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Japan

Kohleausstieg light

Joachim Wille, 07.07.20
Beim Klimaschutz hält sich die japanische Regierung bislang zurück, jetzt will sie zumindest alte, ineffiziente Kohlekraftwerke stilllegen. Für den Ausgleich soll etwas mehr Ökostrom sorgen – und das Hochfahren abgeschalteter Atommeiler. Doch dagegen gibt es Widerstand.

Japans Klimapolitik steht seit Jahren international in der Kritik. Auf der letzten UN-Klimakonferenz im Dezember in Madrid bekam Tokio denn auch gleich zweimal von einer Umwelt-NGO den Spottpreis „Fossil des Tages“ verliehen. Jetzt allerdings bewegt sich die Regierung des Landes  etwas. Bis zu 100 alte, besonders ineffiziente Kohlekraftwerke mit  hohem CO2-Ausstoß sollen bis 2030 stillgelegt  oder zumindest eingemottet werden. Erneuerbare Energien und Atomkraft sollen einen größeren Anteil als bisher in der Stromversorgung übernehmen.

Derzeit deckt die Kohle in Japan rund ein Drittel des Stromverbrauchs, Erdgas trägt rund 38 Prozent  bei, die Kernenergie sechs Prozent. Japan hatte die Kohle- und Erdgasnutzung nach dem Super-Gau von Fukushima im Jahr 2011 deutlich gesteigert. Damals waren alle AKW zur Sicherheitsüberprüfung vom Netz genommen worden. Inzwischen sind neun der insgesamt 48 noch betriebsfähigen Reaktoren wieder am Netz.

Kommission soll Abschaltplan erarbeiten

Ein kompletter Ausstieg aus der Kohleverstromung, wie ihn Deutschland jüngst beschlossen hat, ist in Japan derzeit nicht geplant. Das Land hat 140 Kohlekraftwerke am Netz. Weitere 16 sind im Bau, deren geplante Laufzeit beträgt mehrere Jahrzehnte. Von den 114 Kohlemeilern, die vor 1995 in Betrieb genommen wurden, haben etwa 100 einen besonders niedrigen Wirkungsgrad. Für sie strebt Tokio die Abschaltung an. Den Plan dafür soll eine Regierungskommission erarbeiten, die in diesem Monat eingesetzt wird. Das kündigte Industrieminister Hiroshi Kajiyama  an. Man werde den CO2-Ausstoß spürbar senken, Kohle werde aber eine wichtige Energiequelle bleiben, sagte er auf einer Pressekonferenz.

Der Anteil der fossilen Energieträger insgesamt am Strommix soll in Japan bis 2030 von derzeit 77 auf 56 Prozent sinken. Zum Vergleich: In Deutschland sollen es dann noch 35 Prozent sein. Tokio will speziell den Kohleanteil von 32 Prozent (Stand 2018) auf 26 Prozent senken. Umgekehrt soll der Ökostrom zunehmen, von 17 auf 22 bis 24 Prozent. Teil des Energieplans ist es freilich auch, weitere der derzeit noch abgeschalteten AKW wieder ans Netz zu nehmen. Ob Tokio das so umsetzen kann, ist fraglich. Der Widerstand gegen das Hochfahren der Reaktoren in den betroffenen Regionen ist groß, seitdem es im März 2011 im AKW Fukushima-Daiichi zur Kernschmelze kam. Die jeweiligen Regionalparlamente müssen ihre Zustimmung erteilen.

Mehr Ökostrom wäre möglich

Japans Umweltminister Shinjiro Koizumi sagte, die Kohlepläne seien ein großer Schritt auf dem Weg Japans in eine kohlenstofffreie Zukunft. Der 39-Jährige gilt als Verfechter eines schnelleren Kohleausstiegs. Er konnte sich kabinettsintern jedoch nicht durchsetzen. Umweltorganisationen lobten den angekündigten Schritt, forderten aber mehr Konsequenz. Hanna Hakko von Greenpeace Japan sprach von einem Wendepunkt in der Klima- und Energie-Debatte, auf den aber die Abschaltung aller Kohlemeiler und der Verzicht auf Neubauten folgen müssten. Kimiko Hirata von der kohlekritischen NGO „Kiko Network“ sagte, dies sei ein wichtiger Schritt, „aber noch völlig unzureichend“.

Spielraum in der Energiepolitik gäbe es. Tatsächlich könnte der Anteil der Ökoenergien an der Stromerzeugung in Japan deutlich schneller steigen als von der Regierung geplant. Bis 2030 seien mindestens 40 statt bloß rund 23 Prozent möglich, zeigte  im vorigen Jahr eine deutsch-japanische Studie der Thinktanks Agora Energiewende (Berlin) und Renewable Energy Institute (Tokio).

 

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