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Europa

Der Klima-Brexit

Joachim Wille, 06.02.20
Der Abschied der Briten aus der EU hat auch klimapolitische Folgen, in der Bilanz wie in der Diplomatie. Für Kommissionspräsidentin von der Leyen wird der Job damit schwieriger.

Die EU ist ärmer ohne Großbritannien – auch beim Klimaschutz. Das Thema stand bisher nicht im Zentrum der Debatte, doch nun, da der Brexit Realität geworden ist, müssen die Klimastrategen der Union sich damit befassen. Allen voran Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen, die mit ihrem milliardenschweren „Green Deal“ Europa zum Musterkontinent beim CO2-Sparen machen will.

Großbritannien war im 19. Jahrhundert das Mutterland der Industrialisierung, wo die CO2-Erzeugung durch die Erfindung der Dampfmaschine und die Nutzung der Kohle Fahrt aufnahm. Inzwischen ist die Insel aber zum Musterland des Klimaschutzes geworden. Der Treibhausgas-Ausstoß ist dort seit 1990 um 43,5 Prozent (Stand 2018) zurückgegangen, unter anderem, weil London den Kohleausstieg kräftig vorangetrieben hat.

Die logische Folge: Der Austritt Großbritanniens verschlechtert  die Treibhausgas-Bilanz der Union. Bislang hatte die EU-28 insgesamt eine CO2-Minderung um 23 Prozent gegenüber 1990 erreicht (ebenfalls 2018). Ohne den britischen Beitrag liegt dieser Wert um schätzungsweise zwei bis drei Prozentpunkte niedriger. Es wird daher schwieriger, die künftigen EU-Klimaziele zu erreichen, die verbleibenden 27 Länder müssen sich stärker anstrengen.

Verschiebung im Machtgefüge

Bisher peilt die EU an, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 40 Prozent zu senken. Dieses Ziel soll jedoch in diesem Jahr angehoben werden, um auf den Pfad für die bis 2050 angestrebte „Klimaneutralität“ zu kommen – voraussichtlich auf 50 oder 55 Prozent, Umweltschutzverbände fordern sogar 65 Prozent. Wie ambitioniert all diese Werte sind, zeigt sich daran, dass die EU rund drei Jahrzehnte gebraucht hat, um eine Einsparung von 20 Prozent zu erreichen, für weitere 30 bis 45 Prozentpunkte nun aber nur zehn Jahre bleiben. Und ohne die Briten müssen die Instrumente dafür noch stärker geschärft werden.

Von der Leyens Job wird durch Londons Abgang noch schwieriger, weil sich auch das klimapolitische Machtgefüge innerhalb der EU verschiebt. Den Osteuropäern, die sich bisher bei wichtigen Entscheidungen – etwa bei der Klimaneutralität oder bei der Abkehr von der Kohle – immer als Bremser betätigt haben, bekommen automatisch mehr Gewicht, wenn die Briten als einer der Antreiber fehlen. London hat die EU-Klimapolitik in den letzten Jahrzehnten maßgeblich mitgestaltet und ihr auch international Profil gegeben. Das fällt nun weg.

Was in Großbritannien geschieht, ist offen

Ob der Brexit den Stellenwert der Klimapolitik innerhalb Großbritanniens  verschiebt, ist noch offen. Zwar ist das Thema in der Öffentlichkeit gut verankert, ein nationales Klimagesetz gibt es bereits seit 2008, und die Pläne etwa zu Klimaneutralität, Kohleausstieg und dem Ausbau der Ökoenergien stehen. Auch gibt es eine unabhängige Kommission mit großem Einfluss, die die Fortschritte beim CO2-Sparen laufend bewertet.

Doch eine Gefahr ist nicht zu unterschätzten: Löst der Brexit eine Wirtschaftsflaute oder sogar Krise aus, könnte London beim Klimaschutz auf die Bremse steigen. Premier Boris Johnson hat zwar betont, er stehe zur „Netto-Null“ bei den Emissionen bis 2050. Doch wer weiß, wie der unberechenbare Politiker reagiert, falls die Krise kommt. Früher hat Johnson einmal den Klimaskeptiker gegeben, vor allem als Kolumnist im konservativen „The Telegraph“. Die alten Artikel hat er bestimmt aufgehoben.

 

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