haben die USA ein Klimaschutzgesetz beschlos- sen, den Inflation Reduction Act (IRA). Der gilt mittlerweile gemeinhin als „Weckruf“ für die EU, dringend ein paar Dinge zu verändern, um nicht abgehängt zu werden. Der IRA ist ein um- fangreiches Gesetz, das als Durchbruch für den Klimaschutz in den USA gewertet wird (siehe Interview Seite 43). Sein wesentliches Instru- ment sind Steuergutschriften an Unternehmen und Konsumenten, die bei Investitionen in Kli- maschutz-Technologien gewährt werden. Mit ei- nem Schlag, so die einhellige Meinung, verbes- sern sich damit die Investitionsbedingungen in den USA enorm. Die Erzeugungskosten von Windstrom wür- den um 53 Prozent sinken, jene von grünem Wasserstoff gar um 60 Prozent, schreibt beispiels- weise die Unternehmensberatung Deloitte in ei- ner Kurzstudie für die Stiftung Klimawirtschaft. Die Produktionskosten von Batterien würden um 30 Prozent niedriger ausfallen als zuvor. Da die Fördermittel des IRA keine Obergrenze ha- ben, lässt sich ihr genaues Ausmaß nur schätzen. Häufig ist von 300 bis 400 Milliarden US-Dollar die Rede, es könnten am Ende aber auch deut- lich mehr werden. Hinzu kommt, dass die volle Steuerersparnis an mehrere Bedingungen geknüpft sein kann. Dazu zählt etwa der Anteil von Auszubildenden im Betrieb, die Investition in Kommunen, die nach Kohleschließungen eine hohe Arbeitslosen- quote haben – und die Vorgabe, dass Produkte zu einem maßgeblichen Teil in den USA herge- stellt wurden. Neben dem schieren Ausmaß der Fördergelder haben speziell diese sogenannten Local-Content-Anforderungen in Europa Ängste vor einem Wettbewerbsnachteil und der Abwan- derung von Firmen ausgelöst, wenn auch mit et- was Verspätung erst seit dem Jahresende 2022. Grundsätzlich sei es sehr positiv, dass Bewe- gung in den US-Klimaschutz kommt, sagt Jo- hannes Schroeten von der Stiftung Klimawirt- schaft, einer Unternehmensinitiative, die bis 2021 als „Stiftung 2°“ bekannt war. Zugleich sei der IRA aber „eine Herausforderung für den Standort Europa“. „Ich glaube nicht, dass Unter- nehmen ihre komplette Produktion in die USA verlagern werden. Aber es geht um Investitions- entscheidungen, die jetzt getroffen werden“, sagt Schroeten. Ähnlich äußerte sich Matthias Zelin- ger vom Maschinenbauverband VDMA bei einer Diskussionsrunde im März. Eine Abwanderung drohe zwar nicht, die kritische Frage laute je- doch, wo neue Technologien wie Elektrolyseure zur Erzeugung von grünem Wasserstoff in Mas- se entstehen. „Das ist tatsächlich der Gefahren- aspekt“, so Zelinger, der IRA erzeuge da einen „Sog“. Nun ist in den USA nicht plötzlich alles per- fekt, das Stromnetz zum Beispiel ist in Teilen des Landes wenig ausgebaut und veraltet. Aber seit sich die EU-Seite dieser Herausforderung be- wusst geworden ist, gibt es regelmäßig Flüge von Brüssel, Paris und Berlin nach Washington: Em- manuel Macron war dort, Olaf Scholz, Ursula von der Leyen genauso wie das deutsch-franzö- sische Wirtschaftsminister-Gespann Robert Ha- beck und Bruno Le Maire. In Verhandlungen wird ausgelotet, wie auch europäische Unter- nehmen und Produkte von den Fördergeldern des IRA profitieren könnten, obwohl das Gesetz dafür eigentlich ein Freihandelsabkommen vor- schreibt, das es zwischen den USA und der EU nicht gibt. In Habecks Worten könnte „so eine Art Mini-Freihandelsabkommen für Industriegü- ter“ dabei herauskommen. Europa zieht nach Zugleich hat die EU-Kommission am 1. Febru- ar ihrerseits einen „Industrieplan für den Green Deal“ präsentiert, der laut von der Leyen zum Ziel hat, „die industrielle Führungsrolle der EU im schnell wachsenden Sektor der CO2-neu- tralen Technologien zu sichern“. Er enthält vier Elemente: schnellere Genehmigungsverfahren für den Aufbau von Industriekapazitäten, leich- terer Zugang zu Finanzmitteln, Weiterbildungs- und Umschulungsangebote für den Arbeitsmarkt und die Ausweitung des Handels mit Partnerlän- dern, um sichere Lieferketten etwa für Rohstoffe zu schaffen. Im März folgten erste konkrete Schritte und Gesetzesvorhaben. Die wegen der Energiekrise geltende Lockerung der Beihilferegeln, welche in Europa den Einsatz nationaler Fördergelder stark reglementieren, hat die Kommission bis Ende 2025 verlängert und teilweise umgewidmet in ein Programm zur Ermöglichung von Investi- tionen in eine klimaneutrale Wirtschaft. Außer- dem schlägt die Kommission zwei Verordnungen vor, zur „Netto-Null-Industrie“ und der Versor- gung mit Rohstoffen (siehe Infokasten Seite 41). (...) Dies ist eine gekürzte Version des Artikels - den ausführlichen Text finden Sie in der Ausgabe 04/2023 von neue energie. ) t t i n h c s s u A . ( e d k c o r g n a L l u a P : o t o F WIRTSCHAFT _Titel neue energie 04/2023 39