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Klimaschutz

Einigung beim Kohleausstieg

Tim Altegör, 16.01.20
Die Bundesregierung hat sich mit Kraftwerksbetreibern und betroffenen Bundesländern auf einen Fahrplan für das Ende der Braunkohle verständigt. Die Eckdaten passen zwar zum Plan der Kohlekommission, doch der Ausstiegspfad stößt auf Kritik.

Ziemlich genau ein Jahr – solange brauchte die Bundesregierung, um aus dem Abschlussbericht der Kohlekommission vom Januar 2019 einen konkreten Ausstiegsplan für die deutsche Braunkohle abzuleiten. Diesen Plan stellten die Minister Altmaier (CDU), Scholz und Schulze (beide SPD) am 16. Januar in Berlin vor. Vorausgegangen waren Gespräche im Kanzleramt mit den Ministerpräsidenten von Brandenburg, NRW, Sachsen und Sachsen-Anhalt, sowie Verhandlungen mit Kraftwerksbetreibern über Entschädigungen für die Stilllegung von Meilern und Tagebauen. Für letzteres sind 2,6 Milliarden Euro im Westen und 1,75 Milliarden Euro im Osten des Landes vorgesehen.

Die Verhandlungen hätten „sehr lange gedauert, aus meiner Sicht auch zu lange, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen“, sagte Umweltministerin Schulze bei der gemeinsamen Pressekonferenz. In den Eckdaten orientiert sich die Regierung am Kommissionsvorschlag: Bis Ende 2022 sollen noch 15 Gigawatt Braunkohleleistung in Betrieb sein, bis 2030 noch knapp neun, bis spätestens 2038 soll der Ausstieg vollendet sein.

Auf Kritik, auch aus Reihen der ehemaligen Kommissionsmitglieder, stieß jedoch der Pfad für die Abschaltungen, der letztlich bestimmt, wie viele CO2-Emissionen die Kraftwerke noch ausstoßen werden. So soll zwar das erste Kraftwerk im rheinischen Revier schon Ende dieses Jahres vom Netz gehen. „Möglichst stetig“, wie von der Kommission empfohlen, geschieht der Ausstieg aber nicht – zwischen 2022 und 2028 etwa gibt es eine Lücke mit wenig Abschaltungen, gegen Ende der 2020er dann eine Häufung, bevor bis 2035 wieder Pause sein soll beim Ausstieg. Einige der größten CO2-Erzeuger Europas blieben laut Plan bis zuletzt aktiv: die Kraftwerke Neurath und Niederaußem im Rheinland, Schwarze Pumpe und Boxberg in der Lausitz.

Datteln IV kommt, Hambacher Wald bleibt

Kommissionsmitglied Kai Niebert vom Deutschen Naturschutzring (DNR) bezeichnete den Pfad als „klimapolitisch untragbar“, der mühsam ausgehandelte Kompromiss werde nicht eins zu eins umgesetzt. Auch der Empfehlung, keine neuen Kohlekraftwerke mehr in Betrieb zu nehmen, folgt die Bundesregierung nicht: Das Steinkohleprojekt Datteln IV soll 2020 ans Netz gehen. Wirtschaftsminister Altmaier begründete diese Entscheidung auf der Pressekonferenz mit ansonsten fälligen Entschädigungszahlungen und einer angeblich höheren CO2-Einsparung, wenn stattdessen ältere Steinkohlekraftwerke früher abgeschaltet werden. Daran glaubt man beim DNR nicht, Umweltverbände hatten eine Inbetriebnahme von Datteln IV auch als symbolisch falschen Schritt abgelehnt. Eine Rodung des Hambacher Waldes, Schauplatz von intensiven Klimaprotesten, ist dagegen wohl vom Tisch.

Lobende Worte für die politische Einigung fand die Bergbau- und Industriegewerkschaft IG BCE. Deren Vorsitzender Michael Vassiliadis, ebenfalls Mitglied der Kohlekommission, forderte jedoch zugleich einen „Einschaltplan“ für Alternativen zur Kohle. Die Regierung betonte erneut ihr Vorhaben, den Ökostrom-Anteil bis 2030 auf 65 Prozent zu steigern, eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist in diesem Jahr vorgesehen.

Allerdings konnte sich die Koalition hier bislang nicht auf das weitere Vorgehen einigen. Angekündigte Erleichterungen wie die Streichung des Deckels für die Solarförderung oder die Erleichterung von Mieterstrom ziehen sich hin und die Unionsfraktion drängt vehement auf einen bundesweiten Mindestabstand für Windkraftanlagen, deren Ausbau ohnehin zusammengebrochen ist. Es brauche jetzt „einen massiven Ausbau der Energien aus Wind und Sonne, damit dieser Ausstieg auch wirklich verbindlich gelingt“, so Ministerin Schulze. Dann sei auch ein etwas früheres Kohle-Aus 2035 möglich. Viele Klimaschützer halten einen Ausstieg schon bis 2030 für nötig.

Den vorgelegten Ausstiegspfad soll das Bundeskabinett am 29. Januar beschließen, bis zur Jahreshälfte der Kohleausstieg dann Gesetz sein.

 

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