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Hambacher Wald

Am Ende entscheiden Gerichte

Tim Altegör, 08.10.18
Nach wochenlangem Konflikt um die Abholzung des Hambacher Waldes muss der RWE-Konzern fürs Erste nachgeben. Umweltschützer sind mehrmals vor Gericht erfolgreich, zehntausende demonstrieren schließlich vor Ort für den Kohleausstieg.

Zum Schluss überstürzten sich die Ereignisse am Hambacher Wald noch einmal. Das Waldstück im rheinischen Tagebau-Gebiet ist innerhalb kurzer Zeit zum bundesweiten Symbol geworden für den Konflikt um die Kohleverstromung. Aktivisten hatten seit Jahren Teile des Gebiets besetzt, das der Kohlekonzern RWE roden will. Mitte September gab die Landesregierung in NRW dann die Order, die Baumhäuser der Klimaschützer zu räumen – mit Verweis auf fehlenden Brandschutz. Zwischenzeitlich unterbrach die Polizei nach dem tödlichen Unfall eines Journalisten den Einsatz. RWE-Chef Rolf Schmitz bestand jedoch öffentlich darauf, den Wald abzuholzen.

Am 5. Oktober hieß es dann aber doch: Kommando zurück. Da hatte das Oberverwaltungsgericht von Nordrhein-Westfalen einem Eilantrag des Umweltverbands BUND Recht gegeben. Das Gericht verhängte einen Rodungsstopp, bis über eine Klage des BUND gegen den sogenannten Hauptbetriebsplan entschieden ist. RWE und die zuständige Bezirksregierung in Arnsberg hätten nicht belegen können, „dass die sofortige Rodung zur Abwehr einer schwerwiegenden konkreten Gefahr oder als unaufschiebbare Maßnahme im Interesse des Gemeinwohls notwendig sei, weil anderenfalls die Energieversorgung bundes- oder landesweit nicht mehr gewährleistet wäre“, so die Richter. Sie dürften daher nicht „vollendete Tatsachen“ schaffen, bevor das Urteil gefällt sei. Laut RWE kann dies bis Ende 2020 dauern. Der wirtschaftliche Schaden für das Unternehmen belaufe sich nach ersten Berechnungen ab 2019 jährlich auf einen niedrigen dreistelligen Millionen-Betrag.

Auch die Demo findet letztlich statt

Die zwingende Notwendigkeit für die Energieversorgung war das Hauptargument von RWE für den sofortigen Abbau der Kohle unter dem Wald. Für Kritik sorgte vor allem, dass der Konzern damit Fakten schaffen wollte, während in Berlin eine Kommission bis Ende des Jahres den Kohleausstieg planen soll. Viele gesellschaftliche Gruppen forderten daher zu warten, bis Ergebnisse vorliegen, darunter die Gewerkschaft Verdi in NRW und die Evangelische Kirche. Eine entsprechende Petition der Nichtregierungsorganisation Campact unterzeichneten bislang (Stand 8. Oktober) mehr als 820 000 Menschen. Der BUND und Campact waren auch beteiligt an der zweiten juristischen Schlappe der Landesregierung von NRW, die für die Rodung eintritt.

Ein Bündnis von Umweltorganisationen hatte für den 6. Oktober eine Demonstration am Wald angemeldet, die das Polizeipräsidium in Aachen jedoch untersagte. Der Geschäftsleiter des BUND in Nordrhein-Westfalen, Dirk Jansen, bezeichnete den Vorgang als „massiven Anschlag auf die Demonstrationsfreiheit“, den er in 30 Jahren Umweltbewegung noch nicht erlebt habe. Die Veranstalter gingen gegen das Verbot vor – und bekamen Recht. Nach ihren Angaben demonstrierten letztlich 50 000 Menschen für einen Kohleausstieg.

Nachschlagewerk für die Kommission

Für die Ausstiegskommission in Berlin, die offiziell auf den Namen „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ hört, gibt es derweil eine neue Hilfestellung. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und das Ecologic Institut haben gemeinsam einen ausführlichen „Kohle-Reader“ veröffentlicht. Er soll alle wichtigen Forschungsergebnisse zum Kohlestrom in Deutschland zusammenfassen und richtet sich ausdrücklich auch an die Kommissionsmitglieder. Das Ziel sei „wissenschaftlich und neutral über die Faktenlage eines Kohleausstiegs zu informieren“, sagte DIW-Expertin Claudia Kemfert zur Präsentation des Readers. Er beleuchtet unter anderem das verfügbare Emissionsbudget und den Strukturwandel in Kohleregionen. Mit Empfehlungen halten sich die Autoren zurück, ein klares Fazit ziehen sie aber doch: Der Kohleausstieg sei „klimapolitisch notwendig, energiewirtschaftlich sinnvoll sowie technisch und wirtschaftlich machbar“.


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