Anzeige
Was sagt die Politik?

Die Welt setzt auf Erneuerbare – nur Deutschland nicht (mehr)

Gastbeitrag von Oliver Krischer, 30.11.18
… meint der Grünen-Politiker Oliver Krischer anlässlich des heute (30. November) im Bundestag verabschiedeten Energiesammelgesetzes.*

Überall auf der Welt boomen die erneuerbaren Energien. Rund 250 Milliarden US-Dollar fließen jährlich in den Bau neuer Ökostrom-Anlagen. Mehr als die Hälfte aller neuen Kraftwerksleistung entfällt auf Sonne, Wind & Co. Der Grund für diesen Aufschwung liegt auf der Hand: Strom aus Wind und Sonne kostet weniger als Strom aus neuen fossilen oder gar nuklearen Kraftwerken. Dieser Durchbruch wäre kaum denkbar ohne das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Erst die über die kostengerechte Vergütung geförderte Markteinführung hat die Kosten purzeln lassen und andere Länder dazu ermutigt, ebenfalls auf die Erneuerbaren zu setzen. Klaus Töpfer, der gerade seinen 80. Geburtstag feiert, bezeichnete das EEG einmal als größten Beitrag Deutschlands für eine nachhaltige Entwicklung der Welt.

Deutschland verliert den Anschluss

Umso verrückter ist, dass die Regierung des Landes, das die Entwicklung der erneuerbaren Energien mit ermöglicht und auch finanziert hat, schon länger und derzeit besonders mit beiden Beinen auf der Bremse steht. Schaut man auf die deutsche Energiepolitik wird deutlich, dass in der Merkel-Regierung aus Union und SPD die Uhren ganz anders ticken. Von Erneuerbaren-Boom kann jedenfalls keine Rede sein. Die Solar- und die Biogasbranche sind regelrecht niedergeknüppelt worden mit immer neuen Vergütungskürzungen und – schlimmer noch – der unnützen Belastung mit der EEG-Umlage auf Eigenstrom. Der Zubau beim Biogas ist minimal und der jährliche Solar-Ausbau dümpelte zeitweise selbst unterhalb der gemessen an den Klimaschutzzielen viel zu niedrigen 2000-Megawatt-Marke dahin. Auch der vielleicht gut gemeinte Versuch, das Tor zum Mieterstrom zu öffnen, ist im Dickicht der GroKo-Bürokratie völlig versandet. Beschäftigte in der Solarindustrie, Projektierer und Handwerker werden arbeitslos, Unternehmen geben auf, Deutschland koppelt sich vom Solarmarkt ab.

Auch der Windenergie stehen schwierige Zeiten bevor. Nach den guten Jahren droht der Ausbau an Land wegen des Pfuschs bei den Ausschreibungen und der Unklarheit über den weiteren Ausbaupfad zusammenzubrechen. Die letzte Ausschreibungsrunde erbrachte gerade noch die Hälfte der ausgeschriebenen Leistung, die Branche befürchtet ein Absinken des Ausbaus auf unter 2000 Megawatt jährlich. Weitere Entlassungen und Betriebsschließungen sind dann programmiert. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, die Regierung und die sie tragenden Parteien wollen die Erneuerbaren-Branche aus dem Land treiben.

Keine 65 Prozent, nirgends

Es gäbe also jede Menge Arbeit für den Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier, wenn er ein Interesse an der Energiewende und der sie tragenden Erneuerbaren-Branche hätte. Erst recht nachdem die neu aufgelegte schwarz-rote Koalition Sonderausschreibungen für Wind und PV-Freiflächenanlagen vereinbart und das Ökostromziel für 2030 auf immerhin 65 Prozent angehoben hat. Für einen Moment kam die Hoffnung auf, die neue Bundesregierung würde sich endlich wieder um den Ausbau erneuerbarer Energien kümmern.

Doch dann kam das „Energiesammelgesetz“. Geht man die vielen Paragraphen durch, erkennt man sofort, dass hier der Name das Programm ist. In dem Gesetz wird wenig gestaltet und so gut wie nichts geheilt. Einziger Pluspunkt: Die Sonderausschreibungen sind jetzt endlich auf den Weg gebracht. Aber sie kommen zu spät, um, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, zur Erreichung der Erneuerbaren- und Klimaziele für das Jahr 2020 beizutragen. Und ob im nächsten Jahr bereits ausreichend Wind-Projekte an den Start gehen können, ist angesichts des engen Zeitplans mehr als fraglich. Es fehlt mittlerweile an genehmigten neuen Windparks, sodass Projektierer sich nicht mehr in der Lage sehen, an den Ausschreibungen teilzunehmen. Gut gemeint, aber eben schlecht gemacht.

Die restlichen Änderungen im EEG sind dagegen nur ein schwacher Versuch, so zu tun, als ob die Bundesregierung den Ökostromausbau unterstützen möchte. Was die Bundesregierung sich hier erlaubt, grenzt an mutwillige Zerstörung der Solar-Branche. Überraschend wird die Vergütung für alle Anlagen ab 40 Kilowatt radikal um über ein gutes Zehntel gekürzt. Dabei hilft das stufenweise Senken der Kürzung bis April 2019 nicht viel – eine längere Übergangsfrist wäre notwendig gewesen. Man stelle sich vor, die Kohlekonzerne würden kurzfristig erfahren, dass sie eine 20-prozentige-CO2-Steuer zahlen müssten. Ein Aufstand der Kumpel vor Peter Altmaiers Dienstsitz wäre die Folge. Der Solarwirtschaft wird genau das zugemutet, aber die Öffentlichkeit und scheinbar auch viele Betroffene nehmen es einfach hin.

Zu den Verlierern der Regierungspolitik gehören auch Mieterinnen und Mieter. Das ohnehin zarte Pflänzchen Mieterstrom wird mit der Kürzung gerupft. Ohnehin gab es erst einige wenige Anlagen, aber immerhin gab es Planungen für neue Projekte, die jetzt erst mal von Union und SPD gestoppt werden. So kommt die Energiewende nie und nimmer in den Städten und den Mietwohnungen an.

Das Chaos geht weiter

Völlig im Dunkeln liegt der weitere Weg in Richtung 2030, obwohl die Bundesregierung schon vor Wochen angekündigt hat, einen verbindlichen Ausbaupfad bis dahin im Gesetz zu verankern. Jetzt soll nur eine neue Arbeitsgruppe gegründet werden, die unter dem Decknamen „Akzeptanz“ der Windenergie weitere Stolpersteine in den Weg legen wird. Schon jetzt gibt es im Bundesrat eine hochinteressante ganz große Koalition der schwarz-gelben NRW-Regierung mit der rot-roten Landesregierung von Brandenburg. Sie wollen die Privilegierung der Windkraft im Baurecht kippen und bundesweit einen Mindestabstand von 1400 Metern zwischen Windrädern und Ortschaften festschreiben. Beide Länder haben ihre Anträge zurückgezogen und wollen sie in die neue Arbeitsgruppe der Koalition einbringen. Das lässt nichts Gutes ahnen: Es geht den Koalitionären ganz offensichtlich um Akzeptanz für weniger statt mehr Windenergieausbau.

Nicht minder chaotisch ist die neue Regelung bei der bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung von Windenergieanlagen. Hier hat die Bundesregierung durch ihre Kehrtwende alle überrascht. Die von ihr bislang abgelehnte Transponder-Technik zur Flugsicherung bei Windparks soll jetzt für alle überraschend doch zum Zuge kommen. Bislang hat sie aber versäumt zu klären, ob die Flugsicherungsbehörden diese Technik auch akzeptieren. Da ist Chaos programmiert.

Schluss mit dem Gemurkse

Die erneuerbaren Energien sind viel weiter, als es Peter Altmaier wahrhaben will. Während er immer noch im Strompreis-Bremsen-Modus verharrt, an den sich viele noch aus seiner Zeit als Umweltminister erinnern werden, hat er offensichtlich nicht mitbekommen, dass in den nächsten Jahren die ersten Windparks auf See entstehen, die ohne Förderung auskommen. Und für Solarstromerzeuger wird es dank kostengünstiger Batterien lukrativ, den Strom vom Dach selbst zu nutzen. Auch immer mehr Unternehmen wollen direkte Lieferverträge mit Ökostromerzeugern abschließen. Ökostrom kann also heute bereits so preisgünstig sein, dass er unter den richtigen Vorzeichen keine EEG-Förderung mehr braucht. Daraus ließe sich etwas machen, wenn die Bundesregierung endlich den Schalter umlegen, die richtigen Rahmenbedingungen dafür schaffen würde, statt sich immer neue Schikanen zum Ausbremsen des Ausbaus der erneuerbaren Energien auszudenken.

Wo die EEG-Förderung noch benötigt wird, müssen endlich verlässliche Bedingungen geschaffen werden. Die 65 Prozent Ökostromanteil gehören ins Gesetz geschrieben. Alles andere wäre Vertrauensbruch. Dann müssen die unsinnige Deckelung des Solarstroms auf 52 Gigawatt gestrichen und die Ausbaumengen bei Wind und Solar deutlich hochgesetzt werden. Es geht hier um eine solide Planungsbasis für die gesamte Energiewirtschaft. Das EEG ist längst nicht mehr die Spielwiese für Ökos. Es ist der zentrale Baustein für die Stromversorgung der Zukunft. Wird etwa das 65-Prozent-Ziel nicht erreicht, müssen umso mehr Kohlekraftwerke stillgelegt werden, um die verbindlichen Klimaverpflichtungen einhalten zu können. Auch die Wirtschaftlichkeit von Gaskraftwerken wird künftig davon abhängen, wie viele Ökostromanlagen am Netz sind. Ohne verbindliche Ökostromziele gibt es auch für die anderen Akteure im Energiemarkt keine Planungssicherheit. Das haben inzwischen fast alle kapiert – nur die Bundesregierung noch nicht.

Außerdem muss verhindert werden, dass uns die Flächen insbesondere für den Windausbau ausgehen. Es braucht jetzt Gespräche mit den Ländern darüber, wie wir künftig noch ausreichend Flächen für das Erreichen des Klimaschutz- und Ökostromziels nutzen können. Ganz dringend muss sich die Bundesregierung zusammen mit den Ländern auch darum kümmern, die Klageflut gegen Windenergieparks einzudämmen, etwa durch eine neue Clearingstelle, die vor Ort zwischen Investor und Naturschutz vermittelt. Und es braucht eine Rahmenregelung für die Anlagen, die ab 2020 aus der EEG-Vergütung fallen. Wenn hier nichts passiert, verlieren wir zahlreiche Anlagen und Standorte, die dann auch nicht für Repowering zur Verfügung stehen. Am Ende haben wir deswegen zu Beginn der 20er Jahre sogar Erneuerbaren-Abbau statt -Zubau.

Es gibt also jede Menge Arbeit. Aber was kann man einem Bundesenergieminister noch zutrauen, der es nicht einmal für nötig hält, den Staatssekretärsposten für die Energiepolitik zu besetzen? Herr Altmaier, Energiewende ist die zentrale Aufgabe in Ihrem Ministerium. Fangen Sie endlich an zu arbeiten und missbrauchen Sie nicht weiter den stockenden Netzausbau, um die Erneuerbaren auszubremsen!

 

* An dieser Stelle lesen Sie einen Gastbeitrag, der nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wiedergibt. Für den Inhalt sind die jeweiligen Autoren verantwortlich.

Kommentare (4)

Kommentar verfassen»
  • 08.12.18 - 03:11, Dietmar Geckeler

    Vielen Dank für Ihren Beitrag und die klaren Worte Hr. Krischer. Was ich nicht nachvollziehen kann: Wo sind die > 300.000 Beschäftigten der EE-Branche? Warum können sich die unterschiedlichen Verbände nicht einmal absprechen, zusammenschließen und dann zu zehntausenden, ja > 100.000 das regierungsviertel fluten? Und zwar an einem Werktag, nicht am Wochenende. Mit 3-4 Monaten Planung liese sich das sicher machen, 50 % der Mitarbeiter für 1 Tag freizustellen. RWE macht es doch vor, dass das geht. Es geht um eine konzertierte Aktion, endlich ein Zeichen zu setzen und das Regierungsviertel an einem Sitzungstag zu blockieren. Helfen Sie mit, das zu organisieren?

  • 08.12.18 - 21:34, Organisierter M...

    Diese Frage stelle ich mir auch seit Längerem und immer wieder und bin der Meinung, dass zumindest ein Grund darin zu sehen ist, dass der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Mitarbeiter der recht jungen EE-Branche verglichen mit dem der Kollegen aus der konventionellen Energiewirtschaft recht gering ist. Diese starke Kraft der organisierten Mitarbeiter fehlt in weiten Teilen, um der Politik im Sinne der Beschäftigten Paroli zu bieten! Jeder Mitarbeiter/Kollege und jedes Unternehmen kann hier seinen eigenen Beitrag im Sinne eines großen Ganzen leisten. Was den Kollegen oder dem einzelnen Mitarbeiter nützt, kann so auch dem Unternehmen und der gesamten Branche nützen. In diese Richtung scheint man in der EE-Branche noch zu wenig zu denken. Ein Aufruf!

  • 09.12.18 - 13:31, Philipp Krosigk

    Meinen Dank hier nochmal an Klaus Töpfer!
    Ohne seine Arbeit hätten wir keine Energiewende, denn Grün alleine war zu schwach, um diese über den Widerstand der Masse zu heben. Er hat schon als Umweltminister in Rheinland-Pfalz aktiv und gut hörbar vor dem aufziehenden Klimawandel gewarnt und war der erste Mensch, der nach den 70er Jahren wieder durch den Rhein geschwommen ist! Ohne Klaus Töpfer wäre die CDU in Sachen Umwelt sicher heute lange nicht so weit, wie sie es ist und Grün-B90 würde noch immer Positionen einbringen, die von der CDU als Gegner wahrgenommen werden. Also vielen Dank an Herr Prof. Dr. Klaus Töpfer.

    Was mich derzeit aber sehr beunruhigt, dass ist die weltweite Vorbereitung auf eine Wiederbelebung der Atomkraft, die im Engineering durchaus spürbar ist. Da kommt etwas mit aller Macht zurück und platziert sich ganz leise als Klimaretter, dass ein paar Deutsch eigentlich schon im Niedergang wähnten.

  • 13.12.18 - 05:48, Waldemar Bernhardt

    Super Artikel das motiviert mich noch mehr zu arbeiten und das Projekt Wind-Solar für den Haushalt und Firmen weiter auszubauen, villeicht findet sich auch jemand der auch möglichst unabhänging von den Stromanbietern leben möchte.

    Jeder könnte etwas dazubeitragen und die Welt zu verbessen es liegt an uns.

    internet: world.verway.energy

    e-mail: w.bernhardt@verway.energy

Kommentar verfassen

Anzeige
Anzeige