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Große Koalition

Kabinett beschließt neue Klimaziele

Tim Altegör, 12.05.21
Wie vergangene Woche angekündigt hat die Bundesregierung ihr Klimaschutzgesetz angepasst. Die Treibhausgas-Emissionen sollen schneller und früher sinken, bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ging ausnahmsweise mal alles ganz schnell: Vor zwei Wochen hatte das Gericht geurteilt, das deutsche Klimaschutzgesetz belaste unverhältnismäßig stark künftige Generationen. Nun hat die Bundesregierung nachgebessert: Das Kabinett hat heute (12. Mai) einen Entwurf aus dem Umweltministerium verabschiedet. Er sieht vor, dass Deutschland 2045, fünf Jahre früher als bisher vorgesehen, klimaneutral wird.

Für 2030 steigt das Ziel von 55 auf 65 Prozent Emissionsminderung gegenüber dem Vergleichsjahr 1990. Für 2040 wird ein Zwischenziel von minus 88 Prozent eingefügt. So hatte es Umweltministerin Svenja Schulze zusammen mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz vergangene Woche angekündigt. Der Bundestag muss das Gesetz allerdings noch in dieser Form beschließen.

Das höhere 2030-Ziel galt ohnehin als erforderlich, nachdem die EU ihr gemeinsames Klimaziel erhöht hatte. Für das laufende Jahrzehnt enthält das Gesetz jährliche Emissionsmengen, die in den einzelnen Sektoren erlaubt sind. 2020 etwa hat der Gebäudesektor seine Marke gerissen, der zuständige Minister Horst Seehofer (CSU) muss daher Vorschläge machen, um die Lücke zu schließen.

Deutlich kleinere CO2-Budgets für Energiesektor und Industrie

Diese Sektorenziele werden nun mit Blick auf die 65-Prozent-Marke angehoben, wobei die Sektoren unterschiedlich betroffen sind. Den größten Anteil tragen Energiewirtschaft und Industrie, sie dürfen 2030 noch 108 (vorher 175) beziehungsweise 118 (vorher 140) Millionen Tonnen CO2 emittieren. Dem Verkehr werden zusätzliche zehn Tonnen Minderung abverlangt, allerdings erst zum Ende der Dekade.

Bei Gebäuden und in der Landwirtschaft sinken die Zielwerte dagegen nur leicht. Dort sei der Großteil in den Jahren nach 2030 zu erbringen, heißt es in der Begründung des Entwurfs. Die kommenden Jahre sollten aber „genutzt werden, rechtzeitig ausreichend minderungswirksame Maßnahmen zu beschließen und konsequent umzusetzen“. 

Das Klimagesetz selbst enthält keine Maßnahmen, es gibt nur den Rahmen vor. Die Regierung kündigte an, „in den nächsten Wochen“ ein Sofortprogramm vorzustellen, das etwa neue Energiestandards für Gebäude beinhalte. Zudem seien zusätzliche Fördermittel von bis zu acht Milliarden Euro vorgesehen. Die nach einhelliger Expertenmeinung und zumindest auch laut der SPD zentrale Erhöhung der Ausbauziele für erneuerbare Energien über das Jahr 2022 hinaus scheint die Koalition dagegen vor der Bundestagswahl nicht mehr angehen zu wollen.

Umweltministerin: „Ziele mit Zähnen“

Aus der Energiebranche, Umweltverbänden und Wissenschaft ist wiederholt kritisiert worden, dass Klimaziele von der Regierung nicht in dazu passende Maßnahmen übersetzt werden. Ihr CO2-Ziel für 2020 erreichte sie nur, weil durch die Corona-Pandemie die Emissionen zeitweise stark sanken. Umweltministerin Schulze gab sich jedoch optimistisch. Es handele sich nun um „Ziele mit Zähnen“, da die einzelnen Ministerien für ihre Ressorts verantwortlich sind und bei Bedarf nacharbeiten müssen. Ihr Gesetz sei „der Garant dafür, dass die Regierung beim Klimaschutz nicht mehr nachlassen und zuverlässig alle Ziele erreichen wird“.

Klimaschützern gehen allerdings auch die neuen Zielmarken nicht weit genug: Der Umweltverband BUND erklärte mit Verweis auf das Pariser Klimaabkommen, Deutschland müsse bis spätestens 2040 klimaneutral sein. Der Climate Action Tracker, der die Klimapolitik von Staaten analysiert, hat errechnet, dass Deutschland für das 1,5-Grad-Ziel aus dem Paris-Vertrag bis 2030 die Emissionen um 69 Prozent senken müsste.

Sektorenziele für die Jahre zwischen 2030 und 2040 enthält das Klimaschutzgesetz noch nicht – sie sollen 2024 folgen. Auch die konkrete Planung für die Zeit nach 2040 wird fürs Erste nur angekündigt, für spätestens 2032. Dazwischen, 2028, soll es zudem einen Bericht „zum Stand und zur weiteren Entwicklung der CO2-Bepreisung innerhalb der Europäischen Union sowie zu technischen Entwicklungen“ geben, der erörtert, ob man sich die Fortschreibung der Sektorenziele nicht auch sparen könne.

Neu im Gesetz: CO2-Senken und Schattenpreis

Komplett neu ist ein Paragraf zum Thema negative Emissionen. So rechnet die Regierung damit, dass 2045 noch bis zu 37,5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr entstehen, die nicht einzusparen sind. Daher sollen natürliche Senken bis dahin 40 Millionen Tonnen aufnehmen können, sodass die Bilanz unter dem Strich klimaneutral ausfällt. In den Folgejahren soll Deutschland dann sogar mehr Treibhausgase binden als emittieren. Der Zustand von Wäldern und Mooren im Land ist zuletzt allerdings eher schlechter geworden, zudem ist die Datenlage zu natürlichen Senken bislang dürftig, wie auch das Umweltministerium einräumt.

Außerdem führt das Gesetz einen sogenannten Schattenpreis für CO2 ein: Bei Investitionen oder Beschaffungen sollen Bundesbehörden die entstehenden Emissionen einrechnen. Der Wert soll sich mindestens am geltenden deutschen CO2-Preis orientieren, der momentan bei 25 Euro je Tonne liegt. Bis 2025 steigt er schrittweise auf 55 Euro – immer noch weit entfernt von den berechneten Schadenskosten einer Tonne, die laut Umweltbundesamt aktuell 195 Euro betragen.

 

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