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Paris-Abkommen

USA drohen Klimaziel zu verfehlen

Tim Altegör, 29.09.16
Eine Studie nährt Zweifel an der Wirksamkeit des Pariser Klimavertrags. Die Forscher haben errechnet: Ohne zusätzliche politische Maßnahmen verpassen die USA ihr selbst gestecktes Emissionsziel für 2025. Auch in Deutschland gibt es deutliche Kritik an der mangelnden Umsetzung der Beschlüsse.

Es scheint nur noch eine Frage von Tagen: Zehn Monate nach den Klimaverhandlungen von Paris rückt der Moment nahe, in dem das damals erzielte Abkommen tatsächlich in Kraft tritt. 55 Staaten müssen es dafür ratifizieren, ihm also formell beitreten, die für mindestens 55 Prozent der weltweiten Treibhausgase verantwortlich sind. Mit dem angekündigten Beitritt Indiens am 2. Oktober dürfte diese Schwelle erreicht sein. Die beiden größten CO2-Erzeuger, China und die USA, sind bereits an Bord. Deutschland hat ebenfalls ratifiziert, allerdings ziert sich die EU noch. Die Umweltminister der Mitgliedstaaten haben das Thema für ihre Sitzung am 30. September auf der Tagesordnung.

Die Unterschrift unter den Vertrag ist das eine, die Umsetzung das andere. US-Forscher melden jetzt Zweifel an, ob die Vereinigten Staaten ihre selbstgesteckten Klima-Ziele erreichen werden. Für den Pariser Vertrag haben die Länder sogenannte INDCs eingereicht, Absichtserklärungen für nationale Emissionssenkungen. Der INDC der USA sieht vor, die Treibhausgas-Emissionen bis 2025 um 26 bis 28 Prozent im Vergleich zu 2005 zu senken. Das ist ohnehin nicht übermäßig ambitioniert, wie beispielsweise der Climate Action Tracker verschiedener Klimaforschungsorganisationen deutlich macht. Insgesamt gehen Experten davon aus, dass die INDCs nicht ausreichend sind, um die anvisierte Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu beschränken.

In einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Artikel im Fachmagazin Nature Climate Change kommen die beiden Energieforscher Jeffery Greenblatt und Max Wei nun zu dem Schluss: Nach derzeitigem Stand ist es sogar unwahrscheinlich, dass die USA überhaupt ihr offizielles Ziel einhalten können. Zum einen haben Greenblatt und Wei die angenommenen Emissionswerte überprüft, ausgehend vom Basisjahr 2005. Unter anderem rechnen sie mit höheren Methanemissionen. Methan wird vor allem in der Tierhaltung und bei der Förderung von Kohle und Gas freigesetzt. Letztlich geht die Studie von einem sehr hohen Unsicherheitsfaktor aus, was die tatsächlichen Werte angeht. Für 2005 liegt er demnach zwischen 6,3 und 7,4 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten.

Deutschland mit ähnlichen Problemen

Zum anderen haben die Wissenschaftler politische Maßnahmen zur Senkung der Emissionen in drei Kategorien eingeteilt: Zum Stand Ende 2015 bereits beschlossene, vorgelegte und zumindest angekündigte. Beispielsweise fällt der Clean Power Plan der Obama-Regierung, der Kraftwerksemissionen beschränken soll, unter die erste Kategorie, eine ambitioniertere, ursprünglich geplante Version der Verordnung dagegen unter die dritte. Rechnet man alle Maßnahmen zusammen, könnte das Klimaschutzziel laut der Studie knapp erreicht werden – allerdings schwankt das Ergebnis zwischen 356 Millionen Tonnen CO2 unterhalb und 924 Millionen Tonnen oberhalb des Zielwerts. Allein mit den wirklich beschlossenen Maßnahmen wird er demnach in jedem Fall deutlich verfehlt: um bis zu 24,4 Prozent.

„Die Studie legt den Finger am Beispiel USA in die Wunde: Obwohl das Pariser Abkommen ein Meilenstein der Klimadiplomatie ist, klafft zwischen den Reduktionsansprüchen und deren Umsetzung noch eine große Lücke“, kommentiert Brigitte Knopf vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin die Ergebnisse. Auch Deutschland habe Schwierigkeiten, seine Klimaschutzziele für 2020 einzuhalten, und brauche vor allem „einen glaubwürdigen Fahrplan für den Kohleausstieg“. Derzeit stimmt die Bundesregierung den Klimaschutzplan 2050 unter den Ressorts ab. Umweltverbände kritisieren den offiziellen Entwurf jedoch scharf. Er werde „dem Auftrag nicht gerecht, das Klimaabkommen von Paris umzusetzen“, schreiben BUND, Nabu, Greenpeace und WWF in einem gemeinsamen Brief an Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Gabriel vom 26. September, in dem sie ihren Boykott einer Anhörung zum Klimaschutzplan begründen. Unter anderem sei ein Ende der Kohleverstromung bis spätestens 2035 erforderlich.

Auch Greenblatt und Wei schließen mit einer Reihe von Vorschlägen, wie die voraussichtliche Lücke in den USA geschlossen werden könnte, etwa einem schnellen Abschalten von Kohle- und Gaskraftwerken. Allerdings ist derzeit nicht einmal der abgeschwächte Clean Power Plan sicher, dem sie mit Abstand das bislang höchste Potenzial zur Emissionsminderung zuschreiben. Der Oberste Gerichtshof hat dessen Umsetzung zunächst gestoppt, zudem handelt es sich um eine Verordnung, die am Parlament vorbei durch die Umweltbehörde EPA umgesetzt werden soll. Vielen Republikanern ist die umtriebige Behörde, die sich im Wesentlichen auf ihre Kompetenzen durch den Clean Air Act zur Luftreinhaltung beruft, ein Dorn im Auge. Mit dem bevorstehenden Wechsel im Weißen Haus könnte die EPA – je nach Wahlausgang – auf einen neuen Kurs einschwenken.

 

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