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Klimapolitik

Bundestag beschließt Gesetzesnovellen für mehr Ökostrom

Tim Altegör, 07.07.22
Das Parlament hebt die Ziele für erneuerbare Energien deutlich an, zahlreiche Gesetzesänderungen sollen den Ausbau beschleunigen. Ins „Osterpaket“ der Regierung schreiben die Abgeordneten noch einige neue Passagen – etwa zum Förderende für die Ökostromerzeugung.

Mit den Stimmen der Regierungskoalition hat der Bundestag kurz vor seiner Sommerpause weitreichende Änderungen zum Ausbau erneuerbarer Energien beschlossen. Sie sollen im Wesentlichen zum Jahreswechsel in Kraft treten. In mehreren Punkten hatten die Abgeordneten den Entwurf der Bundesregierung zuvor noch umgeschrieben. Klimaminister Robert Habeck sagte vor der Verabschiedung im Bundestag, die Erarbeitung sei „ein großer Kraftakt und ein notwendiger Kraftakt“ gewesen. „Was wir hier machen, ist Deutschland wieder in eine energiepolitisch sichere Zukunft zu führen.“

Eine Kernaussage der Gesetzesnovellen aus dem sogenannten Osterpaket lautet, dass die Erneuerbaren „im überragenden öffentlichen Interesse“ liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Diese Aufwertung findet sich nun im EEG, sie soll Genehmigungen zum Bau von Anlagen erleichtern.

Deutlich höhere Ausbauziele

Davon werden künftig noch sehr viel mehr nötig, denn die Koalition schraubt die Ausbauziele deutlich hoch. Die installierte Solar-Leistung soll bis 2030 von derzeit knapp 62 auf 215 Gigawatt (GW) ansteigen, damit wird der bisherige Zielwert mehr als verdoppelt. Bis 2040 sollen dann 400 GW erreicht sein. Für Windenergie an Land (aktuell knapp 57 GW) steigt das 2030-Ziel von 71 auf 115 Gigawatt, für 2040 sind 160 GW angesetzt. Auf See soll die Windenergieleistung, die momentan bei rund 7,8 GW liegt, bis 2030 auf 30 (statt 20) und bis 2045 auf 70 GW steigen.

Im Ergebnis soll der Ökostromanteil am Verbrauch bis 2030 auf 80 Prozent klettern. Bislang lag das Ziel bei 65 Prozent, im ersten Halbjahr 2022 waren nach aktuellen Berechnungen 49 Prozent erreicht. Das weiterreichende Ziel, dass ab 2035 die Stromerzeugung in Deutschland „nahezu treibhausgasneutral erfolgen“ soll, haben die Abgeordneten hingegen aus dem Entwurf gestrichen. Der FDP-Politiker Lukas Köhler hatte den Schritt schon im April angekündigt.

Stattdessen findet sich im Gesetz nun die Formulierung, dies werde nach dem Kohleausstieg „angestrebt“, der „idealerweise“ bis 2030 erfolgen soll. Im Kohle-Ausstiegsjahr würde zugleich – auch das eine neue Passage auf Betreiben der FDP – die weitere Förderung erneuerbarer Energien enden. Der Ausbau solle dann „marktgetrieben“ sein. Einen Vorschlag, wie genau das funktionieren könnte, soll die Regierung bis Ende März 2024 präsentieren.

Erleichterungen für Bürgerenergie, kleine Wasserkraft bleibt

In den kommenden Jahren erhalten neue Anlagen aber noch eine Vergütung. Bürgerenergie-Gesellschaften, die Windparks mit bis zu 18 Megawatt oder Solarparks mit bis zu sechs Megawatt Leistung bauen wollen, müssen sich dafür künftig nicht mehr in Ausschreibungen bewerben. Die Rahmenbedingungen solcher Bürgergesellschaften hat das Parlament noch in zwei Punkten vereinfacht: Sie dürfen nun alle drei statt fünf Jahre ein Projekt starten, und statt aus demselben Landkreis muss der Großteil ihrer Mitglieder nun aus einem 50-Kilometer-Radius um die geplanten Anlagen stammen.

Für kleinere Solaranlagen ist die Vergütung nach wie vor im Gesetz festgeschrieben. Die Regierung wollte es finanziell deutlich attraktiver machen, den auf dem eigenen Dach erzeugten Strom komplett ins Netz einzuspeisen, statt ihn teilweise selbst zu nutzen. Die Abgeordneten haben die Gewichtung aber ein Stück weit wieder zurückgeschoben, indem sie die Grundvergütung im Vergleich zum Entwurf erhöht und den Zuschlag für eine Volleinspeisung gesenkt haben.

Abgesagt ist das Förderende für kleine Wasserkraftanlagen unter 500 Kilowatt Leistung aus dem Regierungsentwurf, das Umweltverbände für den Schutz von Gewässern gefordert hatten. Finanziert wird der Erneuerbaren-Ausbau von nun an aus Erlösen der CO2-Bepreisung und aus dem Bundeshaushalt. Die EEG-Umlage auf den Strompreis ist Geschichte – eigentlich wollte die Regierung sie auf Null setzen und in der Hinterhand behalten, doch die FDP setzte die komplette Streichung durch.

Länder müssen Windflächen bereitstellen, Skepsis beim Artenschutz

Umstritten ist, wie die neuen Ausbauziele erreicht werden können und ob die vorgesehenen Maßnahmen dafür reichen werden. Bei der Onshore-Windenergie etwa fehlt es an ausgewiesenen Flächen, zudem ist der Genehmigungsprozess lang und kompliziert. Hierzu hat die Regierung weitere Gesetzesänderungen angekündigt. Zur Flächenfrage schreibt der Bund den Ländern nun Zielwerte vor, die bis 2032 insgesamt zwei Prozent für Windenergie verfügbar machen sollen. Wenn sie diese nicht einhalten können, werden mögliche Abstandsregeln zur Wohnbebauung einkassiert. Ein Zwischenziel hat das Parlament allerdings von 2026 ein Jahr nach hinten verschoben. Zudem dürfen die Länder bis zu 50 Prozent (im Entwurf waren es 35 Prozent) durch Tauschgeschäfte untereinander verschieben.

Auf viel Skepsis aus der Windbranche wie auch aus Umweltverbänden stößt eine Neufassung des Naturschutzgesetzes. Sie soll durch einheitliche Regeln verhindern, dass der Schutz von Vögeln und Fledermäusen rechtlich mit dem Windenergieausbau kollidiert, was momentan zum Stopp vieler Projekte führt. Die neue Regelung sieht Zonen rund um die Brutgebiete von Vogelarten vor, außerhalb derer die Genehmigung von Windparks leichter möglich sein soll. Das Repowering bestehender Windparks durch neue Anlagen soll zusätzlich erleichtert werden, indem betrachtet wird, ob sich durch den Austausch die Situation für den Artenschutz verschlechtert. Zudem sollen Artenhilfsprogramme, in welche auch die Parkbetreiber einzahlen, einen Ausgleich schaffen.

Auch bei der Solarenergie steht die Forderung nach weiteren bürokratischen Erleichterungen im Raum, etwa zur Nutzung von Mieterstrom in Gebäuden und auf Quartiersebene. Bei Offshore-Windparks sind künftig bei der Vergabe von Flächen zusätzliche Kriterien vorgesehen, wie der Anteil von Ökostrom und grünem Wasserstoff bei der Herstellung der Anlagen, das Ausmaß der Belastungen für die Meeresnatur und die Anzahl von Auszubildenden im Unternehmen.

 

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