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Interview der Woche

„Wir kommen bei Onshore-Wind nur noch auf wenige 100 Megawatt im Jahr“

Interview: Bernward Janzing, 14.03.14
Sollte der Referentenentwurf für ein neues EEG tatsächlich in dieser Fassung in Kraft treten, sehen Branchenvertreter kaum mehr Chancen für einen nennenswerten Ausbau der Onshore-Windkraft in Deutschland. Aktuell kämen die Vorschläge einer Absenkung der Vergütung um 20 bis 30 Prozent gleich, sagt Jörg Müller, Vorstandsvorsitzender der Enertrag AG.

Interview: Bernward Janzing

neue energie: Herr Müller, die Anfangsvergütung für die Windkraft soll bei 8,9 Cent je Kilowattstunde liegen und dann je nach Standort früher oder später auf 4,95 Cent sinken. Sind das nicht fast exakt die gleichen Beträge, wie sie heute schon gelten?

Jörg Müller: Nur auf den ersten Blick. Die Tarife sollen künftig zum einen auch die Direktvermarktung des Stroms abdecken, die bisher separat vergütet wird. Faktisch liegt die Anfangsvergütung damit bei nur noch rund 8,5 Cent. Zudem soll die Absenkung auf die Grundvergütung von 4,95 Cent in Zukunft deutlich früher stattfinden. Dann kann es passieren, dass ein Projekt, das heute noch 18 Jahre lang die höhere Anfangsvergütung bekommt, künftig mit zehn Jahren auskommen muss.

neue energie: Wie hoch sind dann die Einbußen für die Betreiber, hochgerechnet auf 20 Jahre?

Müller: Das schwankt natürlich, je nach Standort. Aber in der Regel muss man von 20 bis 30 Prozent ausgehen. Bizarr ist die neue Regelung der Vergütungsabsenkung zudem, weil es sein kann, dass bessere Standorte am Ende wirtschaftlich ungünstiger sind als schlechtere Standorte. Das hängt mit der neuen Systematik zusammen, nach der die Dauer der höheren Anfangsvergütung berechnet wird. Bisher war die Lösung vernünftig, da waren windhöffige Standorte auch wirtschaftlich die attraktiveren, ohne dass die Renditen zu sehr in die Höhe schnellten. Aber auch viele schwächere Standorte konnten noch genutzt werden, wenn die örtlichen Gegebenheiten, wie etwa der Netzanschluss, entsprechend günstig waren.

neue energie: Was sind die Hintergründe der Ungereimtheiten in dem neuen Referentenentwurf?

Müller: Grundsätzlich sind immer zwei Ursachen denkbar. Zum einen kann es passieren, dass im Entwurf Passagen auftauchen, deren Konsequenzen sich die Autoren im Detail nicht bewusst sind. Und als zweites muss man natürlich auch immer unterstellen, dass hier Lobbyisten die Finger im Spiel haben. Im aktuellen Fall gehe ich davon aus, dass beide Aspekte eine Rolle spielen. Lobbyisten allein kann der Entwurf nicht zuzuschreiben sein, ich vermute, dass man nicht ausreichend geprüft hat, was das Gesetz bewirken wird. Deshalb kann ich mir auch nicht vorstellen, dass das wirklich so in Kraft treten wird.

neue energie: Und wenn doch?

Müller: Dann rechne ich nur noch mit einem minimalen Ausbau der Windkraft in Deutschland, dann kommen wir nur noch auf wenige 100 Megawatt im Jahr. Denn dann wird man kaum noch Standorte finden, an denen sich eine Windkraftanlage wirtschaftlich betreiben lässt.

neue energie: Nur die Offshore-Windkraft hat auch nach dem aktuellen Entwurf noch Perspektiven?

Müller: Ja, hier kann der Ausbau weitergehen, die Rahmenbedingungen bleiben gut.  Und mit der Rücknahme des Ausbauziels von zehn auf 6,5 Gigawatt bis 2020 passt sich die Politik auch nur den tatsächlichen Gegebenheiten an. Da auf See die Vergütungen deutlich höher sind – zwölf Jahre lang gibt es 15,4 Cent je Kilowattstunde – wird die Offshore-Windkraft in Zukunft zum Kostentreiber der EEG-Umlage. Ob die deutlich preisgünstigere Onshore-Windkraft nun zehn Prozent mehr oder weniger an Vergütung bekommt, macht sich hingegen bei der Höhe der Umlage kaum bemerkbar, kann den Zubau aber ganz erheblich beeinflussen.

neue energie: Wenn die Umlage kaum beeinflusst wird, warum sollte die Politik dann die Windkraft an Land bremsen?

Müller: Die Windkraft an Land setzt den Energiekonzernen zu, Meldungen wie etwa zuletzt von RWE und Eon belegen das. Windkraftanlagen senken inzwischen in vielen Stunden die Strompreise im Großhandel erheblich, womit die bestehenden Kohlekraftwerke massiv an Rentabilität verlieren. Hinzu kommt, dass zu manchen Stunden der Kohlestrom gar nicht mehr benötigt wird. So reduziert Windkraft zunehmend auch die Laufzeiten der fossilen Kraftwerke. Dass eine solche Entwicklung Widerstand hervorruft, liegt nahe. Die Stromkonzerne hoffen beim Abbremsen der Windkraft noch auf ein wenig Aufschub. Doch sie täuschen sich, sie werden mit ihren fossilen Kraftwerken keine Chance mehr haben.

neue energie: Nochmal zur EEG-Umlage, der Ausbau der Windkraft an Land hat darauf kaum Auswirkung, sagen Sie. Lässt sich das konkreter fassen?

Müller: Die Hälfte der Umlage kommt von den Altanlagen der Photovoltaik. Diese Ausgaben waren auch gerechtfertigt, wir sind durch die Förderung mit dem Preis der Anlagen zwischenzeitlich dorthin gekommen, wo wir hin wollten. Neue Anlagen sind heute wirtschaftlich, die Kilowattstunde ist bereits unter zehn Cent zu haben. Und es ist doch besser, das Geld auf heimischen Dächern zu investieren, als es für Energie aus Russland auszugeben. Von der verbleibenden Hälfte der EEG-Umlage entfallen etwa zwei Drittel auf die Bioenergie. Und wenn man dann noch die Beträge abzieht, die durch Ausnahme-Tatbestände auf der EEG-Umlage lasten, dann bleiben tatsächlich nur noch vier Prozent Anteil, die auf die Windenergie entfallen.

neue energie: Wirtschaftsminister Gabriel begründet alle Neuerungen im EEG damit, dass der Anstieg der Strompreise gedämpft werden soll.

Müller: Dass dann aber gerade die preisgünstigste erneuerbare Energie, der Windstrom an Land, ausgebremst wird, ist schon merkwürdig. Denn damit wird der Strompreis im Gegenteil durch die Decke gehen. Es werden in den nächsten Jahren weitere Atomkraftwerke abgeschaltet, und diese Mengen müssen ersetzt werden. Das geht am besten mit der Windkraft und mit Kraftwerken, die immer dann einspringen, wenn weder Wind noch Sonne ausreichend Strom liefern. Bis 2040 werden wir mit Sicherheit noch fossile Kraftwerke haben. Ohne weitere Windkraftanlagen müssen wir sogar noch neue bauen. Das wird teuer, denn zu dem Preis, wie dem der abgeschriebenen Kohlekraftwerke, werden neue Anlagen keinen Strom liefern. 

neue energie: Ist die Speicherung von Windstrom in Form von Gas eine Lösung, um in Zeiten der Flauten das Gas zu verstromen?

Müller: Power-to-Gas ist ein ganz großes Thema, aber die Rückverstromung wird nicht vor 2040 sinnvoll sein. Das wird sich vorher einfach nicht lohnen. Wir sollten das Gas lieber nutzen, um damit die anderen Energiesektoren zu erschließen: Heizen und Mobilität. Ich wundere mich ohnehin immer, warum der Strompreis immer so sehr die Diskussion bestimmt. Der steigende Preis für Öl und Gas und auch für Treibstoffe trifft die Menschen doch heute viel mehr. Aber auch dagegen kann die Windkraft helfen: Nutzt man in Zeiten starken Windes überschüssigen Windstrom zur Erzeugung von Wasserstoff, kann man damit nämlich unschlagbar günstig Auto fahren. Für 100 Kilometer in einem Brennstoffzellenfahrzeug fallen dann gerade mal Treibstoffkosten in Höhe von sechs Euro an, wenn dieser mit Windstrom gewonnen wird. Auch deswegen wäre es fatal, den Ausbau der Windkraft jetzt abzuwürgen. 

 

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