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Neue Bundesregierung

Koalitionsvertrag mit großem Klimateil

Tim Altegör, 24.11.21
Das von den drei Ampel-Parteien erarbeitete Dokument geht ausführlich darauf ein, wie das Land beim Klimaschutz vorankommen soll. Der Kohleausstieg soll früher kommen, der Erneuerbaren-Ausbau deutlich schneller werden.

Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP haben heute (24. November) in Berlin ihren gemeinsamen Koalitionsvertrag vorgestellt. Seine wichtigste Botschaft laute: „Die Ampel steht“, sagte der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz. Das Dokument trägt den Titel „Mehr Fortschritt wagen“, in den kommenden Tagen müssen ihm nun die Parteien noch zustimmen. Bei den Grünen ist dafür eine Mitgliederbefragung angesetzt. Laut Zeitplan soll Scholz in der Nikolauswoche zum Kanzler gewählt werden.

Zum Klimaschutz heißt es in dem Vertrag, die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, habe „oberste Priorität“. Die Politik werde „auf den 1,5-Grad-Pfad“ ausgerichtet. Dafür müsse eine „sozial-ökologische Marktwirtschaft“ entstehen. Zudem kündigen die Parteien „ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen und mehr Tempo“ an. Das Klimaschutzgesetz soll 2022 überarbeitet werden, inklusive eines Sofortprogramms. Künftig soll der aktuelle Stand nicht mehr für jeden Sektor separat, sondern übergreifend bewertet werden. Alle Sektoren müssten aber ihren Beitrag leisten.

Eine drastische Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus erklärt die Ampel-Koalition zu ihrer „gemeinsamen Mission“. Alle bestehenden Hürden und Hemmnisse würden aus dem Weg geräumt. Bis 2030 soll der Ökostromanteil 80 Prozent betragen, bei steigender Stromnachfrage. Der Vertrag führt detailliert eine Vielzahl von Punkten auf, darunter: Genehmigungsverfahren sollen vereinfacht, das Artenschutzrecht vereinheitlicht, möglichst alle Dachflächen für Solaranlagen genutzt werden.

Mehr Solar- und Windenergie, Kohleausstieg per CO2-Preis

Die installierte Photovoltaikleistung möchte die neue Koalition bis 2030 von derzeit knapp 60 auf 200 Gigawatt steigern. Dafür sollen die Vergütungssätze angepasst und Ausbaudeckel überprüft werden. Für Windenergie an Land sollen laut Vertrag zwei Prozent der Landesfläche ausgewiesen werden, das Repowering bestehender Windparks erleichtert und Mindestabstände zu Radarsystemen gesenkt werden. Auch auf See soll der Windenergieausbau zunehmen, auf letztlich 70 Gigawatt bis 2045.

Ansässige Kommunen sollen von den Anlagen finanziell profitieren, Bürgerenergie gestärkt werden. Dafür ist auch geplant, die europäische De-minimis-Regel, die für kleinere Projekte Ausnahmen vom Auktionssystem für neue Anlagen vorsieht, auszuschöpfen. Konzepte für Mieter- oder Quartiersstrom sollen einfacher werden.

Im Gegenzug müsse der Kohleausstieg schneller kommen. Im Koalitionsvertrag steht wie schon im Sondierungsergebnis, dies geschehe „idealerweise“ bis 2030. Mit dem Ausstieg soll auch die Förderung erneuerbarer Energien auslaufen, bereits ab 2023 soll die EEG-Umlage komplett aus dem Haushalt statt über den Strompreis finanziert werden.

Für die Umsetzung des Kohleausstiegs setzen die Koalitionspartner auf den CO2-Preis im europäischen Emissionshandel. Ziel sei, dass dieser nicht unter 60 Euro die Tonne falle. Falls eine entsprechende europäische Lösung ausbleibe, will die Koalition einen nationalen Mindestpreis prüfen. Der nationale CO2-Preis für Verkehr und Heizen soll fürs Erste nicht stärker als geplant steigen und perspektivisch im EU-Zertifikatehandel aufgehen.

Grüne zuständig für Klima und Umwelt, FDP für Verkehr

Als Ersatz für den Kohlestrom sind neben Erneuerbaren auch neue Gaskraftwerke vorgesehen, die für die spätere Umstellung auf Wasserstoff geeignet sind. Die Wasserstofferzeugung wollen SPD, Grüne und FDP schneller ausbauen, insbesondere jene aus einheimischem Ökostrom. Die Industrie soll durch sogenannte Differenzverträge bei Klima-Investitionen unterstützt werden, auch einen europäischen Grenzausgleich beim CO2-Preis befürworten die Koalitionäre.

Im Verkehr nennen sie als Ziele unter anderem 15 Millionen rein elektrische Pkw und einer Million öffentlicher Ladesäulen bis 2030. Ein allgemeines Tempolimit schließt der Vertrag aus. Im Gebäudebereich sollen neue Heizungen ab 2025 zu 65 Prozent auf Basis erneuerbarer Energien laufen sowie der Effizienzstandard ansteigen. Am CO2-Preis, den momentan allein die Mieter tragen, sollen Vermieter stärker beteiligt werden.

Im Kern gehe es um „die Vereinbarkeit von Wohlstand und Klimaschutz“, sagte der Grünen-Co-Vorsitzende Robert Habeck bei der Vorstellung. Der Vertrag beinhalte keine höheren Klimaschutzziele, stattdessen konkrete Maßnahmen zu ihrer Umsetzung. Auch Christian Lindner äußerte sich zum Thema. „Keine Industrienation wird größere Anstrengungen unternehmen beim Schutz des Klimas“, so der FDP-Chef.

Auch die Aufteilung der Ressorts regelt der Vertrag. Unter anderem die Bereiche Wirtschaft und Klimaschutz, Umwelt sowie Landwirtschaft übernehmen demnach die Grünen. Die FDP ist für Verkehr zuständig, die SPD besetzt den Bereich Bauen, der künftig ein eigenes Ressort wird.

 

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