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EU-Politik

Wohnen soll klimafit werden

Joachim Wille, 16.12.21
Bis 2050 soll Europa CO2-frei sein. Die EU-Kommission hat nun weitere Vorschläge gemacht, wie das gelingen kann. Im Fokus stehen die Gebäudesanierung und der Gasmarkt.

Die EU will Klima-Vorreiter unter den Industrieländern sein. Sie hat beschlossen, ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden. Die Brüsseler Kommission hat nun den zweiten Teil ihrer Vorschläge zum „Fit for 55“-Paket vorgelegt. Am wichtigsten dabei: Häuser müssen schneller energetisch saniert und das Erdgasnetz soll für „grüne“ Gase wie Wasserstoff und Biomethan ertüchtigt werden.

Der Gebäudesektor ist zentral, um die Klimaziele zu erreichen. Auf ihn entfallen in den EU-Ländern rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der CO2-Emissionen. Bisher kommt die Sanierung der Altbauten durch Wärmedämmung, bessere Fenster und Umstellung auf erneuerbare Energien (wie Wärmepumpen, Solarkollektoren, Biomasse- und Holznutzung) nur langsam voran. Etwa ein Prozent der Gebäude wird jährlich energetisch aufgerüstet, nötig wäre eine Verdreifachung dieser Rate.

Die Kommission hat nun einen Vorschlag zur Novelle der Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden mit neuen Mindeststandards erarbeitet. Bestehende wie neue Gebäude sollen in die Effizienzklassen A bis G eingruppiert werden. Wohnhäuser mit dem schlechtesten Standard G müssen dann bis 2030 mindestens auf die nächstbessere Stufe angehoben werden, Nichtwohnhäuser bis 2027.

Passivhäuser und Effizienz-Ausweise

Häuser, die ab 2030 gebaut werden, dürfen laut dem Plan keine Treibhausgase mehr ausstoßen – Stichwort Passivhäuser oder Plusenergiehäuser. Gebäude in öffentlicher Hand wie Rathäuser, Schulen oder Krankenhäuser müssen das schon drei Jahre früher erfüllen.

Die Kommission will die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, bis 2025 Aktionspläne für den Gebäudesektor vorzulegen, die dann im Fünf-Jahres-Rhythmus aktualisiert werden. Es sollen überall Effizienz-Ausweise eingeführt werden, vorzulegen nicht nur beim Kauf von Gebäuden, sondern auch bei größeren Renovierungen und der Verlängerung von Mietverträgen. Als neues Instrument sieht die Kommission einen „Renovierungspass“ für Hausbesitzer vor, in dem die Schritte zur Sanierung dargestellt sind.

EU-Klimakommissar Frans Timmermans hob die ökonomischen Vorteile des Projekts hervor: „Die Förderung der Renovierung von Wohnungen und anderen Gebäuden unterstützt den wirtschaftlichen Aufschwung und schafft neue Beschäftigungsmöglichkeiten.“ Zudem führe sie zu niedrigeren Energierechnungen, „so dass sich die Investition letztendlich selbst bezahlt macht“.

Förderung für Wasserstoff

Ebenfalls am Mittwoch präsentierten Timmermans und Energiekommissarin Kadri Simson ein Gesetzespaket zur Reform des Gasmarkts, das auch helfen soll, die steigenden Erdgaspreise in den Griff zu bekommen. Klimafreundliche Gase wie Wasserstoff sollen danach als Alternative zu fossilem Gas gefördert werden. EU-Ländern würde es zudem ermöglicht, gemeinsam Gas einkaufen, um Engpässe zu vermeiden.

Wasserstoff ist klimafreundlich, wenn er per Elektrolyse mit Ökostrom produziert wird. Die Kommission legte nun fest, dass „emissionsarmer“ Wasserstoff in der Gesamtbilanz maximal 30 Prozent soviel klimaschädliche Emissionen verursachen darf wie Erdgas. Um den Umstieg auf die Alternativen zu fördern, sollen Betreiber zum Beispiel bei der Nutzung der existierenden Gasinfrastruktur niedrigere Entgelte zahlen. Verbrauchern soll es zudem einfacher gemacht werden, von fossilem zu Ökogas zu wechseln. Wasserstoff ist vor allem für die Industrie wichtig, könnte aber auch in Kraftwerken und Gasheizungen genutzt werden.

Weiter sieht der Kommissionsvorschlag Maßnahmen vor, um den Methan-Ausstoß in der Erdöl-, Erdgas- und Kohleindustrie zu vermeiden. Methan ist ein starkes Treibhausgas.

Umweltschützern fehlt Signal zum Erdgasausstieg

Mit Blick auf die Preiskrise beim Erdgas ging die Kommission auf die Forderung von Staaten wie Frankreich und Spanien ein, die die Möglichkeit von gemeinsamen Gaseinkäufen gefordert hatten. Dies soll ihre Marktmacht gegenüber den Anbietern verbessern. Auch strategische Reserven sollen sie künftig gemeinsam anlegen können.

Umweltverbände begrüßten den Anlauf der Kommission zur Reform der beiden Bereiche. Er bleibe jedoch besonders beim Gas hinter dem klimapolitisch Notwendigen zurück, so der Dachverband Deutscher Naturschutzring (DNR). Es fehle ein Signal für einen Erdgasausstieg. Zudem werde die Wasserstoffgewinnung mit Atomstrom oder fossilem Gas nicht ausgeschlossen.

Ein weiterer Vorschlag der Kommission betrifft die Schaffung eines „sozialen Klimafonds“, um die Klimapolitik gerechter zu gestalten. Ziel: Wenn die Energiepreise steigen, sollen einkommensschwache Haushalte unterstützt werden. Etwa 34 Millionen Europäerinnen sind schon heute von Energiearmut betroffen und können etwa ihre Wohnung nicht angemessen heizen. Vor allem in süd- und ostmitteleuropäischen Ländern ist das der Fall. Der Fonds soll diese Schieflage beheben.

 

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