Anzeige
Klimaschutz

Deutsches Klima-Versagen wird amtlich

Joachim Wille, 13.06.18
Um volle acht Prozentpunkte wird Deutschland sein Klimaziel bis 2020 nach derzeitigem Stand verfehlen. Zu diesem Schluss kommt jetzt ein offizieller Bericht der Bundesregierung. Die Lücke könnte auch noch größer sein.

Am Wochenende hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und fünf ihrer G7-Partner noch ein Bekenntnis zum Pariser Klimavertrag und zu „ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen“ ins Abschlussprotokoll des Gipfels in Kanada schreiben lassen. Am heutigem Mittwoch nun muss sie das Scheitern ihrer eigenen Klimapolitik im Bundeskabinett quittieren: Dort wird der „Klimaschutzbericht 2017“ verabschiedet, laut dem Deutschland sein CO2-Ziel für 2020 wohl um volle acht Prozentpunkte verfehlen wird. Statt minus 40 Prozent gegenüber 1990 dürften es nur 32 werden.

Demnach sinken die Emissionen „mit den bisher umgesetzten Maßnahmen“ von ursprünglich rund 1250 Millionen Tonnen jährlich nur auf 850 und nicht, wie eigentlich angepeilt, auf 750 Millionen Tonnen. In den beiden früheren Klimaschutzberichten von 2015 und 2016 hatten die Experten des Bundesumweltministeriums die Lücke auf „fünf bis acht“ Prozent taxiert. Mit anderen Worten: Die weniger peinliche Variante, bei der das Ziel „nur“ um fünf Prozent verfehlt wird, ist nicht mehr in Sicht. Nach Einschätzung anderer Experten könnte es aber sogar noch schlimmer kommen. Der Thinktank „Agora Energiewende“ warnte Ende 2017, die Lücke könne sogar volle zehn Prozentpunkte betragen.


neue energie kooperiert für repräsentative Umfragen mit dem Umfrageinstitut Civey. Abstimmen kann jeder, doch berücksichtigt werden nur die Abstimmungen registrierter User. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Alle Informationen zur Methodik finden Sie hier.

Als Gründe für die neue Entwicklung benennt der aktuelle Bericht unter anderem die „unerwartet dynamische Konjunkturentwicklung sowie das unerwartet deutliche Bevölkerungswachstum“. So werde die Einwohnerzahl in Deutschland im Jahr 2020 um eine bis 1,8 Millionen höher liegen als früher angenommen – Stichwort Zuwanderung von Flüchtlingen. Allerdings räumt das Papier auch ein, dass das 2014 von der Regierung aufgelegte „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ nicht die erhoffte Wirkung erreicht hat. Ziel war schon damals, die drohende CO2-Lücke zu schließen. Tatsächlich sind die deutschen CO2-Emissionen bereits seit 2010 nicht mehr gesunken, 2017 war nach vorläufigen Zahlen eine Minderung um rund 28 Prozent erreicht.

Kritik auch aus der Groko

Relativ günstig in der CO2-Bilanz schneiden die Energiewirtschaft und die Industrie ab. Vor allem der Verkehrsbereich verhagelt das Bild. Hier erwarten die Fachbeamten aus dem Umweltministerium, dass die Emissionen 2020 allenfalls minimal unter dem Wert von 1990 liegen. Da der CO2-Ausstoß in den anderen Sektoren zumeist deutlich stärker fällt, steigt der Anteil des Verkehrs an den Gesamtemissionen. Anno 1990 waren es 13 Prozent, 2020 werden es 19 Prozent sein.

Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock attackierte die Große Koalition für ihre Klimabilanz scharf: „Der Bericht dokumentiert den klimapolitischen Stillstand von Union und SPD.“ Umso wichtiger sei es nun, dass klimaschädliche Kohlekraftwerke rasch abgeschaltet werden. Die jüngst eingesetzte Kohlekommission müsse den Bericht als Auftrag sehen, hier zügig zu handeln. Doch auch aus der Groko selbst kam Kritik. Der SPD-Klimapolitiker Frank Schwabe sagte: „Das ist ein politischer Offenbarungseid.“ Der Grund für das Verfehlen des Klimaziels sei aber auch klar. Immer, wenn es konkret wird, werde „gekniffen“ und das Umweltministerium „zurückgepfiffen“. „Aktuell droht sich das Schauspiel bei den EU-weiten CO2-Grenzwerten für Fahrzeuge zu wiederholen“, meinte Schwabe. Deshalb brauche es eine gesetzliche Fixierung der Klimaziele mit entsprechenden Sanktionen beim Verfehlen.

Kommentare (0)

Kommentar verfassen»

Kommentar verfassen

Anzeige
Anzeige