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EEG-Novelle

Branche bezieht Stellung

Wir haben Akteure aus der Erneuerbaren-Branche (WPD, Naturstrom, MVV Energie, IBC Solar, SMA, Gaia) nach ihrer Meinung zum Referentenentwurf der EEG-Novelle gefragt - und sehr unterschiedliche Antworten erhalten.

Hartmut Brösamle, Vorstand WPD

Der EEG-Referentenentwurf greift zwar einige wichtige Punkte auf, ist insgesamt aber eher mutlos und springt an vielen Stellen zu kurz.

Das im Referentenentwurf bekräftigte Ziel von 65 Prozent Strom aus Erneuerbaren bis 2030 ist zu begrüßen, 100 Prozent Ökostrom bis 2050 sind hingegen wenig ambitioniert. Aber selbst zur sicheren Erreichung dieser Ziele dürften die gemachten Vorschläge nicht ausreichen.

Auch wenn die Ausschreibungsmengen für Wind onshore erhöht wurden, so sind diese immer noch deutlich zu niedrig, um das Ziel von 65 Prozent Strom aus Erneuerbaren bis 2030 zu erreichen. Eine jährliche Ausschreibungsmenge von mindestens fünf Gigawatt (GW) für Wind onshore wäre hier für eine sichere Zielerreichung notwendig. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der angestrebten stärkeren Sektorkopplung und dem dadurch deutlich steigenden Strombedarf. Zu berücksichtigen ist bei der Ausschreibungsmenge auch die hohe Zahl an Anlagen, die in den kommenden Jahren zurückgebaut werden. Dem Referentenentwurf kann diesbezüglich ja entnommen werden, dass offensichtlich mit einem Nettozubau von lediglich 17 GW Wind onshore bis 2030 gerechnet wird. Da kann und muss die Windbranche deutlich mehr beitragen. Wenigstens ist eine regelmäßige Evaluierung des Stromverbrauchs vorgesehen und nicht bezuschlagte Ausschreibungsmengen werden nachgeholt.

Die finanzielle Beteiligung der Kommunen an den Erträgen vor Ort ist hingegen eine Neuerung, die wir seit vielen Jahren fordern und die mit Sicherheit zu einer stark zunehmenden Akzeptanz vor Ort führen wird. Das gewählte Modell mittels einer Zwangsabgabe und insbesondere auch in der vorgeschlagenen Höhe begrüßen wir ausdrücklich. Durch eine Abgabe an die Gemeinde profitieren, zumindest indirekt, wirklich alle Bürger vor Ort und nicht nur einige, die sich an einem Bürgerwindpark beteiligen können.

Ebenfalls zu begrüßen ist die Abschaffung der Netzausbaugebiete sowie die Anreize, Windenergieanlagen auch an windschwächeren Standorten im Süden zu errichten. Dies soll durch die Verlängerung der Referenzertragskurve auf 60 Prozent erreicht werden, der Anstieg des Faktors fällt aber zu niedrig aus, um die Mindererträge zu kompensieren.

Völlig verheerend ist die vorgeschlagene Änderung von Paragraf 51 und der Vergütungswegfall bereits ab 15 Minuten negativer Preise an der Börse. Neben den direkten Auswirkungen in Form von geringeren Jahresvergütungen für Projekte wächst dadurch die Prognoseunsicherheit bei Investoren und Banken und die Stromgestehungskosten werden letztendlich steigen. Das kann auch nicht im Sinne des Gesetzgebers sein. Paragraf 51 sollte deshalb ersatzlos gestrichen und stattdessen mittelfristig ein neues Strommarktdesign entwickelt werden, das dem zunehmenden Anteil von Erneuerbaren mit Grenzkosten Null Rechnung trägt.

Letztendlich entscheidend für den weiteren Ausbau von Wind onshore wird aber sein, dass wieder mehr Genehmigungen erteilt werden. Hierfür bedarf es der Ausweisung von mehr Flächen und eine grundlegende Änderung beim in der Zwischenzeit, auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, völlig überzogenen Artenschutz – weg vom Individuenschutz hin zu einem echten Populationsschutz.

 

Thomas Banning, Vorstandsvorsitzender Naturstrom

Auf halbem Weg steckengeblieben

Ich habe in den letzten Tagen häufig gelesen, der Referentenentwurf zur EEG-Novelle biete „Licht und Schatten“. Hinter dieser Bewertung steckt eine isolierte Sicht auf einzelne Änderungen. Manches sei in Ordnung, anderes eben nicht.

Dem kann ich mich nicht anschließen, denn das ist keine schlüssige Gesamtbewertung. Relevant ist doch: Schafft es die Menschheit, die Erderwärmung wie in Paris vereinbart zu begrenzen? Und ist der Rahmen, den das EEG den erneuerbaren Energien setzt, geeignet, damit wir in Deutschland unseren Teil zu dieser Herkulesaufgabe beitragen können? Gemessen an diesem Anspruch bleibt der Referentenentwurf auf halbem Weg stehen. Was bedeutet: So kommen wir nicht ins Ziel!

Ein grundsätzlicher Mangel sind die viel zu geringen Ausbaupfade, weil sie den zusätzlichen Ökostrombedarf durch die Sektorenkopplung nicht berücksichtigen. Dabei sind schnelle Emissionsreduktionen im Wärme- und Verkehrsbereich hauptsächlich über den Einsatz von Strom zu erreichen. Also beispielsweise über Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen, die mit Ökostrom betrieben werden. Zusätzlich gilt grüner Wasserstoff, der aus Ökostrom gewonnen wird, als Wunderwaffe für die Dekarbonisierung von Industrieprozessen. Vor dieser Entwicklung verschließt das BMWi die Augen und setzt bei der groß angekündigten Wasserstoffstrategie ganz offensichtlich nicht auf Produktion im heimischen Markt. Weshalb hat man im BMWi eigentlich immer offene Ohren für Konzerne, aber verschließt sie, wenn es um die Interessen der mittelständischen Wirtschaft geht?

Vielleicht sagen Sie jetzt: Es sind doch kleine Verbesserungen für Mieterstrom vorgesehen! Eine eigene Vergütungsklasse anstelle der Kopplung des Mieterstromzuschlags an die Vergütung der Photovoltaikanlage ist ein Fortschritt, okay. Und die Bestätigung des Lieferkettenmodells ist zumindest eine nötige Klarstellung.

Aber schon bei der Anschlusslösung für ausgeförderte Solaranlagen wird deutlich, wie halbherzig das BMWi agiert. Warum wird der Eigenverbrauch mit einer saftigen Pönale versehen? Stromspeicher, Wärmepumpe, Elektroauto – die Optimierung des solaren Eigenverbrauchs ist Sektorenkopplung im Kleinstformat. Aber so viel Eigeninitiative scheint dem BMWi unheimlich zu sein. Vielleicht auch, weil sie den Geschäftsinteressen der Energiekonzerne widerspricht, die zu schützen sich das BMWi offensichtlich verschrieben hat. Die sukzessive Absenkung der Ausschreibungsgrenzen für Photovoltaik-Dachanlagen bis runter auf 100 Kilowatt macht dies nur zu deutlich – Eigeninitiative bei Bürgerenergiegesellschaften oder Gewerbebetrieben soll klein gehalten werden. Denn im Ausschreibungsregime ist ausschließlich die Volleinspeisung vorgesehen.

Im Bereich der Windenergie sehen wir zwei weitere Herausforderungen, um die das BMWi einen Bogen schlägt: Erstens ist die Genehmigungslage nach wie vor unzureichend. Wir brauchen deutlich mehr Genehmigungen, die deutlich schneller erteilt werden. Und zweitens ignoriert das BMWi die prekäre Lage der Altanlagen, die ihren EEG-Anspruch verlieren. Und das in Corona-Zeiten, in denen die Strompreise in den Keller gerutscht sind angesichts geringerer Nachfrage. Bei Naturstrom plädieren wir für eine zweijährige Auffang-Vergütung von 3,2 Cent je Kilowattstunde, zu der es abhängig von Anlagenleistung und Standort noch Auf- und Abschläge geben kann. Ohne eine solche Absicherung laufen wir Gefahr, dass bei einem weiteren Einbruch der Terminmarktpreise wie im Frühling durch Corona viele Altanlagen schon bald stillgelegt werden.

Es reicht eben nicht, die Vorschläge zur EEG-Anpassung oberflächlich zu betrachten und dann zu glauben, dass sich das BMWi in manchen Punkten auf den Weg zum Besseren gemacht hat. Wie bei den letzten Novellen geht es darum, massiv regulierend in den Markt einzugreifen, damit sich der Wandel hin zu einer CO2-freien Energieversorgung nicht zu schnell vollzieht. Beim Klimaschutz ist aber ausnahmsweise mal nicht der Weg das Ziel. Es gibt klare Reduktionsziele, die wir in Deutschland erreichen müssen. Wer sie nicht erreicht, erreicht am Ende womöglich – nichts.

 

Georg Müller, Vorstandsvorsitzender MVV Energie

Großer Schritt nach vorne

Mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Referentenentwurf zur EEG-Novelle machen wir bei Wind und Solar einen großen Schritt nach vorne. Das Programm ist eine klare Ansage von Politik und für Politik. Die Bundesregierung macht deutlich, dass das Ziel der Klimaneutralität nur mit erheblich mehr Erneuerbaren erreichbar ist. Die Novelle greift damit auch die ungebrochen breite Unterstützung der Energiewende durch die Bevölkerung auf.

Wir dürfen keine weitere Zeit verlieren, wenn wir unser Ziel, bis 2030 65 Prozent aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, erreichen wollen. Wir laufen auf eine Bundestagswahl zu. Wie lange ist die Große Koalition noch beschlussfähig und beschlusswillig? Und jede nächste Bundesregierung wird ohnehin erneut auf das Gesetz schauen.

Die EEG-Novelle ist ein Angebot der Politik, und das sollten wir nicht zerreden – etwa beim Ausbau der Windenergie an Land. Wir begrüßen, dass bei den Ausschreibungen für neue Windparks die Mengen erhöht und dass Ausbaueinschränkungen im Norden aufgehoben werden – Stichwort: Netzausbaugebiet abgeschafft. Und mit der neuen Südquote und dem dafür angepassten Vergütungsmodell wird nun auch der Ausbau in Süddeutschland, also vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, vorangetrieben.

Zudem sieht der Gesetzentwurf eine unmittelbare Beteiligung der Kommunen am Ertrag der Windenergie vor; das wird für Bewegung sorgen. Gerade in ländlichen Gebieten entstehen damit für Kommunen neue Einnahmequellen, die einiges ermöglichen – die Sanierung einer Schule, einen neuen Kindergarten oder vielleicht ein neues Angebot für Vereine.

Zum allerersten Mal steht im Gesetzentwurf, dass die Nutzung der Erneuerbaren im übergeordneten öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Damit werden die Erneuerbaren bei künftigen Abwägungsentscheidungen in Genehmigungs- und Gerichtsverfahren deutlich gestärkt. Das muss man dann auch mal lobend erwähnen.

Das gilt in ähnlicher Form auch für die Photovoltaik. Natürlich könnte man auch da noch dynamischer sein: Aber die Richtung stimmt – etwa die Verdopplung bei der maximalen Leistungsgrenze von Solarparks oder der Förderkulisse bei bebaubaren Randstreifen. Es ist wichtig und richtig, dass Ausschreibungen für große Aufdach-Anlagen eine eigene Kategorie werden sollen. Sie müssen dann nicht gegen Projekte auf der grünen Wiese antreten, die erheblich günstiger zu realisieren sind. Natürlich wäre eine Solarpflicht für Neubauten wünschenswert. Statt aber jetzt über dieses Instrument lange zu diskutieren, ist es wichtiger, zunächst die niedrig hängenden Früchte zu ernten.

Die Novelle des EEG darf nicht wegen Nachbesserungsbedarfs in Details verschoben wird. Die Blockade bei den Erneuerbaren, die schon eine ganze Weile anhält, müssen wir so schnell wie möglich lösen, um den riesigen Rückstand beim Ausbau aufzuholen. Bloß nicht weiter verzögern und die Novelle des EEG noch in diesem Jahr beschließen: Das ist mein Appell an die Politik.

Gleichzeitig spielt leider die Dekarbonisierung der Wärme immer noch nicht die ihr zukommende Rolle in der politischen Diskussion. Unser Unternehmen hat seit zehn Jahren eine klare Energiewende-Strategie, die neben Strom auch die Wärme einschließt und MVV bis spätestens 2050 insgesamt zu Klimaneutralität führt. Wir machen unsere Hausaufgaben und rufen nicht bei der Politik nach Hilfe. Bisher kümmert sich das EEG aber nur um Strom. Wir brauchen jedoch auch so etwas wie ein Wärme-EEG. Hier muss noch vor der Bundestagswahl eine Initiative erfolgen.

 

Jörg Ebel, Vizepräsident und Leiter Hauptstadtbüro IBC Solar sowie Vorstandsmitglied BSW Solar

Photovoltaikausbau-Behinderungsgesetz

Früher hatte das EEG den Zweck, den Anteil der erneuerbaren Energien zu erhöhen. Davon ist nicht viel geblieben. Allen vollmundigen Verkaufstricks zuwider, zielt der Referentenentwurf auf eine Behinderung und Gängelung der Photovoltaik. In diesem Entwurf ist buchstäblich nichts, was die bestehenden Blockaden wenigstens lockern würde. Im Gegenteil: Durch den geplanten Ausschreibungszwang für Photovoltaik-Dachanlagen ab 500 Kilowatt (kW) würde ein Viertel des deutschen PV-Zubaus vernichtet. 2019 wurden im Segment von 500 bis 750 kW rund 880 Megawatt (MW) Photovoltaik-Dachanlagen gebaut. Diese Dächer werden ab dem 1. Januar leer bleiben, wenn das Bundeswirtschaftsministerium seine Pläne durchzieht. Verheerungen bei den Handwerksbetrieben wären die Folge. Dem Mittelstand würden Möglichkeiten entzogen, sich an der Energiewende zu beteiligen. Die neu geplanten Ausschreibungen für Gebäude-Photovoltaik wären dagegen nur ein Tropfen auf die durch die Klimadürre erhitzten Dachziegel – so, wie sie geplant sind, dürften sie bürokratisch und unterzeichnet sein. Das zeigen auch die Erfahrungen im Nachbarland Frankreich. Dort schafft man die Dach-Photovoltaik-Ausschreibungen gerade wieder ab.

Nicht im Interesse eines beschleunigten Photovoltaikausbaus sind auch die Pläne für die Freiflächen-Photovoltaik. Die vielfach überzeichneten Ausschreibungsmengen sollen nicht nur nicht aufgestockt werden, sondern sogar ab 2022 wieder sinken. Das dürfte auch der Grund sein, warum in dem Entwurf kaum Verbesserungen bei der Flächenkulisse enthalten sind. Die heute kostengünstigste Stromerzeugungstechnologie in Deutschland, die Freiflächen-Photovoltaik, bleibt damit zugleich mit den stärksten Beschränkungen konfrontiert.

Beschränkung ist auch das Leitmotiv beim Eigenverbrauch beziehungsweise Prosuming. Die bindenden Vorgaben der neuen EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II werden ignoriert und der Eigenverbrauch gegängelt und behindert, wo immer das möglich ist. Das treibt die merkwürdigsten Blüten, etwa dann, wenn auf den eigenerzeugten Strom aus einer Post-EEG-Anlage nicht nur alle Abgaben und Umlagen, sondern obendrein auch eine Strafabgabe zu zahlen sein sollen. Statt verbessert wird nur verwässert, wie etwa die Erhöhung der verkorksten Mieterstromzuschüsse (Zubau 2019: Ganze 13,4 MW), die so gering ausfallen, dass sie keine praktische Wirkung entfalten dürften.

Selbst der auf dem Papier geplante künftige PV-Zubaukorridor beträgt nicht einmal die Hälfte dessen, was klima- und energiepolitisch Not täte. Er liegt gerade einmal auf dem Niveau des in diesem Jahr erwarteten PV-Zubauvolumens. In den kommenden Jahren dürfte es durch ungelöste und immer neue Marktbremsen eher rückläufig sein.

Fazit: Der Referentenentwurf zum EEG würde den Zubau der Photovoltaik im Falle seiner Umsetzung massiv behindern. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung deutlich nachbessert.

 

Jürgen Reinert, Vorstandssprecher SMA

Um die nachhaltige und dezentrale Energieversorgung voranzutreiben und die Energiewende nicht nur in Deutschland zu beschleunigen, muss der Ausbau der erneuerbaren Energien schnell und konsequent erfolgen. Dafür bietet die EEG-Novelle jetzt eine hervorragende Chance.

Aus meiner Sicht ist der bislang vorliegende Gesetzesvorschlag jedoch noch ausbaufähig, insbesondere auch, um die für das Jahr 2030 gesteckten Klimaziele und den für das gleiche Jahr angestrebten Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energie am deutschen Strombedarf zu erreichen. Dafür sollte statt auf Abschaltszenarien und Kontrolle viel stärker auf Anreize sowohl für Betreiber langjährig bestehender als auch neuer Solaranlagen gesetzt werden. Regulatorische Hindernisse müssen abgebaut werden. Dazu gehören zum Beispiel eine Umlagebefreiung für Hausdachanlagen unter 30 Kilowatt (kW) und keine verpflichtenden intelligenten Zähler für Anlagen unter sieben kW. Darüber hinaus sollten auch Barrieren entfernt werden, die verhindern, dass selbst erzeugter Solarstrom gebäudeübergreifend genutzt und die Energie zwischen den Sektoren Strom, Wärme, Gebäude und Mobilität verschoben werden kann.

Alle Anlagenbetreiber sollten künftig ihren selbst erzeugten Strom direkt nutzen, speichern und vermarkten können. Anreize zur Einbindung von Speichern und zur Nutzung von intelligenten Energiemanagementsystemen würden dies ebenso unterstützen wie praktikable Konzepte zur Direktvermarktung von Solarstrom. Ich bin davon überzeugt, dass nur ein dezentrales, digital vernetztes System aus erneuerbaren Energien die besten Chancen für Nachhaltigkeit und Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit und Systemoptimierung bietet. Die Verknüpfung von Mobilität, Wärme, Solarstrom, Speichern und intelligentem Systemmanagement kann für eine zukunftstaugliche und sektorenübergreifende Energielandschaft sorgen und Zukunftsmärkte für die deutsche Industrie erschließen.

 

Torsten Szielasko, Geschäftsführer Gaia

Generelle Einschätzung: Der Entwurf zur EEG-Novelle enthält durchaus einige positive Punkte. Allerdings gibt es auch Aspekte, die den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland massiv gefährden würden, sollten sie in der vorgeschlagenen Form umgesetzt werden. Das Problem beginnt bereits bei den Ausbaumengen, die bis 2030 vorgeschlagen werden und sich an den oberen Werten des Klimaschutzprogramms 2030 orientieren. Sie sind zu gering. Ein aufgrund der Versäumnisse der Vergangenheit notwendig gewordener, ambitionierter Aufbruch sieht anders aus.

Zu den Details: Onshore-Ausschreibungen sollen künftig am 1. Februar, 1. Mai und 1. September stattfinden. Zwischen September und Februar entsteht eine sechsmonatige Lücke. In der Praxis werden Genehmigungen zumeist jeweils im zweiten Halbjahr erteilt. Um die Zeit sinnvoll zu nutzen, sollte im vierten Quartal eine weitere Ausschreibung erfolgen.

In Ausschreibungen soll ein neuer Vergütungshöchstwert von 6,2 Cent je Kilowattstunde gelten. Zudem soll die Bundesnetzagentur künftig die Höchstwerte nur noch absenken dürfen. Auch soll es für die Folgejahre eine jährliche Degression geben. Anbieter sollen so dazu gebracht werden, sich schnell an den Ausschreibungen zu beteiligen. Das hilft aber den Auktionsteilnehmern nicht, deren Genehmigungen weiterhin etwa durch Klagen verzögert werden. Je nachdem, wie viele Anbieter sich mit Genehmigungen an den Ausschreibungen beteiligen, sollte es möglich sein, die Degression zu strecken oder auszusetzen.

Der geplante Korrekturfaktor von 1,35 für einen Standort mit einem Gütefaktor von 60 Prozent ist grundsätzlich zu begrüßen. Weniger windreiche Standorte werden unterstützt. Der Korrekturfaktor sollte jedoch auf 1,45 angehoben und eine weitere Kategorie mit einem Gütefaktor von 50 und einem Korrekturfaktor von 1,35 eingeführt werden.

Zur besseren regionalen Verteilung ist geplant, eine „Südquote“ von zunächst 15 Prozent der Ausschreibungsmenge einzuführen. Ab 2024 soll sie auf 20 Prozent angehoben werden. Das ist zu halbherzig. Die „Südquote“ sollte bei 20 Prozent beginnen und bereits ab 2022 auf 25 Prozent angehoben werden, um volle Wirksamkeit zu erzielen.

Weiterhin ist zu begrüßen, dass Fristverlängerungen für die Umsetzung der Projekte leichter möglich werden sollen, auch bei Insolvenz des Herstellers, und dass die Änderung der Genehmigung auf dem gleichen Grundstück sowie Zusatzgebote bei einem Anlagen-Upgrade nach Inbetriebnahme und mehr als 15 Prozent Leistungssteigerung erleichtert werden soll.

Um die Akzeptanz der Windräder vor Ort zu erhöhen, soll es zukünftig eine verpflichtende Abgabe von 0,2 Cent je Kilowattstunde an Kommunen geben, auf deren Gemarkung die Anlagen errichtet werden. Bei Nichterfüllung droht eine Sanktionierung. Günstiger wird es, wenn den Bewohnern der Standortkommune ein Bürgerstromtarif offeriert wird und nachweislich mindestens 80 Verträge nach diesem Modell zustandekommen.

Folgende Kritik ist an diesem Ansatz vorzubringen: Eine Koppelung der Abgabe an den Stromertrag benachteiligt kleinere Windenergieanlagen überproportional. Größere Anlagen weisen ein günstigeres Preis-Leistungs-Verhältnis auf. Da zu erwarten ist, dass die Zuschläge künftig wieder zu niedrigeren Preisen erfolgen, ist eine überproportionale Belastung der Betreiber zu erwarten, falls die Anlagenpreise nicht sinken.

Unklar ist auch wie mit Anlagen verfahren wird, die auf kommunalen Grundstücken stehen und bei denen Betreiber bereits Pacht entrichten

Und was ist mit den Vergütungen für die Benutzung der kommunalen Feldwege, zum Beispiel bei der Kabelverlegung? Was passiert, wenn ein Betreiber entweder durch die Gesellschaftsform, den Firmensitz oder die Finanzierungsart höhere Gewerbesteuern an die Kommune abführt? Werden diese Vergütungen beziehungsweise Zahlungen bei der Abgabe berücksichtigt?

Ein weiteres Manko: Das Modell berücksichtigt nicht die Einwohnerzahl der Kommunen. In einer kleinen Kommune wird es ungleich schwerer mindestens 80 vergünstigte Stromlieferverträge einzusammeln als zum Beispiel in einer Kleinstadt.

Wenn der Anlagenbetreiber nicht zugleich Stromhändler ist, dürften zudem Verwaltungsaufwand und Kosten zunehmen. Und dann gibt es noch Windparks, die aufgrund der einzuhaltenden Abstände oder aus politischen Erwägungen recht nah an der Gemarkungsgrenze zur Nachbarkommune platziert werden. Bei diesen Projekten führt die Infrastruktur (Zuwegung und Kabeltrasse) oft über die Nachbarkommune, deren Bevölkerung auch auf die Anlagen schauen darf. Diese Kommune würde leer ausgehen. Das Modell ist folglich nicht zu Ende gedacht.

Wirklich toxisch ist, dass alle Erneuerbare-Energien-Neuanlagen mit über 100 Kilowatt Leistung zukünftig an den Tagen keine EEG-Vergütung mehr erhalten sollen, an denen der Börsenstrompreis mehr als 15 Minuten negativ ist.

Anlagenbetreiber sollen „eigene Wege“ finden, mit der Situation umzugehen, zum Beispiel indem sie „Anlagentechnik einsetzen, die eine stetigere Stromproduktion ermöglicht“. Das klingt beinahe zynisch angesichts des fluktuierenden Charakters von Wind und Sonne.

Von 2019 auf 2020 gab es schon eine exponentielle Zunahme an Tagen ohne Vergütung. Der Anteil solcher Tage pro Jahr würde nun schätzungsweise von neun  auf über 15 Prozent zunehmen! Als „normaler“ Planer/Betreiber wird man bei dieser Entwicklung keine Finanzierung mehr für neue Erneuerbaren-Anlagen erhalten, weil das Risiko unkalkulierbar wird. Damit könnten sich zukünftig nur noch große Energieversorger Erneuerbare-Energien-Anlagen leisten, da sie diese aus Konzernmitteln finanzieren. Die Bürger-Energiewende findet dann nicht mehr statt.

Nicht vorgesehen sind im Entwurf ein Südbonus, zum Beispiel in Höhe von 0,5 Cent je Kilowattstunde, und eine vernünftige Anschlussförderung für Anlagen, die nächstes Jahr aus der EEG-Vergütung fallen. Es fehlen außerdem eine von der EU akzeptierte Ausnahme von den Ausschreibungen („De-minimis“-Regelung) für Windprojekte bis 18 Megawatt oder sechs Windenergieanlagen und finanzielle Anreize für Speichertechnologien, zum Beispiel ein „Speicher-Cent“.

 

Exkurs zur Forderung einer Nachvergütung für Post-EEG-Anlagen:

Mit Ablauf des Jahres 2020 verlieren alle Windenergieanlagen ihren Vergütungsanspruch nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die bis einschließlich 31. Dezember 2000 installiert wurden. Das betrifft zum 1. Januar2021 eine Gesamtleistung von rund 4000 Megawatt (MW). Bis Ende 2025 folgen jährlich weitere 2300 bis 2400 MW, also insgesamt rund 16 000 MW Leistung.

Diese Anlagen bekommen damit keine feste Einspeisevergütung mehr, sondern müssen sich über „den Markt“ finanzieren. Dazu muss man sich eines Direktvermarkters bedienen, der an den Strombörsen operieren kann. Sah es „vor Corona“ so aus, als würden sich die Strompreise in einem Bereich zwischen 2,5 und 3,5 Cent je Kilowattstunde einpendeln, mit Tendenz nach oben, so hat das Corona-Virus die Entwicklung zunichtegemacht. Aufgrund des Lockdowns und der daraufhin wegbrechenden Nachfrage sind die Strompreise massiv gesunken.

Schaut man sich zudem einmal die aktuellen Aufbauzahlen der Windenergieanlagen in Deutschland an, so war der Zeitraum von Januar bis Juni 2020 das zweitschwächste Ausbau-Halbjahr der vergangenen 15 Jahre.

Bis Ende Juni 2020 wurden bundesweit 186 Windenergieanlagen mit einer Bruttoleistung von 587 Megawatt in Betrieb genommen. Weil aber in diesem Zeitraum auch Anlagen stillgelegt wurden, lag der sogenannte Nettozubau bei 528 Megawatt. Das geht aus den Zahlen der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) hervor. Die Gründe für den zaghaften Zubau sind hinlänglich bekannt: Sie reichen von tierökologischen Anforderungen über langwierige Genehmigungsverfahren, ungeklärte Abstandsvorgaben bis hin zu mehrjährigen Klagen von Naturschutzvereinen und Bürgerinitiativen.

Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, die bestehenden und in der Bevölkerung zumeist akzeptierten Anlagen möglichst lange drehen und CO2-freien Strom produzieren zu lassen. Sonst erleben wir ab 2021 einen negativen Nettozubau.

Ein wirtschaftlicher Betrieb ist aber mit Strompreisen von um die zwei Cent je Kilowattstunde aufgrund der Betriebskosten (Wartung, Service, Versicherungen, Pacht, Steuerberatungskosten etc.) nicht möglich. Verschiedene Ausarbeitungen, unter anderem auch von der FA Wind, kommen zu dem Ergebnis, dass diese Anlagen Preise von vier bis 4,5 Cent je Kilowattstunde benötigen, um wenigstens kostenneutral laufen zu können.

Da 2021 weder eine CO2-Vermeidungskomponte in einem Bereich von mindestens 75 Euro pro Tonne CO2 in Reichweite erscheint noch eine Reform des Systems der Steuern, Abgaben und Umlagen geplant ist, obwohl der Staat bei der Mehrwertsteuersenkung ja auch gezeigt hat, dass er zu schnellen Entscheidungen in der Lage ist, bietet sich als schnelle und praktikable Lösung des Post-EEG-Problems eine Festpreisregelung an.

Hierbei gäbe es zwei Varianten: Betreiber von Windenergieanlagen müssen vor Ablauf ihrer 20-jährigen Betriebsdauer bei einem akkreditierten Ingenieur ein „Weiterbetriebsgutachten“ durchführen lassen, das als Ergebnis aufzeigt, wie lange die Anlage bestenfalls noch laufen kann.

Man könnte also eine über den Energieversorger, wie im EEG gehabt, feste und staatlich garantierte Anschlussvergütung in Höhe von beispielsweise 4,5 Cent je Kilowattstunde an das Ergebnis des Weiterbetriebsgutachtens koppeln.

Oder man ergänzt zu der durch den Strommarkt zu zahlenden Vergütung eine „Free-floating“-Komponente als „ad on“, die die Differenz bis zu einen Betrag von 4,5 Cent je Kilowattstunde ausgleicht – im schlimmsten Fall diesen Preis aber auch garantiert, sollte der Strompreis gegen Null tendieren.

Flankierend sollten die rechtlichen Hemmnisse so beseitigt werden, dass sich der erzeugte Strom auch im Nahbereich um die Anlage vermarkten lässt, was derzeit nicht ohne Weiteres möglich ist. Hierzu sollte der Gesetzgeber den Begriff der „unmittelbaren räumlichen Nähe“ so definieren, dass er größeren Spielraum lässt.

Uns sollte stärker bewusst werden, dass auch Strom einen Wert hat beziehungsweise haben muss und nicht „für lau“ zu haben sein kann. Und insbesondere aus Klimaschutzgründen sollte es uns wert sein, einen Mindestpreis zu zahlen, der den vielen älteren Windenergieanlagen zumindest das Überleben sichert.

Es sind umfangreiche verbindliche Berichtspflichten der Länder zu Flächen, Planungen und Gebietskulissen vorgesehen. Das ist sehr begrüßenswert, um auf Länderebene in die verstärkte politische Diskussion einsteigen zu können und die Aktivitäten der Bundesländer vergleichbarer zu machen.

 

Photovoltaik

Es ist zu begrüßen, dass die Korridorbreite entlang der Autobahnen und Schienenwege bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen von 110 auf 220 Meter verdoppelt werden soll. Ein guter Ansatz ist zudem, dass Anlagen bis 100 Kilowatt (kW) ihren Strom direkt über das EVU vermarkten können. Auch dass die Kategorie der über das EEG geförderten 750-Kilowatt-Anlagen (zunächst) weiterhin erhalten bleiben soll, ist lobenswert. Allerdings lässt sich hier herauslesen, das zukünftig beabsichtigt ist, Anlagen ab 300kW und folgend auch ab 100 kW in das Ausschreibungsverfahren zu überführen.

Andererseits gibt es einen großen Wermutstropfen: Dachanlagen über 500 kW sollen nun ebenfalls in die Ausschreibung. Hierbei ist ein Höchstwert von neun Centje Kilowattstunde angedacht.

Weiterhin misslich ist, dass jede Anlage nach einer Übergangszeit von fünf Jahren mit Smart-Meter-Technik nachgerüstet werden soll. Hier folgt das Bundeswirtschaftsministerium wortwörtlich den Vorschlägen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) (Im Juni 2019 hat der BDEW das Projekt „Redispatch 2.0“ mit dem Ziel gestartet, ein Umsetzungskonzept für die Durchführung von regulierten Netzengpass-Managementmaßnahmen in Deutschland zu erarbeiten.

Hierbei wird vorgeschlagen, dass die ferngesteuerte Reduzierung der Einspeiseleistung bei Photovoltaik-Anlagen über ein Smart-Meter-Gateway verpflichtend erfolgen sollte, wenn das zuständige Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik die Smart-Meter-Systeme zertifiziert hat, die Verpflichtung mit dem regulären Rollout durch den Messstellenbetreiber verknüpft und koordiniert ist und zusätzlich Übergangsfristen für zuvor verbaute Steuerungstechnik in Bestandsanlagen eingeräumt sind).

Das BMWi strebt zudem an, dass es spätestens (!) ab 2027 keine EEG-Vergütung für Neuanlagen mehr geben soll, da sich diese dann über den Markt finanzieren können.

Was fehlt: PV-Anlagen sollten von der Verpflichtung ausgenommen werden, auf selbstverbrauchten Strom EEG-Umlage zu zahlen! Das ist so, als würde man in eigenen Gärten selbstgeerntete Tomaten besteuern. Auch die EU fordert, die EEG-Umlage für Photovoltaik-Anlagen bis 30 kW zu streichen.

 

Für Wind wie Solar ist problematisch, dass in dem Entwurf kein Übergangszeitraum vorgesehen ist, er soll bereits zum 1. Februar 2021 in Kraft treten. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass es Covid-19-bedingt Verwerfungen an der Strompreisbörse gab/gibt und bei Windenergieanlagen Projektlaufzeiten von vier bis acht Jahren eher die Regel als die Ausnahme sind.

Wer eine Genehmigung für eine Windenergieanalage an Land hat, um sich bei den Ausschreibungen einen Zuschlag zu holen und die Anlage dann innerhalb der gesetzlichen Frist zu errichten, hat in der Regel auch schon einen (groben) Finanzierungsplan. Wenn jetzt die Bedingungen verschlechtert werden sollen, führt das zu Verwerfungen, da dann sehr viele Bankfinanzierungen „platzen“ werden.

Fazit für Gaia: Sollte der Entwurf so umgesetzt werden, würde das für unser Unternehmen bedeuten, dass wir uns aus der Entwicklung von eigenen Windenergieprojekten an Land vollständig zurückziehen müssten, zugunsten einer stärkeren Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern aus dem Energieversorgungsbereich. Im Photovoltaik-Bereich müssten wir uns auf die Entwicklung von Dachflächen-Anlagen bis 500 kW und Photovoltaik-Freiflächen-Anlagen bis 750 kW sowie Multi-Megawatt-Anlagen ohne EEG-Vergütung konzentrieren.

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