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Dekarbonisierung

Großbritannien soll bis 2050 klimaneutral sein

Joachim Wille, 14.06.19
Die scheidende britische Regierung will das Land als Vorreiter beim Klimaschutz etablieren, während Deutschland zaudert. Ein paar kleinere EU-Länder haben aber noch ambitioniertere Ziele.

Großbritannien setzt inmitten der Brexit-Turbulenzen ein positives Zeichen für den Klimaschutz. Die Regierung unter Noch-Premierministerin Theresa May hat angekündigt, die Treibhausgas-Emissionen des Landes bis 2050 auf netto null zu senken. Großbritannien wäre damit weltweit die erste große Volkswirtschaft, die dieses Ziel gesetzlich verankert. Bislang hat London bis zu diesem Datum eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 80 Prozent angepeilt. Sobald das Parlament zugestimmt hat, wird das neue Gesetz in wenigen Wochen in Kraft treten.

May sagt zu der Entscheidung, Großbritannien müsse als Mutterland der Industrialisierung nun auch eine Vorreiterrolle für ein „grüneres“ Wirtschaftswachstum ergreifen. Sie übernahm damit die im Mai vorgelegten Empfehlungen des nationalen „Rats für Klimawandel“, einer Regierungskommission. Der Rat hatte die „Netto-Null“ bis 2050 als machbar bezeichnet; sie erfordere in allen Sektoren – wie Industrie, Verkehr und Landwirtschaft – zwar weitreichende, aber zumutbare Veränderungen.

Der Vorstoß des May-Kabinetts bekam breite Zustimmung, sowohl von der Opposition als auch von Wirtschaft und Umweltverbänden. Das Klimagesetz sei „die richtige Antwort auf die globale Klimakrise“, sagte die Chefin des Unternehmerverbands CBI, Carolyn Fairbairn. Großbritannien könne durch eine internationale Führungsrolle beim Klimaschutz seine Wettbewerbsfähigkeit steigern. Greenpeace lobte den „großen Augenblick für den Klimaschutz“, warnte aber auch vor Schlupflöchern in dem Plan, nämlich die vorgesehene Möglichkeit, eigene Emissionen durch Klimaprojekte im Ausland auszugleichen.

Kritik an den Kosten des Projekts hatte allerdings der Schatzkanzler der Regierung, Philip Hammond, geäußert. Er bezifferte sie auf insgesamt eine Billion Pfund, umgerechnet 1,1 Billionen Euro, und warnte, möglicherweise müssten zwecks Finanzierung öffentliche Dienstleistungen für die Bürger gekappt werden.

Kohle-Aus bis 2025

Großbritannien fährt beim Klima seit Jahren einen vergleichsweise ambitionierten Kurs. Der CO2-Ausstoß ist seit dem Basisjahr 1990 um rund 40 Prozent zurückgegangen. In den letzten Jahren wurde die Kohleverstromung stark gekappt, der Ausstieg soll 2025 beendet sein. Das Parlament in London war unlängst auch das erste weltweit, das einen „Klimanotstand“ ausgerufen hat. In dem Land herrscht generell ein großer gesellschaftlicher Konsens über die Notwendigkeit von ambitioniertem Klimaschutz. Jüngst zeigte sich das an einem entsprechenden Appell führender Unternehmen, Mediziner, Klimawissenschaftler und Kirchenvertreter an die Regierung.

Noch ambitionierter als die Brexit-Insel will sich Finnland beim Klima aufstellen. Es will seine Emissionen sogar schon bis 2035 unter dem Strich auf null senken, wie die neue Mitte-Links-Koalition in Helsinki jetzt ankündigte. Ein konkreter Fahrplan dafür soll nun entwickelt werden – mit Maßnahmen, die die Emissionen schneller als bisher geplant sinken lassen und CO2 binden sollen. Zudem sollen die Steuern auf fossile Brennstoffe erhöht werden. Konflikte sind dabei absehbar, da zum Beispiel Finnlands hohe Abholzungsrate gesenkt und die sehr CO2-intensive Verbrennung von Torf in Kraftwerken gestoppt werden müsste. Federführend bei dem Klimakonzept wird das neu zugeschnittene „Ministerium für Umwelt und Klimawandel“ sein, geleitet von einem Vertreter der Grünen.

Auf dem Papier noch früher dran ist Norwegen. Das Land beschloss bereits 2016, bis 2030 „klimaneutral“ zu sein. Das soll allerdings auch durch den Kauf von CO2-Zertifikaten im Ausland ermöglicht werden, die die noch entstehenden Emissionen rechnerisch ausgleichen. Finnland will darauf verzichten.

Ob der frühere Klimavorreiter Deutschland sich zumindest dem britischen Vorbild anschließt, ist noch offen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich im Mai beim Petersberger Klimadialog in Berlin zwar für eine Klimaneutralität bis 2050 aus, allerdings soll erst noch das „Klimakabinett“ darüber beraten, in dem die zuständigen Bundesminister sitzen. Auch beim Treffen des Europäischen Rats am 20. und 21. Juni steht das Thema auf der Agenda. Dann wollen die EU Staats- und Regierungschefs einen Beschluss zum langfristigen EU-Klimaziel treffen.

 

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