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Windenergie

Was die Branche vom Windgipfel erwartet

Michael Hahn, 20.03.23
Um den Ausbau der Windenergie in Deutschland wieder zu beschleunigen, hat Wirtschaftsminister Robert Habeck einen Windgipfel angekündigt. Wir haben Unternehmensvertreter gefragt, was sie sich davon erhoffen.

Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hat für Mittwoch (22. März) Vertreter der Windenergie-Branche zu einem Windgipfel geladen, bei dem Maßnahmen zur Beschleunigung des Onshore-Ausbaus diskutiert werden sollen. Das Wirtschaftsministerium will dazu „Eckpunkte für eine Wind-an-Land-Strategie“ vorlegen. Dabei gehe es „unter anderem um verbesserte Finanzierungsbedingungen für Anlagen außerhalb des EEG, Vorschläge, wie kurzfristig mehr Flächen bereitstellt gestellt werden können und darum, wie Kommunen bei der zügigen Planung und Realisierung von Wind-Projekten besser unterstützt werden können“.

Die Erwartungen der Branche an die Veranstaltung sind hoch. Vor allem, da Habecks Amtsvorgänger Peter Altmaier (CDU) bereits 2019 einen ähnlichen Gipfel veranstaltet hatte, nachdem der Ausbau der Windenergie in Deutschland drastisch eingebrochen war. Konkrete Resultate blieben jedoch aus. „Quasi keine der damals sogar mit Jahreszielen verbindlich vereinbarten Aufgaben wurde gelöst. Die deutsche Windbranche trägt bis heute an der Last der letzten Legislatur“, sagt Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands WindEnergie (BWE). Man erwarte, „dass der jetzt anberaumte Windgipfel einen Durchbruch bringt und konkrete Ergebnisse liefert“.

Der BWE hat einen Forderungskatalog vorgelegt. Darin sind laut Mitteilung „insgesamt 58 konkrete Maßnahmen aus 13 Bereichen, die alle einen spürbaren Beitrag dazu leisten können, den Ausbau der Windenergie zu beschleunigen“. Dabei geht es unter anderem um die Bereitstellung von Flächen, schnellere sowie einfachere Genehmigungsverfahren und den Abbau von Konflikten mit Denkmalschutz und Militär. Albers erklärte, der Windgipfel biete „die entscheidende Chance, einen großen politischen Aufschlag an Maßnahmen zu machen, die noch in diesem Jahr wirksam werden. Wir brauchen verlässliche Ergebnisse, die dabei helfen, die Ziele der Bundesregierung zu erreichen.“

 

Die Redaktion von neue energie hat bei Unternehmensvertretern nachgefragt, was sie von dem Windgipfel erwarten:

Bärbel Heidebroek, Geschäftsführung, Landwind-Gruppe

Die vergangenen eineinhalb Jahre haben gezeigt, dass die der politische Wille zum Ausbau der Erneuerbaren in dieser Regierungskoalition definitiv vorhanden ist. Wir haben hochgesteckte Ausbauziele, die die Branche gewillt ist, zu erfüllen. Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen wurden mit den Oster-, Sommer- und Herbstpaketen bereits diverse Gesetze erlassen. Auch die Umsetzung der EU-Notfallverordnung ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Dennoch fehlen noch konkrete Maßnahmen, damit die Branche diesen Ausbaumarathon auch tatsächlich ins Ziel bringen kann:

- Die Länder und Kommunen brauchen Anwendungshilfen, damit die Gesetze ihre beschleunigende Wirkung auch tatsächlich entfalten können.

- Das Erreichen der Flächenziele muss, wie in Niedersachsen bereits geschehen, vorgezogen werden und in einem Schritt erfolgen. Die Flächen müssen zudem für den Ausbau auch tatsächlich sehr zeitnah zur Verfügung stehen.

- Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir dringend schnellere und digitalisierte Genehmigungsverfahren. Hier spüren wir noch keinerlei Beschleunigung.

- Die Wirtschaftlichkeit der Projekte muss auch auf weniger guten Standorten gegeben sein. An dieser Stelle brauchen wir verlässliche Rahmenbedingungen über die Legislaturperiode hinaus.

- Um die Wertschöpfungskette vor Ort zu halten beziehungsweise zurückzuholen, brauchen wir verlässliche Rahmenbedingungen und Unterstützungsformate, wie beispielsweise staatliche Bürgschaften für Hersteller und Zulieferer.

- Die Frage der Transportgenehmigungen muss dringend auf Bundesebene vereinheitlicht und vehement beschleunigt werden.

 

Ralf Hendricks, Geschäftsführer, Bürgerenergie GmbH

Der Windgipfel 2023 muss endlich abliefern! Schon lange fordern Verbände und Unternehmen der Erneuerbaren-Energien-Branche die umfassenden Genehmigungsprozesse zu entschlacken, die Digitalisierung dieser auf allen beteiligten Ebenen kurzfristig umzusetzen und die bürokratischen Hürden bei der Ausweisung von Windvorranggebieten auf ein Minimum zu reduzieren und die Ausweisung dieser zu beschleunigen.

Laut EEG 2023 soll die Windenergie im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Davon ist aber in den Landkreisen und Kommunen bislang nicht viel angekommen. Noch immer müssen eine Vielzahl an Gutachten für bereits ausgiebig untersuchte Gebiete vom Antragsteller oftmals über Jahre erstellt werden, bevor ein Genehmigungsantrag überhaupt gestellt werden kann.

Windvorranggebiete müssen jetzt dringend kurzfristig und vereinfacht bereitgestellt werden, damit der Ausbau der Windenergie seine Ziele erreichen kann. Schon jetzt liegen wir bei Neuprojekten weit hinter dem notwendigen Ausbaupfad. Trotzdem verläuft es bei den Genehmigungen mit bis zu acht Jahren bis zur Erteilung viel zu schleppend. Auch der Netzausbau kommt vielerorts nur katastrophal langsam voran. Netzbetreiber benötigen aber ebenso Planungssicherheit wie alle anderen Marktakteure.

Auch sind die Hürden für Bürgerenergiegesellschaften viel zu hoch geworden, zu erfüllende Formalismen sind undefiniert. Um solche Akteure beim Markteintritt zu unterstützen, braucht es ebenfalls deutliche Vereinfachungen und klare Definitionen. Der Ausbau unserer dezentralen Energieerzeugung wird nur über lokale Eigentümerschaft, lokale Wertschöpfung und über die Identifikation mit der Notwendigkeit dieser Veränderung zum Gemeinwohl funktionieren. Jeder ist aufgefordert seinen Beitrag zu leisten, auf allen Ebenen.

Gemeinden, in denen Windenergie gewünscht ist, müssen deshalb die Möglichkeit erhalten kurzfristig, vereinfacht und priorisiert Windvorranggebiete ausweisen zu dürfen.

Daher unser dringender Appell an die Politik: Nutzen Sie den Input aus dem Windgipfel und setzen Sie endlich alle Maßnahmen um. Denn uns rennt die Zeit davon. Die Klimakrise wird uns alle mehr kosten als ein konsequenter Umbau des Energiesystems. 2023 muss das Jahr für diesen Kurswechsel sein, die Branche steht dazu bereit. Bei bloßen Lippenbekenntnissen wie beim Windgipfel des Jahres 2019 darf es nicht bleiben.

 

Frank May, Geschäftsführer, Alterric

Auf Europa-, Bundes- und Regionalebene sind in den vergangenen Wochen und Monaten bereits zentrale und richtungsweisende Entscheidungen für die Energiewende getroffen worden. Diese müssen jetzt zügig zur Wirkung gebracht werden. Allerdings gibt es weiterhin viele unterschiedliche Hindernisse, die den notwendigen Ausbau der Windenergie bremsen. Wir begrüßen es daher, dass sich beim Windgipfel alle beteiligten Ministerien mit der Windenergie-Branche an einen Tisch setzen, um diese Hindernisse abzubauen und konkrete Maßnahmen zu besprechen.

In der Branche herrscht Einigkeit über die notwendige Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und über Optimierungen im Bau. So brauchen wir insbesondere im Süden Deutschlands eine schnellere Ausweisung und Nutzung von Flächen für die Windenergie.

Wir sollten aber bei allen notwendigen Detaildiskussionen nicht den Gesamtkontext aus dem Blick verlieren. Es geht um die Industrialisierung der Energiewende zur Sicherung des Industriestandorts Deutschland. Wir stehen als Gesellschaft, Politik und selbstverständlich auch als Wirtschaft vor der nationalen Aufgabe, diesen zum Erhalt von Wohlstand und Klima in kürzester Zeit auf eine neue Infrastruktur auf Basis erneuerbarer Energien umzustellen. Die notwendige Transformation des Energie-Systems braucht so viel Staat wie nötig, um einen klaren Handlungsrahmen abzustecken und Investitionssicherheit zu gewährleisten; so viel Markt wie möglich, um Wettbewerb und Innovation zu ermöglichen; und eine Geschwindigkeit und Optimierung in den Prozessen, mit der wir eine Industrialisierung der erneuerbaren Energien erreichen können. Bis 2030 jeden Tag im Schnitt vier bis fünf Windräder in Betrieb bringen – so wie es Kanzler Scholz ausgedrückt hat – dies kann nur mit industrialisierten Prozessen von Anfang bis Ende – also von der Fläche und Genehmigung, über die Produktion, Bau und Betrieb – und mit den dazu notwendigen Investitionen ermöglicht werden.

Hierzu erwarte ich mir vom Windgipfel ein deutliches Zeichen und ein klares Bekenntnis: seitens der Politik für investitionsfreundliche und umsetzungsorientierte Rahmenbedingungen und seitens unserer Windenergiebranche für mutige und nachhaltige Investitionen. Alterric unterstützt zu 100 Prozent diese Energiewende und wird als größter Onshore-Energieanbieter in Deutschland seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Verantwortung dafür wahrnehmen.

 

Ciro Capricano, Erneuerbaren-Unternehmer

Ich unterstütze grundsätzlich die Forderungen des Bundesverbands WindEnergie. Darüber hinaus halte ich es jedoch für nötig, die Ausschreibungen für Windkraft auszusetzen und zum Festpreismodell zurückzukehren. Die Abschaffung der Ausschreibung würde bessere Planbarkeit und eine schnellere Umsetzung der Projekte ermöglichen und die Risiken minimieren, die durch steigende Zinsen und Lieferkettenprobleme entstehen, insgesamt also für mehr Sicherheit für Investoren und Planer sorgen.

Ein weiterer wichtiger Ansatz zur Beschleunigung des Windkraftausbaus, der auch früher schon ins Spiel gebracht wurde, könnte darin bestehen, allen Projekten, die sich bereits in einer fortgeschrittenen Planungsphase befinden, eine Genehmigung zu erteilen und die restlichen Prüfungen vor Baubeginn abzuschließen. Das würde einen enormen Schub für die Produktionskapazitäten der Windenergieanlagenhersteller bedeuten. Sollte dieser Schritt nicht möglich sein, wäre es zumindest sinnvoll, in den nächsten drei Jahren allen Windkraftprojekten, die sich in ausgewiesenen Windgebieten befinden, ohne weitere Untersuchungen direkt eine Genehmigung zu erteilen. Falls es zu Konflikten kommen sollte, könnten im Nachgang überschaubare Auflagen erteilt werden.

Ich glaube im Übrigen nicht, dass wir mit dem, was bisher von der Politik verabschiedet wurde oder demnächst verabschiedet werden soll, in den nächsten drei Jahren zu einem nennenswerten Ausbau der Windenergie kommen werden. Die Gründe dafür lauten aus meiner Sicht:

- Vielen Behörden fehlt das Personal.

- Die Umsetzung von Bundesgesetzen in der Überführung auf Landesebene dauert zu lange.

- Die Auslegungsspielräume der Behörden vor Ort sind immer noch zu hoch.

- Die Gesetze enthalten immer noch zu viele „Wenns“ und „Abers“, daher gibt es keine Sicherheit in der Planung.

- Immer noch sind zu wenig Flächen verfügbar, die Ausweisung neuer Flächen dauert viel zu lange.

- Es fehlt an Klarheit und Willen für den weiteren Netzausbau, er wurde zu lange vernachlässigt. Der Ausbau der Netzkapazitäten muss erheblich beschleunigt werden.

 

Lars Rotzsche, Fachbereichsleiter Windenergie, Städtische Werke Kassel

Aus unserem aktuellen Focus auf Hemmnisse, die unsere Windprojekte in Nordhessen verzögern und erschweren, wünschen wir uns bei den Städtischen Werken in Kassel die folgenden Maßnahmenvorschläge als priorisierte nächste Schritte, die beim Windgipfel zu lösen sind:

- Auflösung der Blockaden welche durch Hubschrauber – Tiefflugstrecken der Bundeswehr in ausgewiesenen Windvorranggebieten: In Nordhessen sind Windvorranggebiete mit einer Fläche von circa 3600 Hektar durch Hubschrauber-Tiefflugstrecken der Heeresflieger in Fritzlar blockiert. Die Bundeswehr fordert drei Kilometer breite Tiefflugkorridore, um im Formationsflug mit Kampfhubschraubern nebeneinanderher fliegen zu können. Wir wünschen uns Kompromisse mit der Bundeswehr, um die notwenigen Übungen zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit im Einklang mit dem Ausbau der Windenergie in den Windvorranggebieten umzusetzen. Tiefflugstrecken sollten verlegt werden, um Windvorranggebiete nicht mehr zu tangieren oder zumindest sollten die Hubschrauber die Windvorranggebiete nicht im „Formationsflug“, sondern im „Gänsemarsch“, also einer hinter dem anderen herfliegend durchqueren. Dann könnte die drei Kilometer breite Tiefflugschneise sicherlich entscheidend verringert werden.

- Die Umsetzung der EU-Notfallverordnung im Rahmen der Novelle des Raumordnungsgesetzes auch auf bereits genehmigte Windprojekte anwenden, welche noch nicht umgesetzt wurden: Die EU-Notfallverordnung kann nur für Windenergieprojekte angewendet werden, welche bis zum 30. Juni 2024 im Genehmigungsverfahren sind. Es gibt aber viele genehmigte Windenergieprojekte, die in langwierigen Verwaltungsgerichtsverfahren festhängen, da die Genehmigungen beklagt sind. Oft werden Artenschutzthemen hierbei instrumentalisiert, um Genehmigungen zu beklagen. Hier sollte die EU-Notfallverordnung ebenfalls Anwendung finden, um die Gerichtsverfahren zu verkürzen.

- Die EU-Notfallverordnung auch auf Windvorranggebiete, welche in großflächigen FFH-Gebieten liegen, anwenden. Bei uns liegen viele Windvorranggebiete in großflächigen FFH-Gebieten welche größer als 5000 Hektar sind. Im Rahmen der Ausweisung des Regionalplans wurde die Vereinbarkeit dieser Windvorranggebiete mit der FFH-Richtlinie geprüft. Deshalb sollte die EU-Notfallverordnung auch auf Genehmigungsverfahren von Windprojekten in diesen Gebieten angewendet werden dürfen.

- Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen: In Hessen dauern Genehmigungsverfahren durchschnittlich bis zu 38 Monate. Damit sind wir das „Schlusslicht“ in Deutschland. Wir benötigen viel mehr Personal bei den Genehmigungsbehörden, um die Verfahren zu beschleunigen.

- Gerichtsverfahren beschleunigen und Personalengpässe an Gerichten abbauen: Es gibt noch immer zu wenig Richterstellen an den Verwaltungsgerichten sowie am obersten hessischen Verwaltungsgericht, dem VGH. Hier müssen weit mehr Stellen geschaffen werden, als bislang in der Haushaltsplanung bewilligt ist. 

- Flächenpotenziale für zwei Prozent Netto-Windvorranggebiete ausweisen: Viele Windvorranggebiete sind nur auf dem „Papier“ umsetzbar. Real werden nur circa 50 Prozent der Windprojekte in den Vorranggebieten umgesetzt. Ziel muss es sein, dass die zwei Prozent Vorranggebiete real umsetzbar sein müssen.

- Zuwegungen zu Windvorranggebieten ermöglichen: Zuwegungen zu Windvorranggebieten verlaufen oft über nicht öffentlich gewidmete Wirtschaftswege, welche im Eigentum von Kommunen oder landwirtschaftlichen Interessentengemeinschaften liegen. Hier werden regelmäßig von den Eigentümern der Zuwegungen Gestattungen zur Nutzung der Zuwegungen versagt oder sehr hohe privatrechtliche Hürden zur Erteilung von Gestattungen aufgebaut. Damit werden Windprojekte blockiert. Es müssen rechtliche Möglichkeiten geschaffen werden, um Zuwegungsgestattungen zu ersetzen, wenn die Wegeeigentümer diese Gestattungen versagen.

 

Björn Spiegel, Leiter Strategie & Politik, Erneuerbaren-Gruppe Arge Netz

Pro Tag wollen wir zur Zielerreichung in Deutschland sechs moderne Windenergieanlagen bauen. Für jeden Tag, an dem wir keine neuen Windräder feiern dürfen, müssen wir am nächsten Tag zwölf Anlagen aufstellen. Neben dem beschleunigten Zubau muss es unser gemeinsames Ziel sein, Deutschland in Europa wieder zum Leitmarkt für Wind und die erneuerbaren Energien zu machen. Aus Sicht der Erneuerbaren-Gruppe Arge Netz sehen wir zentrale Handlungsfelder:

- Das Ziel von bundesweiten zwei Prozent bebaubare Fläche für die Windenergie ist eine Mindestanforderung. Das Zwischenziel im Windflächenbedarfsgesetz sollte gestrichen und mindestens zwei Prozent bereits Ende 2025 erreicht werden. Angesichts neuer Ziele im Wärmesektor müssen Wind-Vorreiter wie Schleswig-Holstein deutlich mehr Mengen leisten.

- Für Windenergie ausgewiesene Flächen müssen vollumfänglich nutzbar sein und dürfen nicht durch Höhenbeschränkungen, Denkmalschutzbelange oder Rotor-In-Regelungen begrenzt werden. Es gilt jetzt die Nutzbarkeit und Eignung der Fläche im Sinne der Go-to-Areas bereits auf Planungsebene sicherstellen.

- Windenergie sowie alle Erneuerbaren dienen dem öffentlichen Interesse und unserer Energiesicherheit. Diese Priorisierung muss konsequent in allen Behörden umgesetzt werden. Eine umfassende Novelle des BImSchG ist überfällig. Hierzu gehören auch die Beschleunigung von Fristen und Verfahren und effizientere Entscheidungsprozesse sowie bessere Ausstattung in den Behörden.

- Repowering muss prioritär auf allen Flächen und mit minimalem Genehmigungsaufwand ermöglicht werden. Die Grundzüge der Planung sollten dem nicht mehr entgegengehalten werden können. Repowering-Anlagen sollten zudem parallel zum Betrieb der bestehenden Anlage ermöglicht werden.

- Wir brauchen schlanke und rein digitale Prozesse, die anhand einer bundesweit einheitlichen Checkliste schnelle Genehmigung von Windenergieanlagen ermöglichen. Es braucht eine abschließende Klarstellung über einzureichende Unterlagen, begrenzte Nachforderungs- und Verlängerungsmöglichkeiten und klare Fristen.

- Viele gut gemeinte Maßnahmen zur Stärkung der Bürgerenergie werden kaum genutzt, da sie zu komplex und bürokratisch sind. So sollten die Anforderungen an De-Minimis entschlackt, Anlegerschutzanforderungen entbürokratisiert und Energy Sharing ermöglicht werden. Primär muss jetzt die Vergütung bei Bürgerwind und Pilotwind analog zur Höchstwertanhebung um 25 Prozent angepasst werden.

- Die kommunale Beteiligung ist neben der direkten finanziellen Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern vor Ort zentral für die Akzeptanz der Erneuerbaren und um den Ausbau zu beschleunigen. Daher sollte die kommunale Beteiligung unabhängig vom Förderstatus grundsätzlich erstattet werden.

- Wir müssen in Zeiten von Energiemangel in Europa und massiver fossiler Preissteigerungen jede Kilowattstunde erneuerbaren Stroms nutzen. Daher sollte die im Energiesicherungsgesetz beschlossene Möglichkeit, Windenergieanlagen bei höheren Schallgrenzpegeln und trotz Schattenwurf länger laufen zu lassen, mindestens zwei Jahre weiter genutzt werden. Zugleich sollten Altanlagen nicht vorschnell in den Rückbau gezwungen werden, sondern als Back-Up-Windkraftwerk weiter Strom erzeugen können.

- Der Erneuerbaren Ausbau darf nicht länger durch hochgradig ineffiziente, teure und langwierige Stromkabelverlegung behindert werden. Eine Pflicht zur Duldung von Kabeltrassen bei angemessener Entschädigung birgt großes Beschleunigungspotenzial, ist fair und leicht umsetzbar.

- Ende 2021 und 2022 bezuschlagte Anlagen konnten das Ausmaß der massiven Preissteigerungen nicht einplanen. Viele Betreiber werden ihre Anlagen mit dem aktuellen Zuschlag daher nicht bauen können. Um eine Lücke im Ausbau zu verhindern, sollte es ermöglicht werden, ohne Frist und Pönale den Zuschlag zeitlich begrenzt zurückzugeben und erneut an der Ausschreibung teilzunehmen. Da die meisten Lieferzeiten von Anlagen und Komponenten mittlerweile länger als die eigentliche Frist zur Realisierung sind, müssen die Pönale und Realisierungsfristen grundsätzlich temporär ausgesetzt werden.

- Mehrere Rechtsgutachten kommen zum Ergebnis, dass die Erlösabschöpfung über das europäische Maß hinaus verfassungswidrig ist. Um die Investitionssicherheit für Betreiber zu sichern, sollte die Erlösabschöpfung dringend rückwirkend aufgehoben beziehungsweise mindestens bis Juni 2023 befristet werden.

 

Thomas Banning, Geschäftsführer, Natur Energy

Die von der Bundesregierung ausgerufene Zeitenwende ist für die Windenergie zwar noch nicht eingetreten, aber immerhin sind die Ziele nun richtig definiert – im Vergleich zu den Vorgängerregierungen ein echter Lichtblick für alle, die Klimaschutz, Ressourcenschonung, Versorgungssicherheit und Preisstabilität ernst nehmen. Das Bundeswirtschaftsministerium agiert hier endlich als Treiber für die angestrebte und notwendige Ausbaubeschleunigung. Der Windenergiegipfel bietet die Chance zur Abstimmung zwischen Politik und Praxis, denn die Rahmenbedingungen müssen in mehreren Punkten nachjustiert werden.

Die Herausforderungen sind vielfältig und bekannt: Zentral ist die Flächenbereitstellung. Das Wind-an-Land-Gesetz ist hierfür ein guter Start, aber die im Gesetz definierten Fristen sind zu lang. Ich hoffe, dass die Zeitenwende-Erkenntnis auch bei den Planungsträgern und den Genehmigungsbehörden ankommt. Man muss bestehende Fristen ja nicht immer bis ins letzte ausschöpfen.

Entscheidendes Problem ist die viel zu kleine Flächenkulisse. Die aktuelle Knappheit verlangsamt nicht nur den Ausbau, sondern treibt auch die Kosten. Denn der Run auf die viel zu knappen Flächen führt zu einer Goldgräberstimmung unter den Eigentümern. Sechsstellige Pachten im Jahr, um einen Standort für eine Windenergieanlage nutzen zu können, sind nicht gut für eine wirklich nachhaltig ausgerichtete Energieversorgung und bezahlbare Strompreise. Es müssten deutlich mehr potenzielle Flächen zur Verfügung stehen, als benötigt werden, nur dann kann der unselige Wettbewerb um Flächenverträge wieder in vernünftige Bahnen gelenkt werden.

Zudem wird nach wie vor zu sehr auf nominale Ausbauziele geschaut, statt auf energiewirtschaftliche Anforderungen und die aus ihnen erwachsenden Realisierungshindernisse. Hierzu zählen die immer knapper werdenden Netzkapazitäten. Es ist dringend geboten, sich mehr um diesen Engpassfaktor zu kümmern. Erstens durch Ausbauprogramme der klassischen Netzbetreiber. Da diese aber nicht hinterherkommen, müssen neue Anbieter in Netze investieren. Zweitens indem die Ausschreibungen nicht mehr auf einzelne Stromerzeugungstechnologien ausgerichtet, sondern auf konkrete Netzzugänge und Netzkapazitäten umgestellt werden. Es gilt, die Synergien diverser Technologien zu nutzen und die Vollbenutzungsstunden von Netzen zu erhöhen und dabei den unternehmerischen Entscheidungsspielraum für alles nach dem definierten Netzanschlusspunkt so groß als möglich zu halten. Leider verliert sich der Staat viel zu sehr in Detailregulierungen, was aus meiner Sicht kontraproduktiv für unser gemeinsames Ziel ist.

Und wenn wir schon bei Engpässen sind: Der Staat muss für quantitativ und qualitativ ausreichendes Personal in Behörden und Gerichten sorgen, um das angestrebte höhere Verfahrenstempo realisieren zu können. Hier müssen auch mit Bundeshilfe die Kapazitäten dringend aufgestockt werden.

Der aktuelle und der im Jahresverlauf folgende Gipfel können zum Erfolg werden, wenn sich die Politik tief genug in den Maschinenraum der Energiewende hineinwagt. Denn noch greift nicht jedes Rad ins andere.

 

 

 

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