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Smog in China

Bringt Umweltdoku die klimapolitische Wende?

Jürgen Heup, 06.03.15
Die chinesische Journalistin Chai Jing hat einen Film über die katastrophale Umweltverschmutzung in China gedreht. Im Internet löste sie damit einen wahren Sturm aus. Über 200 Millionen Menschen haben sich den Film bereits angesehen.

Ein kleines sechsjähriges chinesisches Mädchen wird gefragt, ob es jemals weiße Wolken oder die Sterne gesehen habe. Seine Antwort lautet: „Nein“. Es ist eine Szene aus dem Dokumentarfilm „Qiong Ding Zhi Xia“, mit der die chinesische Journalistin Chai Jing auf Umweltzerstörung, Luftverschmutzung und  Klimawandel in ihrem Land aufmerksam macht. Durch Kohlekraftwerke und Straßenverkehr verschlimmert sich die Smog-Situation in China immer mehr.

Jings Film stieß im Internet auf enorme Resonanz. Am 1. März hochgeladen, hatte die sehr emotionale Dokumentation bereits nach fünf Tagen über 200 Millionen Menschen erreicht. „Unter der Glocke“, wie der Filmtitel übersetzt heißt, spielt auf die amerikanische Serie „Under the dome“ an, in der die Bewohner einer Kleinstadt durch eine Glaskuppel vom Rest der Welt abgeschnitten sind.

Für Jing hat der Smog über den chinesischen Großstädten einen vergleichbaren Effekt. „Wir hatten im Jahr 2014 in Peking 175 Tage mit so hoher Luftverschmutzung, dass ich mein Kind nicht nach draußen lassen konnte“, sagt sie in ihrem Film. Die populäre Fernsehreporterin und Moderatorin des Staatssenders CCTV war vor anderthalb Jahren Mutter geworden und fragte sich angesichts der Geburt ihres Kindes, in welcher Welt es aufwachsen müsse.

Bislang hält sich die Zensur zurück

Jings Film wirft über zwei Stunden einen umfassenden Blick auf die Umweltsituation in China. Er zeigt überraschend schonungslos, wie hoch die Konzentration an krebserregenden Luftpartikeln ist und kritisiert offen die Verschmutzung durch die Industrie und den laxen Umgang mit Umweltstandards.

Die Medien registrieren verwundert, dass die chinesische Zensur den Film noch nicht verboten hat. Umweltschutz sei in China Staatsdoktrin, erklärt sich der Zeit-Journalist Felix Lee dieses Phänomen. Seitdem der chinesische Premierminister Li Keqiang insbesondere die Bekämpfung der Luftverschmutzung zur Chefsache erklärt habe, gehöre es auch für Prominente und Politiker zum guten Ton, sich öffentlich für den Schutz der Umwelt auszusprechen. Für zu viel Wirbel dürfe das Umwelt-Engagement allerdings nicht sorgen. Das ist bei Jings Dokumentation jedoch der Fall. Es gibt sogar schon Spekulationen, dass der Film ein endgültiges Umdenken Chinas in der Klimapolitik bewirken könnte.

Eine ausführliche Berichterstattung über die ökologische und ökonomische Situation Chinas finden Sie in der aktuellen Print-Ausgabe von neue energie.

 

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