Windenergie

In die Tiefen der Bürokratie

Tim Altegör, 23.05.23
Der Windenergieausbau hat in Deutschland zuletzt wieder zugelegt, für die erklärten Ziele reicht das Tempo allerdings nicht. In einem Strategiepapier versammelt Wirtschaftsminister Habeck nun Pläne, um weitere Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

Die Klimapolitik der Ampelkoalition kommt derzeit insgesamt wenig überzeugend daher, mit dem Dauerstreit beim Heizungsgesetz und dem fortwährenden Stillstand im Verkehrssektor. Immerhin: Zumindest in die richtige Richtung geht es beim Ökostromausbau, dessen Beschleunigung sich die Koalition auf die Fahne geschrieben hat und der zuletzt nach vielen schlechten Jahren wieder anzog.

Es gibt aber immer noch zahlreiche und teils sehr kleinteilige Hindernisse in den Tiefen der deutschen Bürokratie. Wie Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck sie aus dem Weg räumen will, hat er im Mai erklärt: Nachdem Habeck Anfang des Monats eine Photovoltaik-Strategie präsentiert hat, folgte nun zwei Wochen später eine „Windenergie-an-Land-Strategie“.

Vorausgegangen waren mehrere Gipfeltreffen und ein Entwurf, zu dem sich Interessenvertreter aus Politik und Wirtschaft geäußert hatten. An der abschließenden Gesprächsrunde nahmen laut dem Wirtschaftsministerium rund 100 Personen teil. Bei der Pressekonferenz lobte Habeck die gute Zusammenarbeit mit anderen Regierungsressorts wie Bauen, Umwelt und Verteidigung. Sie alle hätten „zugesagt, diesen Prozess nach vorne zu bringen“.

Rotorblatt-Transporte aufs Wasser, Leitfäden für Genehmigungsbehörden

Mit dem Verkehrsministerium etwa gebe es Einigkeit, dass die Genehmigung von Schwerlasttransporten einfacher werden soll, die zum Beispiel für Rotorblätter nötig sind. Perspektivisch lautet das Ziel, sie möglichst von der Straße aufs Wasser zu verlagern und dafür die nötige Infrastruktur in Binnenhäfen zu schaffen. Der Umgang mit den Transporten sei momentan für die Energiewende ohne Frage „ein Flaschenhals“, so Habeck.

Insgesamt umfasst die Strategie zwölf Themen und eine Mischung aus bereits gefassten Beschlüssen, konkreten Absichten und eher losen Prüfaufträgen. Beispielsweise sollen die Prüfungen bei Repowering-Vorhaben auf dem Gebiet bestehender Windparks weiter vereinfacht werden, Kommunen mehr Freiheiten bei der Ausweisung zusätzlicher Flächen speziell in Gewerbegebieten erhalten und bei der möglichen Störung von Radaranlagen durch Windparks in Zukunft transparente Kriterien gelten.

In den vielen beteiligten Behörden sollen Leitfäden dabei helfen, die komplexen Gesetze möglichst einheitlich anzuwenden. „Das ganze System ist im Grunde eingeschwungen auf keine oder verlangsamte Entscheidungen“, sagte Habeck – das soll sich nun Stück für Stück ändern. Mit ihm auf dem Podium standen die Präsidentin des Bundesverbands WindEnergie, Bärbel Heidebroek, und der sächsische Energieminister Armin Willingmann, zugeschaltet war außerdem die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae. Alle drei lobten die Strategie grundsätzlich und hoben unter anderem die Behörden-Leitfäden als wichtige Maßnahme hervor.

Verdoppelte Leistung bis 2030 geplant

„Die Strategie ist eine gute Ausgangsbasis, die einzelnen Punkte müssen aber wirklich angegangen und umgesetzt werden“, sagte Heidebroek im Nachgang. Bisher konzentriere sich der Ausbau auf einige Bundesländer, der Süden sei „eigentlich ein Totalausfall“. „Wir müssen jetzt Tempo machen, und das geht nur mit Bund und Ländern zusammen.“ Nachbesserungsbedarf sieht sie zudem noch beim „Scheinkonflikt“ zwischen Windenergie und Artenschutz. Die Ministeriumsstrategie stellt dazu standardisierte Verfahren in Aussicht und will eine sogenannte probabilistische Methode prüfen, um die Kollisionswahrscheinlichkeit von Vögeln zu berechnen.

Habeck betonte, nach einem „totalen Zusammenbruch“ sei wieder eine Dynamik entstanden, auch die Länder würden mitziehen. 2023 sei es möglich, den Zubau im Vergleich zum Vorjahr auf vier Gigawatt zu verdoppeln. Für die gesetzlichen Ausbauziele reicht das allerdings noch lange nicht: Zum Jahreswechsel waren in Deutschland rund 58 Gigawatt Onshore-Windleistung installiert. Bis 2030 sollen es 115 Gigawatt sein, ab 2035 dann dauerhaft 160 Gigawatt.

Der Text wurde am 30.5.2023 leicht aktualisiert.

 

Kommentare (2)

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  • 01.06.23 - 19:20, Lutz Witthohn

    Wieso kann man nicht die Autobahnen pro Woche eine Nacht für den Transport von Rotorblättern sperren?

  • 17.07.23 - 18:05, Gernot Kloss

    Wer den Klimawandel bekämpfen will, muss ihn verstehen. Erst wer begreift, dass der Klimawandel sowohl durch den CO2-Anstieg in der Atmosphäre, als auch durch die von uns Menschen erzeugten Wärmemengen gesteuert wird, kann ihn bekämpfen. Da wir hiermit zu lange gewartet haben, ist dies mit herkömmlichen Technologien nicht mehr möglich. Deshalb brauchen wir dringend Zukunftsinnovationen. Diese sind bereits vorhanden, werden aber ungenügend gefördert. Weil sie aufwändiger sind, ist das Risiko, sie zu bauen, größer. Deshalb müssen sie besser gefördert werden. Vorschläge an unseren Wirtschaftsminister, dies zu ändern, verhallten. Solche Innovationen sollten zu hundert Prozent gefördert werden und nach Markteintritt könnten davon wieder fünfzig Prozent an den Staat zurückgezahlt werden. Damit wäre dies Förderform nicht teurer als alle anderen, herkömmlichen Förderformen. Erfolgreicher wäre sie allemal.

    In dem zeit- und politikkritischen Buch - Nicht der Klimawandel, wir sind das Übel - wird unser zukünftiges Versagen im Kampf gegen den Klimawandel für die nächsten zwanzig Jahre sehr authentisch beschrieben. Es zeigt aber auch viele Lösungen in Form neuartiger Technologien auf, um den Klimawandel menschenverträglich zu gestalten. Politik, Wirtschaft und Medien brauchten sich nur zu informieren.

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