tensweisen und Kampagnen durch ausländische Akteure in den Medien“ eine Rolle. Besonders schwer wiegen die diesjährigen Wahlentscheidungen zudem, weil sie den Zeit- raum klimapolitisch prägen werden, der unter Experten gemeinhin als entscheidend für wirk- samen Klimaschutz gilt. Soll die Erderwärmung entsprechend des Pariser Klimavertrags auf unter zwei Grad begrenzt werden, müssen die klima- schädlichen Emissionen nahezu halbiert werden. Dafür ist es nötig, dass die Weltgemeinschaft den Verbrauch von fossilen Brennstoffen mög- lichst schnell reduziert. Der UNEP-„Production Gap Report“ von 2023 zeigt jedoch auf, dass die Länder mit den größten fossilen Vorkommen die Förderung von Kohle, Öl und Gas weiterhin ausweiten wollen. Laut dem Bericht ist geplant, doppelt so viele fossile Brennstoffe zu fördern, wie mit dem 1,5-Grad-Ziel zu vereinbaren wäre. Andererseits erlebt der Ausbau erneuerbarer Energien in den zurückliegenden Jahren in vie- len Weltregionen einen deutlichen Schub. Ange- sichts der vielerorts neu geschaffenen Rahmen- bedingungen sind in der Klimaschutz-Bran- che tätige Unternehmen zudem so optimistisch wie selten zuvor – zumindest was die künftigen Marktpotenziale angeht. Besonders Europa (mit dem Green Deal) und die USA (mit dem Inflation Reduction Act, kurz: IRA) haben Rahmenbedingungen abge- steckt, die nicht zuletzt den Anlagenherstellern der westlichen Hemisphäre Auftrieb geben sol- len. Neben der Einlösung eines Klimaschutz-Im- perativs zur Existenzsicherung künftiger Genera- tionen, der immer erstrebenswerter werdenden Unabhängigkeit von Energieimporten (Ukraine- Krieg) und fragilen globalen Lieferketten, sol- len – in Abgrenzung zur asiatischen Konkurrenz – funktionierende Heimatmärkte als Schaufenster einer vitalen F&E-Dynamik erhalten wie auch neu geschaffen werden. Insbesondere die USA können dafür Milliarden Dollar bereitstellen, während in der EU die Mitgliedstaaten um die Verwendung der – auch im Vergleich zu China – deutlich knapperen Mittel teils erbittert ringen. Es ist zu einem erheblichen Teil dieser öko- nomische Konflikt zwischen der EU, den USA und China einerseits, sowie andererseits der un- einheitlichen Positionen der EU-Länder, der die Sorgen um den erwarteten Rechtsruck in den be- vorstehenden Wahlen wachsen lässt. Angesichts mittel- bis langfristiger Investitionszyklen benö- tigen Forschung und Wirtschaft einen stabilen Regulierungsrahmen mit entsprechenden För- derzusagen, die von künftigen Regierungen gera- de bei Klimaschutz-Belangen nicht mehr infrage gestellt werden dürfen. Sonst droht eine Rück- kehr zu jenen nicht allzu fernen Tagen, in denen die Energiewende in allen ihren Bereichen stän- digen politischen Blockaden ausgesetzt war. Im Interview spricht Jutta Paulus, die bei den EU-Wahlen im Juni als deutsche Spitzenkan- didatin der Grünen gilt, über die Risiken eines Rechts-Drifts – gerade was die Rolle der etablier- ten, ehemals großen Volksparteien betrifft (siehe Seite 18): „Ein neues EU-Parlament könnte die Erneuerbaren-Ziele zurücknehmen oder den aus- geweiteten Emissionshandel auflockern, mit kos- tenfreien Zuteilungen von CO2-Emissionszerti- fikaten für die deutsche Industrie.“ Vom Vorsit- zenden der Europäischen Volkspartei Manfred Weber, in Personalunion auch Vize-Chef der deutschen CSU, sieht sie in diesem Zusammen- hang erhebliche Risiken ausgehen, da er für das nächste EU-Parlament eine rechtskonservative Mehrheit anstrebt. Faktenfrei und unterkomplex Dass der international zunehmende politische Rechts-Trend erhebliche Gefahren (nicht nur) für die Klimaschutzpolitik mit sich bringt, wur- de mittlerweile hinlänglich in den Medien wie auch seitens der Sozial- und Politikwissenschaft beschrieben (neue energie 02/2023). Klar erkenn- bar ist dabei der Wandel der Debatten um die Gründe und das Ausmaß des Klimawandels. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts meldeten sich international agierende Fossil- Konzerne mit Studien zu Wort, die unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit versuch- ten, die sich abzeichnenden Probleme (Waldster- ben, Ozon-Loch, Erderwärmung) zu relativeren und zu negieren. Das Thema wurde ins Reich des Experten-Streits verschoben, zu sperrig für die Meinungsbildung der breiten Öffentlichkeit. Das half der Fossil-Lobby über Jahrzehnte hin- weg, die internationale Wirtschafts- und Ener- giepolitik zu dominieren. In jüngerer Zeit bedienen sich Polit-Akteu- re gröberer rhetorischer Mittel – und fahren da- bei Wahlerfolge ein. Prominentestes Extrembei- spiel mag Donald Trump sein, der mit lautstark wiederholten, faktenfreien Falsch-Behauptun- gen in Verbindung mit der verbalen Herabwür- digung und Bedrohung anders Denkender 2017 US-Präsident werden konnte. Unter ihm hatten s a m o h T l a c s a P : n o i t a r t s u l l I ENERGIEPOLITIK _Titel Analyse neue energie 03/2024 11