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Erneuerbare Energien

Große Koalition reißt selbstgesetzte Frist

Tim Altegör, 01.04.21
Bis Ende März wollten CDU/CSU und SPD die Ausbaumengen für Ökostromanlagen korrigieren, da sie nicht mehr zu den höheren Klimazielen der EU passen. Doch bislang scheiterten die Verhandlungen, auch weil die SPD Lobbyismus-Klärungsbedarf im CDU-Team sieht.

Als sich CDU/CSU und SPD im vergangenen Dezember nach monatelanger Verzögerung doch noch kurz vor Weihnachten auf eine Neufassung des EEG einigten, blieb eine ganze Reihe von Punkten ungelöst liegen. Darunter ein ganz zentraler: Nach einhelliger Expertenmeinung passen die Ausbaupfade für die verschiedenen Erneuerbaren-Technologien, die bislang im Gesetz stehen, nicht zu den Klimazielen in Deutschland und auf EU-Ebene. Zum einen rechnen fast alle Prognosen – im Gegensatz zur Bundesregierung – damit, dass in Zukunft der Strombedarf steigt, weil Mobilität und Wärmeversorgung stärker elektrifiziert werden sollen.

Damit ist für das Regierungsziel von 65 Prozent Ökostrom bis 2030 mehr Erneuerbaren-Leistung nötig. Hinzu kommt, dass sich die EU noch vor dem EEG-Beschluss darauf geeinigt hatte, ihr CO2-Minderungsziel anzuheben – was wiederum ambitionierte Ziele auch in Deutschland erfordern dürfte. Das erkannte die Regierungskoalition im Prinzip auch an, vertagte sich aber. In einem Entschließungsantrag, der insgesamt 16 noch zu bearbeitende Punkte auflistet, forderte sie die Bundesregierung auf, im ersten Quartal 2021 „einen weitergehenden Ausbaupfad der erneuerbaren Energien zu definieren“, der zum neuen EU-Ziel passt.

Doch passiert ist dies seitdem nicht. Zweifel an der Umsetzung gab es schon im Dezember. Der Grünen-Abgeordnete Oliver Krischer etwa sagte in einem Pressegespräch kurz nach dem Koalitionsbeschluss, er rechne mit einer „Vertagung auf Sankt Nimmerlein, beziehungsweise auf nach der Bundestagswahl“. „Der Umfang des Entschließungsantrags zeigt, wie groß hier der Dissens ist“, so Krischer damals.

SPD sieht Klärungsbedarf bei CDU-Verhandler

Mittlerweile gibt es Gewissheit: Zwar vermeldeten die Koalitionäre Ende März, dass sie zwei der 16 Punkte abgearbeitet hätten, beides steuerliche Aspekte. Wohnungsunternehmen sollen ihre Gewerbesteuerbefreiung für Mieteinnahmen nicht mehr verlieren, wenn sie zugleich die Mieter mit einer Ökostromanlage im Haus versorgt. Und bei Windparks soll von der Gewerbesteuer künftig  mehr an die Standortkommunen fließen. Aber bei der wichtigen Ausbauperspektive für Wind- und Solarstrom haben CDU/CSU und SPD ihren eigenen Zeitplan gerissen.

Nach aktuellem Stand sieht es danach aus, dass Grünen-Politiker Krischer Recht behalten könnte und es auch bis zur Bundestagswahl nichts mehr wird. Innerhalb der Koalition befasst sich eine Arbeitsgruppe mit dem Thema, die zunächst der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein im Zuge des Masken-Skandals der Union verließ. Als nach Medienberichten zudem noch Zweifel daran aufkamen, ob CDU-Teilnehmer Joachim Pfeiffer sein politisches Mandat ausreichend von privatwirtschaftlichen Interessen trennt, stoppte die SPD die Gespräche und verlangte eine umfassende Klärung. In den letzten Jahren erwiesen sich schon mehrere solcher Arbeitsgruppen als äußerst zäh, wobei sich die SPD meist schnellere Fortschritte wünschte und CDU-Abgeordnete als Bremser auftraten.

Umweltverbände fordern schnelles Handeln

Zahlreiche Umweltverbände, aber etwa auch der Energiewirtschaftsverband BDEW, forderten die Regierungskoalition auf, den Stillstand zu beenden. Die CDU müsse „umgehend klären, wer zukünftig zum EEG verhandelt“, sagte die Geschäftsführerin des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Antje von Broock. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erklärte, entweder müsse die Union ihr Verhandlungsteam austauschen, oder die SPD ohne ihren Koalitionspartner einen Gesetzesentwurf in den Bundestag einbringen. Inhaltlich ist für die Umweltverbände klar, dass der Ökostrom-Ausbau erheblich intensiviert werden muss. Die Klima-Allianz Deutschland listet zum Beispiel eine Anhebung des 2030-Ziels auf 75 Prozent auf sowie verbesserte Rahmenbedingungen für Wind- und Solaranlagen.

Das Bündnis wies zudem auf ein weiteres Problem hin, das durch die EEG-Novelle auf den letzten Drücker im Dezember entstanden ist: Die EU-Kommission hat das Gesetz, das eigentlich seit dem 1. Januar gilt, bisher nicht beihilferechtlich freigegeben. Bei Ausschreibungen für Erneuerbaren-Anlagen meldet die Bundesnetzagentur daher aktuell keine Zuschlagsergebnisse. Nur Bieter, die aus formalen Gründen ausgeschlossen wurden, erhielten von der Bonner Behörde eine Benachrichtigung. „Dieser Zustand führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit und hemmt damit den Ausbau der Erneuerbaren“, so die Geschäftsführerin der Klima-Allianz, Christiane Averbeck. Bislang betroffen sind ausgeschriebene Projekte im Umfang von insgesamt mehr als 2500 Megawatt Leistung, darunter bis zu 1500 Megawatt Windenergie, die nicht in Bau gehen können.

Mehr zu den Themen Lobbyismus in der CDU und EU-Beihilfeprüfung finden Sie in der Ausgabe 04/2021 von neue energie.

 

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