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Kohleausstieg

Spät und teuer

Tim Altegör, 03.07.20
Die Große Koalition hat das Aus der Kohle in Deutschland beschlossen, allerdings passt das Ausstiegsdatum 2038 wohl nicht zu den Klimazielen. Auch die Entschädigungen für Braunkohlekonzerne stoßen auf Unverständnis.

Dass es so kommt, war schon länger klar, nun ist es offiziell: Deutschland steigt bis zum Jahr 2038 aus der Kohle aus. Das entsprechende Gesetz hat der Bundestag heute (3. Juli) mit den Stimmen der Großen Koalition verabschiedet. Im Nachgang stimmte auch der Bundesrat zu. Um die Kohleregionen beim Strukturwandel zu unterstützen, sind zudem Finanzhilfen im Umfang von 40 Milliarden Euro vorgesehen.

Bei der Debatte im Bundestag lobte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Beschluss als „rechtssicher, wirtschaftlich vernünftig, sozial ausgewogen und verträglich“. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch bezeichnete den Ausstieg als „Riesenerfolg“ und historischen Schritt. Zudem werde erstmals das Regierungsziel von 65 Prozent Ökostrom bis 2030 in einem Gesetz verankert. Der Ausstieg könne nur gelingen „wenn wir gleichzeitig das erneuerbare Zeitalter noch viel stärker voranbringen“.

Aus der Opposition hagelte es dagegen Kritik. Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock etwa beklagte, das Ausstiegsgesetz  würde „zukünftigen Regierungen Steine in den Weg legen, das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen“. Es handele sich faktisch um ein „18 Jahre langes finanzielles Kohle-Absicherungsgesetz“, dem sie leider nicht zustimmen könne.

Früherer Ausstieg gefordert

Grüne und Linke halten einen Ausstieg bis spätestens 2030 für nötig. Damit sind sie auf einer Linie mit den Umweltverbänden sowie vielen Wissenschaftlern. Der Zusammenschluss Scientists for Future kommentierte, die laut Gesetz vorgesehene Emissionsminderung werde nicht ausreichen, um die international vereinbarten Klimaziele einzuhalten. Ein Kohleausstieg bis 2030 sei „technisch möglich, wesentlich einfacher und volkswirtschaftlich günstiger als die Reduzierung von Treibhausgasen in anderen Branchen, zum Beispiel der Stahlindustrie oder dem Verkehrssektor,“ so der Energieforscher Pao-Yu Oei von der TU Berlin.

Die Koalition verweist derweil auf das Ergebnis der vielseitig besetzten Kohlekommission, die ein Ende der Kohle bis spätestens 2038 – wenn möglich auch schon 2035 – vorgeschlagen hatte. Diese Eckdaten hält die Regierung ein. Allerdings lehnen auch Kommissionmitglieder den Gesetzesentwurf ab, da der Ausstiegspfad die Abschaltung CO2-intensiver Braunkohleblöcke so lange wie möglich aufschiebt. Auch der Umgang mit Tagebauen stößt bei Umweltschützern  auf Ablehnung. Zwar soll der verbliebene Hambacher Wald nicht mehr abgeholzt werden. Dafür haben die Koalitionsfraktionen im Bundestag für Tagebau Garzweiler II im Rheinischen Revier die „energiepolitische und energiewirtschaftliche Notwendigkeit“ ins Gesetz geschrieben.

Überzogene Entschädigungen?

Äußerst strittig ist zudem die Frage der Entschädigungen für die Kraftwerksbetreiber. Für die Braunkohle hat die Regierung einen Vertrag ausgehandelt: Für die Stilllegung der Kraftwerke in der Lausitz soll die Leag 1,75 Milliarden Euro erhalten, an RWE als Betreiber im Rheinland sollen 2,6 Milliarden fließen. Experten kritisieren, dass die Regierung die Grundlage dieser Zahlen nicht nachvollziehbar begründe. Ein Gutachten des Öko-Instituts kommt beispielsweise zu dem Schluss, die pauschalen Entschädigungen seien in dieser Form „konzeptionell und mit Blick auf die geplanten Summen als grobe Fehlentwicklung anzusehen“. Speziell bei der Leag sei eine Milliarde zu viel angesetzt, bei RWE komme es auf die tatsächlichen Kosten für den Umbau von Tagebauen an.

An der künftigen Wirtschaftlichkeit von Kohlekraftwerken bestehen erhebliche Zweifel, wobei die Entwicklung von der Stromnachfrage, der Höhe von CO2-Preisen und dem Ausbau erneuerbarer Energien abhängt. „Wenn die Marktkräfte zum Ergebnis haben, dass es früher geschieht, dann werden wir diese Marktkräfte nicht hindern“, sagte Peter Altmaier bei seiner Rede im Bundestag.

Bei der Steinkohle sind Ausschreibungen vorgesehen, um die Entschädigungshöhe zu ermitteln. Ab 2031 sollen die Stilllegungen entschädigungsfrei sein. Steinkohlebetreiber, darunter viele Stadtwerke, fühlten sich von dem Regierungsentwurf benachteiligt. In der finalen Fassung ist nun unter anderem eine Verlängerung der Ausschreibungen vorgesehen, zudem soll bei den ohnehin angesetzten Überprüfungen des Fortschritts Mitte 2022, 2026 und 2029 untersucht werden, ob für jüngere Steinkohlemeiler (Inbetriebnahme ab 2010) „unzumutbare Härten“ vorliegen. Auch dann sollen wieder Entschädigungen fließen.

 

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