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Interview

„Wir werden eine erhebliche Transformation sehen"

Interview: Jörg-Rainer Zimmermann, 07.07.16
Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands WindEnergie, erwartet durch das EEG 2016 eine Konzentration auf große Unternehmen am Strommarkt. Der Wechsel zu Ausschreibungen sei dabei nur ein erster Schritt.

neue energie: Herr Albers, Sie bezeichnen das EEG 2016 als einschneidende Zäsur in der deutschen Energiewende. Weshalb?

Hermann Albers: Wir stehen am Vorabend der Verabschiedung der Novelle. Sie bringt einen Umbruch mit sich, nach 27 Jahren Förderung der erneuerbaren Energien mit einem Festpreissystem hin zu einem variablen Ausschreibungssystem. Damit geht die Erwartung einher, dass es zu einer klaren Marktkonzentration kommen wird. Das Wesen von Ausschreibungen ist ja, dass nur der beste Preis gewinnen soll. Da alle anderen demgegenüber verlieren sollen, gibt es am Ende nur noch einen Anbieter, zumindest theoretisch. Ganz praktisch sehen wir diese Entwicklungen aber auch in unseren Analysen der Trends auf internationalen Märkten. Wir haben Länder wie Brasilien, Italien, Irland und Südafrika untersucht und immer gesehen, dass innerhalb kürzester Zeit eine Konzentration zu erkennen war. Von einer zur nächsten Ausschreibungsrunde haben sich die Teilnehmerzahlen halbiert. Das hat am Ende dazu geführt, dass in den meisten Ländern nur noch drei oder vier Unternehmen als Bieter übrig geblieben sind. Oftmals waren das ehemalige Staatsbetriebe, die heute privatisiert sind. Oder aber Konzerne, wie etwa EDF, die eine staatliche Zusage zur Deckung von Defiziten in der Tasche haben.

neue energie: Welche Entwicklungen erwarten Sie demnach am deutschen Markt?

Albers: Wir werden eine erhebliche Transformation sehen. Wie kein anderer ist der deutsche Markt ja dadurch gekennzeichnet, dass wir hier bislang mit einer besonders ausgeprägten Akteursvielfalt arbeiten. Die Stabilität des Systems über 27 Jahre hat auch dazu geführt, dass sich der Arbeitsmarkt in diesem Segment stark entwickelt hat, mit Herstellern, Zulieferern und Dienstleistungsbetrieben. Vor dem Hintergrund verlässlicher politischer Rahmenbedingungen wurden Ressourcen aufgebaut, nicht zuletzt beim Personal. Insofern hat der Mittelstand die Einführung neuer innovativer Technologien wie bei der Photovoltaik und der Windenergie hervorragend umgesetzt. Die deutsche Windindustrie konnte damit international führend werden. Das waren die Effekte des EEG …

neue energie: …die Sie jetzt in Gefahr sehen?

Albers: Genau. Es gibt neben dem Verlust der Akteursvielfalt das Risiko, dass wir eine Unschärfe beim Erreichen der Zubauziele erleben. Die Vergabe von Zuschlägen orientiert sich ja in der Regel an den nationalen Zielen. Wenn nun die Umsetzungsquote der vergebenen Projekte zu gering ausfällt, verfehlt man natürlich die Ziele bei der Neuinstallation. International zeigt sich, dass nur etwa 50 Prozent der vergebenen Projekte umgesetzt werden. Es gibt immer wieder strategische Bieter, die mit sehr niedrigen Angeboten den Zubau von Erneuerbaren-Anlagen am Markt abschöpfen, um sie gegebenenfalls nicht zu errichten. Dahinter steht das Ziel, die Wirtschaftlichkeit von konventionellen Bestandskraftwerken im eigenen Unternehmen zu schützen.

neue energie: Aber was bedeutet das für die deutsche Erneuerbaren-Branche?

Albers: Wir erleben mit dem Umbau in Richtung Ausschreibungen einen Trend zur Re-Monopolisierung. Dabei handelt es sich auch nur um einen ersten Schritt. In Abstimmung mit der Europäischen Union werden bereits jetzt die nächsten Veränderungen geplant. Die Bundesregierung hat etwa in den vergangenen Tagen angekündigt, bereits mit dieser Novelle ab 2017 ein Volumen von 400 Megawatt für eine technologieneutrale Ausschreibung vorzusehen. Ein Unternehmen gibt also einen bestimmten Preis an, egal ob es sich um Windenergie, Photovoltaik oder Bioenergie handelt. Worüber bislang nicht offen gesprochen wird ist, dass man auch darüber nachdenkt, einheitliche, internationale Ausschreibungsregionen einzurichten, also einen Verbund von mindestens zwei Ländern zu schaffen.

neue energie: Wie soll das konkret aussehen?

Albers: Es gibt offensichtlich Überlegungen, Deutschland und Dänemark auf diese Weise zu bündeln. In Dänemark gibt es ja bereits viel Erfahrung mit Windenergie und es gibt den Willen, die Erneuerbaren auszubauen. Aus deutscher Sicht würde zudem nochmals ein höherer Wettbewerbsdruck entstehen, da dänische Standorte aufgrund meteorologischer Vorteile zu besseren Preisen anbieten können. Im Trend würde dann die Photovoltaik in den Süden wandern und die Windenergie in den Norden.

neue energie: Diese Aufteilung deutet sich aber doch aktuell schon an...

Albers: Nur wird die Entwicklung im europäischen Maßstab verlaufen, die Photovoltaik dürfte dann in den Mittelmeer-Raum wandern und die Windenergie nach Skandinavien, Großbritannien, Irland, Dänemark, gegebenenfalls auch ins norddeutsche Küstenflachland. Dort ergibt sich dann aber vor dem Hintergrund von Akzeptanzfragen das Problem einer möglichen Überbebauung. Wirklich wichtig ist daran, dass die Einschnitte noch härter werden, dass die EU und Deutschland bereits heute über eine weitere Internationalisierung des Energiemarkts nachdenken. Auch dabei würden internationale Energiekonzerne bevorzugt, solche nämlich, die im Süden und im Norden investieren können.

neue energie: Sie sagen also, dass die alte Forderung des SPD-Politikers Hermann Scheer nach einer Demokratisierung der Energiewirtschaft damit auf europäischer Ebene zunichte gemacht wird?

Albers: Die grenzüberschreitende Ausschreibung bringt zwei Dinge mit sich. Die Aufspaltung von Regionen nach Technologien macht einen erheblichen Netzausbau nötig. Der Netzverbund zwischen den europäischen Partnerländern muss in der Lage sein, Strommengen zu transportieren, die annähernd eine Vollversorgung möglich machen. Damit deutet sich an, dass eine ähnliche Situation entsteht, wie aktuell mit den so genannten Netzengpassregionen. Mit dem neuen EEG soll ja der Ausbau der Erneuerbaren unter das Regime der vorhandenen Netze gestellt werden. Das könnte sich auf europäischer Ebene wiederholen. Dann würde ebenfalls erklärt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien abgebremst werden muss, weil die Netze nicht in der Lage sind, in den kommenden Jahren die nötigen Strommengen von Nord nach Süd oder umgekehrt zu transportieren. Das Modell der dezentralen bürgernahen Versorgung, die ein hohes Maß an Akzeptanz mit sich bringt, wird dabei untergraben, zugunsten von multinationalen Unternehmen.

neue energie: Die Politik spricht bei alldem immer von Kostensenkungen für den Endverbraucher. Erwarten Sie, dass es dazu kommt?

Albers: Angebliche Vorteile für Endverbraucher werden immer wieder gerne plakativ in den Vordergrund gestellt. Es wird behauptet, indem man nach technologiespezifischen Erzeugungsregionen optimiert, gäbe es niedrigere Erzeugungskosten. Dem stehen allerdings die Bilanzierung der regionalen Wertschöpfung und die Stromtransportkosten entgegen. Zudem werden wir den Verlust von Akteuren und Innovationen sehen, was sich aber schwer bilanzieren lässt. Schließlich ergeben sich starke Abhängigkeiten von nationalen energiepolitischen Entscheidungen. Wir warten dann bei der europäischen wie auch der deutschen Energiewende auf die langsamsten Marktakteure und können das Tempo, anders als in der Vergangenheit, nicht beschleunigen.

neue energie: Dann teilen Sie die Meinung vieler Experten, dass das Tempo der Energiewende deutlich zulegen muss, um den Pariser Weltklimavertrag zu erfüllen?

Albers: Der Verlierer ist der Klimaschutz, eindeutig. Zudem wird die Energiewende um einiges teurer als nötig, etwa durch den Netzausbau. Wir sehen den Verlust der bürgerlichen Teilhabe und damit von Akzeptanz. Das sind erhebliche Nachteile. Und dabei wissen wir, ich erinnere etwa an den Brexit, Ceta und TTIP, dass die Menschen in Europa keine Politik wollen, die Großkonzerne begünstigt. Sie wollen Teilhabe, die sich besonders die SPD auf die Fahnen geschrieben hat. Leider wurde nun unter starker Beteiligung von Bundeswirtschaftsminister und SPD-Parteichef Sigmar Gabriel dieses EEG entwickelt.

 

Kommentare (1)

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  • 09.07.16 - 09:12, Vorschau

    Liebe Leute, wir brauchen dringend Speicher.
    Die neuen Autos müssen die Stromversorgung beim Verbraucher unterstützen.
    Also bidirektionales Laden ist dringend geboten. Sonst stehen diese großen ca 50 -70kwH
    großen Accus nur rum und altern sowieso. Und dann Stromspeicher in Häuser , in Straßenzüge , Stadtteile. Damit können riesige Lastspitzen im Netz vermieden werden.
    Mit freundlichen Grüßen aus der Praxis , aus der Zukunft und schon mit großem Erfolg
    im Einsatz. Vorreiter eben.

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