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Fracking

Flop zum Start

Katja Dombrowski, 28.08.19
Die Fracking-Kommission der Bundesregierung hat ihren ersten Jahresbericht vorgelegt. Daran gibt es inhaltliche Kritik – vor allem ist aber die Beteiligung der Öffentlichkeit ordentlich schiefgelaufen.

Fracking ist ein Aufregerthema. Die einen halten es für unabdingbar, um Energiesicherheit in den kommenden Jahrzehnten zu gewährleisten oder um ihre Macht auf dem internationalen Öl- und Gasmarkt zu stärken. Die USA gewinnen bereits den Großteil ihres Erdgases durch Fracking, und auch eine ganze Reihe anderer Länder setzt das Verfahren ein. Die anderen lehnen es hingegen aufgrund massiver beziehungsweise zum Teil noch gar nicht absehbarer Umweltschäden ab.

Beim Fracking werden Gesteinsschichten unter hohem Druck mit speziellen Flüssigkeiten aufgebrochen, die anschließend möglicherweise im Grundwasser landen. Hinzu kommt: Das sogenannte unkonventionelle Fracking, also in Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleflözgesteinen, um das die Kontroverse kreist, würde weitere riesige Öl- und Erdgasvorkommen erschließen – dabei müsste die Weltgemeinschaft aus den fossilen Energien aussteigen, um die Erderwärmung wie geplant zu begrenzen.

In Deutschland ist lediglich das konventionelle Fracking in Sandgestein erlaubt, bei dem der Eingriff in die Natur deutlich kleiner ist. Es wird seit Jahrzehnten praktiziert. Gas kommt aber auch hierzulande ebenso in unkonventionellen Gesteinen vor. Wie viel, ist nicht bekannt. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat in einem Gutachten festgestellt, dass es „eine Reihe von organisch-reichen Tongesteinsformationen [gibt], die in Frage kommen“ und „in weiten Teilen Deutschlands“ vorkommen.

Verbot über 2021 hinaus?

Erste Testbohrungen der Firma Exxon Mobil in Niedersachsen lösten große Proteste aus. Handlungsbedarf war offensichtlich, und so verabschiedete die Bundesregierung 2016 ein Gesetz, das unkonventionelles Fracking, auch Schiefergasfracking genannt, verbietet. Das Gesetz lässt allerdings vier Probebohrungen zu wissenschaftlichen Zwecken zu, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu erforschen, wenn die betroffenen Bundesländer dem ausdrücklich zustimmen. Und: Das Verbot ist nur bis 2021 festgeschrieben; dann kann der Bundestag neu entscheiden.

Wie es nach 2021 weitergeht, wird zu einem großen Teil von der Fracking-Kommission abhängen, die die Bundesregierung im vergangenen Jahr eingerichtet hat. Ihre Hauptaufgabe ist die wissenschaftliche Begleitung von Erprobungsmaßnahmen. Die Kommission soll dem Bundestag jährlich zum 30. Juni berichten und hat in diesem Jahr ihren ersten Bericht vorgelegt. Anträge auf Erprobungsbohrungen lagen demnach nicht vor. Deshalb hat sich das sechsköpfige Expertengremium vor allem damit beschäftigt, die Grundlagen für seine Arbeit zu schaffen und für die kommenden zwei Jahre zu planen.

Der Bericht ist dementsprechend dünn, es entzündet sich aber trotzdem Streit daran. Zu den Aufgaben der Kommission gehört nämlich auch die Beteiligung der Öffentlichkeit, und die ist offensichtlich schiefgelaufen. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) kritisiert, der Entwurf sei nicht ausreichend bekannt gemacht geworden, auch seien die üblicherweise beteiligten Organisationen nicht über die Möglichkeit informiert worden, Stellung zu nehmen.

Daraus folgert er, „dass die Kommission die Veröffentlichung des Jahresberichts als lästige Pflicht, die es zu erfüllen gilt, betrachtet hat und an einer ordnungsgemäßen Beteiligung der Öffentlichkeit kein Interesse hat. Denn ohne Kenntnis des Vorliegens des Jahresberichtes können die Öffentlichkeit und die beteiligten Kreise nicht Stellung nehmen.“ Zudem sei die Frist von drei Wochen für Stellungnahmen – vom 3. bis 25. Juni – zu kurz gewesen.

Verwirrung um Fristen

Der BBU hat trotzdem am letzten Tag eine Stellungnahme abgegeben – die die Kommission aber nicht mehr erreicht hat. Während der Verband davon ausging, dass die Frist um Mitternacht endet, verweist die Kommission darauf, dass der Redaktionsschluss ausschlaggebend gewesen sei. „Bis zum Nachmittag des 25.06.2019 lagen keine Stellungnahmen oder Anmerkungen vor“, gibt sie auf Nachfrage an. Am Nachmittag tagten die Experten und verabschiedeten den Bericht.

Dass seine Kritik darin nicht berücksichtigt ist, erbost nicht nur den BBU. Auch der Linken-Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel schließt daraus, dass Stellungnahmen der Öffentlichkeit für die Kommission „offensichtlich ohne Bedeutung“ seien und befürchtet, „dass auch die weitere Arbeit der Kommission, insbesondere in Hinblick auf Empfehlungen zur Überprüfung des Frackingverbots in bestimmten Gesteinsarten, weitgehend im Dunkeln geschehen soll“.

Auch der nachträgliche Umgang mit den Stellungnahmen entschärft den Konflikt nicht. Die Kommission hat sie anonymisiert in der Form von „Frequently Asked Questions“ (häufig gestellten Fragen) auf ihrer Website veröffentlicht und beantwortet. „Damit werden Kritikpunkte einfach zu Fragen umdefiniert“, schreibt der BBU in einer Pressemitteilung und fordert die Fracking-Kommission auf, die Kritik im Original zu veröffentlichen und dazu konkret Stellung zu beziehen.


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Erprobungen nicht in Sicht

Holger Weiß, der stellvertretende Vorsitzende der Kommission, räumt ein, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit nicht optimal gelaufen und die Zeit für Stellungnahmen in der Tat etwas kurz gewesen sei. Zur Erklärung führt er an, dass die sechs Mitglieder alle ehrenamtlich und nebenbei in der Kommission arbeiteten und die Öffentlichkeitsarbeit für sie daher schwierig sei. Damit es in Zukunft besser läuft, soll sich in Zukunft ein hauptamtlicher Mitarbeiter darum kümmern.

Beim Streit um den Umgang mit Kritik droht deren Inhalt fast unterzugehen. Der BBU schreibt in seiner Stellungnahme, dass die Kommission ihre Hauptaufgabe, nämlich Erprobungsmaßnahmen wissenschaftlich zu begleiten, gar nicht erfüllen könne. Denn dafür seien weder Anträge von Unternehmen in Sicht, noch die Bereitschaft von Landesregierungen, ihre Zustimmung zu geben. Somit sei es auch nicht möglich, die Gefahr von Fracking in unkonventionellen Gesteinsschichten auszuschließen.

Auch die Ankündigung der Kommission, in den kommenden zwei Jahren die Erfahrungen anderer Länder mit unkonventionellem Fracking auszuwerten, überzeugt den BBU nicht. Denn die angekündigten Untersuchungen bezögen sich nicht auf den Bohr- und Frackprozess, sondern auf dem Fracking nachgelagerte oder bestenfalls begleitende Tätigkeiten. Insgesamt fehle es an konkreten Kriterien für die Bewertung, und der Bericht müsse grundlegend überarbeitet werden. Der Verband zieht daraus den Schluss: Eigentlich hätte die Kommission der Bundesregierung bereits jetzt empfehlen können, das Frackingverbot unbegrenzt aufrechtzuerhalten.

 

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