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Belgische Pannen-AKWs

Kritische Fragen vom Nachbarn

Tim Altegör / Clemens Weiß - energiezukunft.eu, 03.02.16
Trotz schwerwiegender Mängel hat Belgien zwei Atomreaktoren wieder hochgefahren – Umweltministerin Barbara Hendricks bleibt nur die Rolle der Mahnerin. Die Region Aachen will nun klagen.

Neben Umweltschützern, Anwohnern und Oppositionspolitikern hält auch die deutsche Bundesregierung die belgischen Atomreaktoren Tihange 2 und Doel 3 für nicht sicher. Bereits seit Jahren machen diese immer wieder Schlagzeilen wegen Tausender feiner Risse in den Reaktordruckbehältern, Bränden oder undichten Kühlwasserbehältern. In den angrenzenden Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz schauen die Einwohner deshalb schon lange besorgt nach Westen. Nachdem die belgische Atomaufsicht im Dezember dem Betreiber Electrabel erlaubte, die beiden Reaktoren trotz bereits 2012 festgestellter Risse in deren Druckbehältern wieder hochzufahren, zeigt sich das Bundesumweltministerium besorgt. Durch die Schäden besteht „eine signifikante Abweichung von der geforderten Fertigungsqualität“, schreibt das Ministerium in einem Bericht vom 25. Januar. Aus deutscher Sicht sei „fraglich, inwieweit das mit den grundlegenden Anforderungen an die Sicherheit von Atomkraftwerken vereinbar ist.“

Nun war Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zu Besuch in Belgien und traf sich dort mit dem zuständigen Innenminister Jan Jambon sowie Energieministerin Marie-Christine Marghem. Ergebnis: Es soll es eine engere grenzübergreifende Zusammenarbeit zum Thema Reaktorsicherheit geben. Die Belgier sollen eine Liste mit Fragen zur Sicherheit von Tihange 2 und Doel 3 beantworten, zudem wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe auf Fachebene gegründet. „Wer sich für die Atomenergie entscheidet, muss sich den kritischen Fragen seiner Nachbarn stellen“, erklärte Hendricks – und stellte zugleich klar, dass die Bundesregierung letztlich machtlos sei. Über die Nutzung von Atomenergie entscheide jeder Staat souverän. Belgien will sogar bis 2025 aus der Atomkraft aussteigen, doch Doel 3 und Tihange 2 sollen noch bis 2022 und 2023 weiterlaufen, daran hält die belgische Regierung fest.

Kühlwasser muss vorab erhitzt werden

Die Städteregion Aachen, bestehend aus zehn Kommunen, will deshalb in Brüssel Klage gegen den Weiterbetrieb des 70 Kilometer von Aachen entfernten Reaktors Tihange 2 einreichen. Zudem wollen die Städte erreichen, dass die Erlaubnis zum Wiederanfahren für nichtig erklärt wird. Darüber hinaus plant die Region, einer Klage der Umweltschutzorganisation Greenpeace gegen den Betrieb von Tihange 1 beizutreten. Auch NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) prüft eine Unterstützung der Aachener Klage.

Wie marode die beiden Reaktoren offenbar sind, zeigt der dortige Umgang mit Kühlwasser. Weil kaltes Wasser die Risse verstärken und somit die Reaktordruckbehälter schwer beschädigen könnte, wird es vorgeheizt – zunächst auf 30, mittlerweile laut dem Chef der belgischen Atomaufsicht FANC bei Doel 3 sogar auf 45 Grad. 50 Grad wiederum sei die Obergrenze, um den Reaktorkern im Ernstfall noch kühlen zu können, schreibt die Materialwissenschaftlerin Ilse Tweer in einem Bericht für die Grünen im Europaparlament. Damit sei klar, so Tweer, dass „der Toleranzbereich ziemlich schmal ist und es überhaupt keinen Sicherheitsspielraum gibt“. Das Wiederanfahren der Reaktoren bezeichnet auch sie als insgesamt „unverständlich“.

Tim Altegör / Clemens Weiß – energiezukunft.eu

 

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