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Bundesverfassungsgericht

Atom-Sondersteuer ist verfassungswidrig

Michael Hahn, 07.06.17
Erfolg für die deutschen Atomkonzerne: Die Brennelementesteuer verstößt gegen das Grundgesetz. Den Unternehmen winken Rückzahlungen in Milliardenhöhe. Der BUND fordert, das Geld zur Abdeckung der Atom-Folgekosten zu nutzen.

Den deutschen Atomkonzernen winkt eine Entschädigung in Milliardenhöhe: Das Bundesverfassungsgericht hat die sogenannte Kernbrennstoffsteuer – auch Brennelementesteuer genannt – heute (7. Juni) für verfassungswidrig erklärt. Sie sei unvereinbar mit dem Grundgesetz.

„Außerhalb der durch das Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzordnung haben Bund und Länder kein Steuererfindungsrecht. Da sich die Kernbrennstoffsteuer nicht dem Typus der Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 106 GG zuordnen lässt, fehlte dem Bundesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass des Kernbrennstoffsteuergesetzes“, begründeten die Karlsruher Richter ihre Entscheidung. Das Gesetz wurde deshalb rückwirkend für nichtig erklärt.

„Schallende Ohrfeige für die schwarz-gelbe Vorgängerregierung.“

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nannte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Medienberichten zufolge eine „schallende Ohrfeige für die schwarz-gelbe Vorgängerregierung.“ Sie sei das Ergebnis des Chaos, das Union und FDP in der Atompolitik angerichtet haben. Die Parteien hätten die Brennelementesteuer eingeführt, um damit die gleichzeitig beschlossenen Laufzeitverlängerungen für die Atomkraftwerke gesellschaftlich akzeptabler zu machen, sagte Hendricks.

Die Steuer wurde 2010 beschlossen und von 2011 bis 2016 auf alle Kernbrennstoffe erhoben, die zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wurden. Die Einnahmen daraus betrugen für den Bundeshaushalt in den Jahren 2011 bis 2016 insgesamt 6,285 Milliarden Euro, teilte das Bundesverfassungsgericht mit.

Die betroffenen Konzerne RWE, Eon und EnBW hoffen jetzt, diese Milliarden zurück zu erhalten. RWE erklärte, seit 2011 rund 1,7 Milliarden Euro Brennelementesteuer gezahlt zu haben. Die Atomkonzerne sahen sich durch die zusätzliche Abgabe gegenüber anderen Stromerzeugern benachteiligt und gingen schon seit Jahren juristisch dagegen vor – letztlich mit Erfolg.

Bundesregierung Fehler vorgeworfen

Erst im März hatte sich die Bundesregierung mit EnBW, Eon, RWE und Vattenfall auf eine milliardenschwere Einigung zum atomaren Abfall aus den Kraftwerken der Energieversorger verständigt. Bereits vor rund einem Jahr war in einer eigens einberufenen Expertenkommission eine Grundsatzentscheidung getroffen und später auch vom Parlament verabschiedet worden, wonach die Konzerne ab Juli dieses Jahres rund 24 Milliarden Euro in einen Fonds für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls einzahlen müssen. Für den Kraftwerks-Rückbau und die Verpackung des radioaktiven Mülls bleiben RWE, Vattenfall und Co verantwortlich.

Den Rückzug aller Klagen der Konzerne – wie etwa gegen die Brennelementesteuer – konnte die Bundesregierung bei den anschließenden Verhandlungen aber nicht durchsetzen. „Die Karlsruher Entscheidung bringt die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Kraftwerksbetreibern bezüglich der Folgekosten der Atomenergie ins Wanken“, kommentierte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Bundesregierung habe einen Fehler gemacht, den Deal um die Folgekosten nicht an die gegen den Staat anhängigen Klagen zu koppeln. „Wenn die Betreiber jetzt sechs Milliarden Euro zurückverlangen, muss die Einzahlungssumme für den öffentlich-rechtlichen Fonds zur Abdeckung der Folgekosten der Atomenergienutzung um mindestens diese Summe erhöht werden“, so Weiger.

Kommentare (1)

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  • 08.06.17 - 13:05, Norbert Kröger

    Wenn Politiker sich in die Wirtschaft, per Gesetze, einmischen ist selten was vernünftiges zu erwarten. Die Lobby Arbeit hat sich für die Energieversorger mal wieder gelohnt.

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