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Windenergie

Regierung will Artenschutz-Regeln vereinfachen

Michael Hahn, 04.04.22
Um den Ausbau der Windenergie an Land zu beschleunigen, planen Wirtschafts- und Umweltministerium einheitliche Vorgaben beim Naturschutz. Branchenverbänden gehen die Maßnahmen noch nicht weit genug, Umweltschützer verweisen auf andere Baustellen.

Die Bundesregierung hat das erklärte Ziel, den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich zu beschleunigen. Zu diesem Zweck stehen auch die Regelungen zum Artenschutz auf dem Prüfstand, die vor allem bei der Windenergie an Land dafür sorgen, dass viele Projekte scheitern oder verzögert werden. Heute (4. April) haben die von Grünen geführten Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt Eckpunkte präsentiert, die künftig für einheitliche Regeln sorgen sollen.

Es würden „erstmals bundeseinheitliche, gesetzliche Standards für die Prüfung und Bewertung geregelt, inwieweit eine Windenergieanlage das Kollisionsrisiko für gefährdete Vogelarten signifikant erhöht“, erklärten die Ministerien. Grundlage ist demnach eine Liste, die das Kollisionsrisiko der gefährdeten Brutvogelarten bewertet und die künftig bundesweit einheitlich gelten soll. Sie enthält unterschiedlich große Tabubereiche rund um Brutplätze und in einem weiteren Radius Prüfbereiche, in denen die Errichtung von Anlagen nur nach einer „Habitatpotenzialanalyse“ möglich sein soll.

Außerhalb dieser Zonen soll der Bau ohne weitere Prüfung möglich sein. Auch Vermeidungsmaßnahmen, wie beispielsweise Anti-Kollisions-Systeme, die das Tötungsrisiko senken können, seien dort nicht notwendig. Generell soll für Vermeidungsmaßnahmen, zu denen auch zeitweise Abschaltungen zählen, eine Zumutbarkeitsschwelle gelten, die sich am jährlichen Ertrag bemisst. Dies würde auch andere zu schützende Arten wie Fledermäuse betreffen.

Nächster Schritt: Mehr Personal

Grundsätzlich soll für Windenergieprojekte eine artenschutzrechtliche Ausnahme „ohne behördliches Ermessen“ gelten, sofern eine Reihe von Kriterien erfüllt ist. Die Anforderungen, die bei einigen gegebenenfalls vorgeschriebenen Prüfungen gelten, sollen allerdings erst noch konkretisiert werden. Für Repowering-Vorhaben, bei denen alte Windräder durch leistungsstärkere ersetzt werden, hält das Regierungspapier fest, dass alternative Standorte „in der Regel nicht zumutbar“ seien. Zudem sollen auch in Landschaftsschutzgebieten verstärkt Flächen für den Bau von Windenergieanlagen ausgewiesen werden.

Mit den in den Eckpunkten formulierten Maßnahmen sei „der Weg frei für mehr Windenergie-Flächen an Land“, kommentierte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der Suchraum für geeignete Standorte werde erheblich vergrößert, ebenso die Rechtssicherheit der Verfahren. „Abweichende Regelungen der Länder sind bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr möglich“, so Habeck. Umweltministerin Steffi Lemke erklärte, in einem weiteren Schritt werde man „zügig den im Koalitionsvertrag vereinbarten Pakt mit den Ländern umsetzen, um die Behörden vor Ort besser mit Personal und technischer Infrastruktur auszustatten“.

Windbranchenvertreter sehen weiter Hemmnisse

Der Windverband BWE und der Erneuerbaren-Dachverband BEE bezeichneten das Eckpunktepapier in einer gemeinsamen Mitteilung als „ersten, wichtigen Beitrag“. Es sei jedoch nicht „der im Koalitionsvertrag zugesagte Abbau aller Hemmnisse“. Klärungsbedarf sehen sie etwa beim Umgang mit Fledermäusen, auch dafür brauche es bundeseinheitliche Vorgaben. Ebenfalls nicht einheitlich geregelt sei das sogenannte Störungsverbot. „Es gilt zu verhindern, dass sich die Blockade in den Verfahren vom Tötungsverbot zum Störungsverbot verschiebt“, erklärte BWE-Präsident Hermann Albers. Es gehe darum, „bestehende Konflikte abzuräumen und neue zu vermeiden. Neue Tabubereiche, zusätzliche Prüfbereiche oder gegriffene Zumutbarkeitsschwellen für Abschaltungen lehnen wir ab.“

Während der Hauptgeschäftsführer des Stadtwerkeverbands VKU Ingbert Liebing erklärte, die Vorschläge könnten „ein Durchbruch sein, um das Zwei-Prozent-Flächenziel für den Ausbau der Windkraft an Land zu schaffen“, sieht der Energiewirtschaftsverband BDEW dieses Ziel in Gefahr. Die vorgesehenen Schutzbereiche beim Rotmilan etwa stellten eine Verschlechterung dar und seien „wissenschaftlich nicht begründet“.

Einigung auch beim CO2-Preis

Umweltverbände warfen der Bundesregierung hingegen vor, am falschen Punkt anzusetzen, da das Problem nicht beim Natur- und Artenschutz liege. Der Nabu verwies unter anderem auf hohe Mindestabstände von Windrädern zur Wohnbebauung in einigen Bundesländern sowie das fehlende Personal in Genehmigungsbehörden. In eine ähnliche Richtung äußerte sich der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. „Die Geschwindigkeit, mit der jetzt für den Artenschutz gesetzliche Änderungen beschlossen werden sollen, brauchen wir stattdessen für die eigentlichen Baustellen der naturverträglichen Energiewende“, erklärte Bandt und nannte etwa eine Solarpflicht auf Dächern und verbindliche Regeln zum Energiesparen.

Währenddessen haben sich Kabinettsmitglieder aus allen drei Ampelparteien auch an anderer Stelle auf eine Regelung verständigt. Im Gebäudebereich soll demnach der CO2-Preis bei den Heizkosten in Zukunft zwischen Vermieterinnen und Mietern aufgeteilt werden. Der Verteilungsschlüssel ergibt sich aus dem energetischen Sanierungsstand des Gebäudes: Je schlechter dieser ist, desto mehr muss der Vermieter zahlen. Bislang trugen Mieter die Kosten allein, nachdem die CDU/CSU-Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode eine Aufteilung verhindert hatte.

Mitarbeit: Tim Altegör

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