jüngeren Alters, mit körperli- chen Beeinträchtigungen oder geringerem Einkommen sind dagegen viel seltener da- bei. Langfristig soll die Studie klären, wie die dezentrale Bürgerenergie soziokulturell aufgestellt ist, um sie in Zukunft für mehr Gruppen interessant zu machen und beson- ders um den Anteil von Frauen in der Bür- gerenergie zu erhöhen. (...) Dies ist eine gekürzte Version des Artikels - den ausführlichen Text finden Sie in der Ausgabe 03/2021 von neue energie. neue energie 03/2021 53