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Zukunft der Energiewende

Zankapfel Koalitionsvertrag

Jörg-Rainer Zimmermann, 27.11.13
An dem Großprojekt Energiewende- sind neben den Entscheidern in Bundesregierung und Bundesrat auch die Parteien, Ministerien (mit dem für sie typischen Eigenleben von Behörden), Wissenschaft und Forschung sowie eine Vielzahl von Lobbyisten und Verbände beteiligt. Bis zuletzt hatten Polit-Experten bei Fragen zu möglichen Folgen der Koalitionsvereinbarungen mit dem Kommentar abgewunken, dass angesichts der noch unklaren Personalfragen Prognosen etwa zur Zukunft des EEG verschwendete Liebesmühe seien. Auch nach der Einigung auf den am 27. November vorgelegten Koalitionsvertrag mit dem Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“, bleibt abzuwarten, wer die zwischen SPD und CDU ausgehandelten Kompromisse in die Umsetzung bringen soll.

Im Zentrum steht die Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) mit Maßnahmen zur Kostendämpfung. Der Entwurf dazu soll bis Ostern vorgelegt und von Bundestag und Bundesrat bis zum Sommer 2014 verabschiedet werden. Zankapfel war zuletzt unter anderem der angestrebte Ökostromanteil bis 2030 (2013: rund 25 Prozent): Die SPD pochte auf ein 75-Prozent-Ziel, CDU/CSU wollten maximal 55 Prozent. Geeinigt haben sich die Koalitionäre auf einen gesetzlich festgelegten Ausbaukorridor, der bis 2025 einen Grünstromanteil von 40 bis 45 Prozent vorsieht (55 bis 60 Prozent bis 2035).  Während der Verhandlungen hatte Altmaier die drastischen Einschnitte bei der Solar-Förderung als Erfolg dargestellt und darin ein mögliches Vorbild für die Windenergie gesehen. Während die derzeit geltenden Regelungen für die Photovoltaik und die Wasserkraft wohl auch nach der Reform des EEG beibehalten werden, muss sich die Windenergie zu Lande und auf dem Wasser wohl auf massive Einschnitte einstellen.

 „Wir werden die Fördersätze senken (insbesondere bei windstarken Standorten), um Überförderungen abzubauen“, heißt es beim Unterpunkt „Ausbau der Erneuerbaren Energien“. Demnach solle durch die Weiterentwicklung des Referenzertragsmodells dafür gesorgt werden, dass bundesweit gute Standorte mit einem Referenzwert von 75 bis 80 Prozent auch künftig wirtschaftlich genutzt werden könnten, so die Sprachregelung in dem Vertragswerk. „Deutschland setzt bei Anlagen, Netzsteuerung und Systemverträglichkeit den technischen Maßstab in der Welt. Wir sind in der Windbranche in einer Spitzenposition. Die unterstreicht der Exportanteil von 67 Prozent. 118.000 Arbeitsplätze stehen für eine innovative Branche Made in Germany! Dies darf durch zögerliche und rückwärtsgewandte Schritte nicht gefährdet werden“, kommentierte die Präsidentin des Bundesverbands WindEnergie, Sylvia Pilarsky-Grosch, die Koalitionspläne.

Bayern und Sachsen können sich zudem über ein Entgegenkommen in Sachen Abstandsregelung freuen. Über eine neue Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch (BauGB) soll es ermöglicht werden, Mindestabstände zur Wohnbebauung länderspezifisch festzulegen. „Um technologischer Taktgeber in der Welt zu bleiben und damit die Erfolge im Export zu sichern brauchen wir einen funktionierenden Heimatmarkt. Dieser wird unter anderem gefährdet, wenn Ausbaukorridore oder neue Abstandsregelungen die Energiewende ausbremsen“, so Pilarsky-Grosch.

Für Windenergie auf See soll künftig ein deutlich begrenzter Ausbaukorridor von 6,5 Gigawatt bis 2020 gelten. Um diesen sicherzustellen wird das Stauchungsmodell bis zum Jahresende  2019 verlängert.  Verbraucherschützer wie Holger Krawinkel fürchten nun zusätzliche Belastungen für Stromverbraucher. Besonders gebeutelt geht die Bioenergiebranche aus den Koalitionsverhandlungen hervor. So soll der Zubau von Biomasse überwiegend auf Abfall- und Reststoffe begrenzt werden. Dies diene dem Schutz der Natur, vermeide die „Vermaisung“ der Landschaft und entschärfe Nutzungskonkurrenzen.

Die von der SPD geforderte Senkung der Stromsteuer ist indes vom Tisch. Dafür haben die Sozialdemokraten mit ihrer Forderung nach einem Mechanismus, der auch den wirtschaftlichen Betrieb bestehender konventioneller Kraftwerke ermöglicht – gemeint sind alte Kohlekraftwerke – den Konventionellen womöglich eine neue Einnahmequelle beschert. Es solle geprüft werden, ob große Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien einen Grundlastanteil ihrer Maximaleinspeisung garantieren müssen, um einen Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten. Diese sollen sie unter anderem vertraglich mit Betreibern von fossilen Kraftwerken absichern. Ein Vorschlag der ebenso plausibel ist wie der Betrieb nicht angeschlossener Offshore-Windparks mittels Dieselgeneratoren, um Rostbildung zu verhindern.

Spannend dürfte in den kommenden Monaten auch die Frage werden, wie die künftige Regierung die geplante Integration der Erneuerbaren Energien in den Strommarkt umsetzen will. Laut Koalitionsvertrag soll durch die Degression im EEG der Anreiz zur Direktvermarktung gesteigert werden. Für erneuerbare Energien bedeute das bei Neuanlagen ab 5 MW eine verpflichtende Direktvermarktung auf Basis der gleitenden Marktprämie, die spätestens 2017 für alle Anlagengrößen gelten soll. Doch ungeachtet der zahlreichen strittigen Fragen, die der Vertrag zwischen CDU/CSU und SPD gerade in Sachen Energiewende aufwirft, dürfen zunächst 475.000 SPD-Mitglieder Zünglein an der Waage spielen. Am Schluss entscheiden sie über Scheitern oder Zustandekommen des Koalitionspapiers.

 

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