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Kolumne

Was Ja-aber-Klimaschützer und Donald Trump vereint

Volker Quaschning, 26.03.18
Wie sich die krude Logik von Klimawandel-Leugnern entkräften lässt, warum das ständige Ja-aber auch nicht besser ist, und was das alles mit der Mondlandung zu tun hat, erklärt Energieexperte Volker Quaschning in seinem Gastbeitrag.

„Es schneit und friert in New York. Wir brauchen die globale Erwärmung“, macht sich Donald Trump über den Klimawandel lustig. Und die AfD bezeichnet in ihrem Wahlprogramm Kohlenstoffdioxid nicht als Schadstoff, sondern als „unverzichtbare Voraussetzung für alles Leben“. Beim Thema Klima dürften sich US-amerikanische wie auch deutsche Populisten also ziemlich einig sein. Denn wenn man es genau nimmt, gibt es gar keinen Treibhauseffekt, sagt etwa der Klimaexperte der AfD-Bundestagsfraktion. Und da es offensichtlich keinen Klimawandel gibt, brauchen wir natürlich auch keine Energiewende!

Anfangs konnte man als Wissenschaftler über solche Aussagen noch müde lächeln. Inzwischen bleibt einem nur noch ein entnervtes Stöhnen, denn Populisten mannigfaltiger Couleur ist es gelungen, mit kruden Argumenten das Leugnen des Klimawandels wieder salonfähig zu machen. Trump versucht damit, seine Klientel in den Bereichen Kohle-, Öl- und Gaswirtschaft vor dem massiven Gegenwind durch die globalen Klimaschutzbemühungen zu beschützen. Dass diese Rhetorik bereits Wirkung zeigt, merkte man etwa im Oktober 2017 in der Talkshow „Maischberger“, in der die Moderatorin allen Ernstes die Frage stellte: „Glauben Sie an den Klimawandel?“.

Physik ist keine Religion

Wissenschaftler können über solche Diskussionen inzwischen nur noch ungläubig den Kopf schütteln. Genauso sinnlos wäre die Frage „Glauben Sie an die Schwerkraft?“. Spätestens der Versuch, schwerelos von einem Baum zu schweben, liefert am Ende den eindeutigen und schmerzhaften Beweis. Physik ist nun mal keine Religion. Und die Physik kann uns zweifelsfrei aufzeigen, dass Kohlendioxid die Abstrahlung der Wärmeüberschüsse von der Erdoberfläche ins Weltall im Infrarotbereich behindert. Auch bei der normalen Bevölkerung sind die klimatischen Veränderungen durch stetig steigende Temperaturen und Extremwetterereignisse ins Bewusstsein gerückt. Das Leugnen des Klimawandels ist daher kaum mehr mehrheitsfähig.

Gerade weil der Klimawandel in den vergangenen Jahren immer deutlicher zu Tage tritt, hat sich die Rhetorik vieler Energiewendegegner in den vergangenen Jahren spürbar verändert. Sie bekennen sich inzwischen oft im ersten Satz mit Nachdruck zum Klimaschutz und dem Pariser Klimaschutzabkommen, um im zweiten Satz mit zu erklären, warum eine schnelle Energiewende aber leider nicht möglich ist, womit ihnen der viel beschworene Klimaschutz am Ende dann doch reichlich egal ist.

Vor wenigen Jahren wurde meist noch das Kostenargument für dieses Ja-aber bemüht. Inzwischen sind die Kosten für neue Windkraft- und Photovoltaikanlagen allerdings rapide gefallen. Und da sie nur noch unwesentlich über dem Börsenstrompreis liegen, kann logischerweise ein massiver Ausbau erneuerbarer Energien den Strompreis nicht mehr zum Explodieren bringen. Da sich noch nicht überall herumgesprochen hat, dass Solar- und Windstrom inzwischen billig sind, wird von Unwissenden immer noch vereinzelt die Kostenkarte gezogen. Andere ignorieren die Kostensenkungen und argumentieren einfach mit alten und überholten Zahlen weiter.

Wettbewerb! Welcher Wettbewerb?

Werden die neuen Kostenrealitäten anerkannt, bringen selbsternannte Retter der deutschen Wirtschaft ein neues Argument ins Spiel: Erneuerbare Energien müssten sich endlich dem Wettbewerb stellen. Kein Kernkraftwerk könnte im freien Wettbewerb bestehen, wenn die Betreiber in unbegrenzter Höhe für mögliche Schäden haften müssten. Die Versicherungsprämien würden den Strom schlicht zu teuer machen. Darum wälzt der Staat das Risiko einfach auf die Bürger ab. Und der Kohleausstieg wäre schon längst abgeschlossen, wenn fossile Kraftwerke für ihre Klimafolgeschäden voll haften müssten. Rund 100 Euro betragen diese laut Umweltbundesamt für eine Tonne Kohlendioxid. Bis zu zehn Cent pro Kilowattstunde müssten alte Braunkohlekraftwerke berappen, um ihre Schäden zu kompensieren. Stattdessen werden unsere Kinder und Enkelkinder die Rechnung übernehmen müssen.

In diesem völlig verzerrten Markt Wettbewerb einzufordern, ist schon reichlich absurd. Wenn erneuerbare nicht gegen fossile Energien antreten können, dann wenigstens untereinander, lautet ein anderes Argument. Dabei gibt es zwischen Photovoltaik und Windkraft Ausgleichseffekte, die den Bedarf an teuren Speichern minimieren. Sorgen wir nicht für einen gleichzeitigen Ausbau beider Technologien, führt der geforderte Wettbewerb am Ende zu deutlichen Mehrkosten. Einige scheinen noch nicht bemerkt zu haben, dass im Winter wenig Sonne scheint und im Sommer weniger Wind weht.

Fünf Millionen Ladepunkte in drei Jahren

Eine weitere Argumentationslinie der Gegner zielt auf angeblich technisch unüberwindbare Hürden, wie den Ausbau der Netze oder fehlende Speicher. Geht es um die schnelle und flächendeckende Einführung der Elektromobilität, hadern selbst vermeintliche Befürworter wie der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann schnell mit der Energiewende. Schließlich kann es seiner Meinung nach in Deutschland bis zum Jahr 2030 nicht gelingen, die nötige Ladeinfrastruktur aufzubauen. Vielleicht sollte die deutsche Politik nicht dauernd versuchen, sich in gegenseitiger Visionslosigkeit zu überbieten, sondern stattdessen mal nach China blicken. Hier ist 2030 kein Thema, denn bereits bis zum Jahr 2020 sollen geschätzte 16 Milliarden Euro in die Ladeinfrastruktur investiert und rund fünf Millionen neue Ladepunkte geschaffen werden. Deutschland ist weiterhin damit beschäftigt, über die Probleme der Energiewende zu debattieren, anstatt sie wie bei diesem Beispiel aus China einfach und pragmatisch zu lösen.

Den Windenergieausbau möchten einige gerne stoppen, bis der nötige Leitungsausbau abgeschlossen ist. Leider, leider wird das nun mal viele Jahre dauern. Selbst Angela Merkel erklärte den Leitungsbau zum vordringlichen Problem der Energiewende. Doch wer dieses Totschlagargument bemüht, hat die künftigen Herausforderungen nicht wirklich verstanden. Sicher können Leitungen bei der Verteilung erneuerbarer Energien helfen. Am 1. Januar dieses Jahres haben diese aber schon zeitweise den gesamten deutschen Strombedarf abgedeckt. Verdoppeln wir die erneuerbare Stromerzeugung, haben wir über das Jahr gesehen immer noch keine regenerative Vollversorgung. Doch temporär werden dann aus 100 Prozent erneuerbarer Abdeckung 200 Prozent. Welche Leitung, bitteschön, kann hierbei Abhilfe schaffen? Anstatt sich nur auf den Leitungsneubau zu fokussieren, müssen wir besser gestern als heute die Bereiche Sektorkopplung und Speicher massiv voranbringen.

Doch auch bei den dringend benötigten Speichern werden Zweifel gesät. Der Papst der Energiewendegegner, Hans-Werner Sinn, verwendet in seinem neusten Frontalangriff enorm viel Zeit für den Beweis, dass Pumpspeicherkraftwerke den Speicherbedarf der Energiewende nicht decken können und ergo die Energiewende auf Basis von Solar- und Windkraftanlagen ein sinnloses Unterfangen sei. Nun bieten nur Solar- und Windkraft ausreichend Potenziale zur klimaneutralen Deckung des deutschen Energiebedarfs. Darum ist es unbestritten, dass der Speicherbedarf künftig explosionsartig ansteigen wird. Ein Faktor 1000 liegt da durchaus im Bereich des Möglichen. Da wir schon Probleme haben, ein einzelnes großes Pumpspeicherkraftwerk wie im baden-württembergischen Atdorf durchzusetzen, wird das Pumpspeicherkraftwerk natürlich nicht die tragende Säule der Energiewende sein. Schön, dass Herr Sinn das auch verstanden hat.

Wirkungsgradmonster Power-to-Gas

Allen, die sich ernsthaft mit der Energiewende auseinandersetzen, ist klar, dass nur die Power-to-Gas-Technologie ausreichend Speicherpotenziale für Deutschland bieten kann. Hierbei werden Überschüsse von Solar- und Windkraftanlagen in erneuerbares Methan umgewandelt, das in den bereits existierenden Erdgasspeichern gelagert werden kann. Allein die bestehenden Speicher in Deutschland reichen aus, um die Stromversorgung über viele Wochen sicherstellen zu können. Kommt es zur berüchtigten Dunkelflaute, wird einfach aus dem Gas wieder Strom erzeugt.

Gerade weil diese Option das Speicherproblem für die Energiewende löst, wird sie von Energiewendegegnern als viel zu teuer und ineffizient bezeichnet und erst gar nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Es ist durchaus richtig, dass die Gasspeicherung verlustbehaftet ist. Doch wer mit seinem Benzinauto im Stadtverkehr unterwegs ist, akzeptiert auch widerstandslos Wirkungsgrade im Bereich von 20 bis 30 Prozent. Dagegen ist die Power-to-Gas-Technologie ein regelrechtes Wirkungsgradmonster. Und dass Kernkraftwerke ebenfalls einen mageren Wirkungsgrad von gut 30 Prozent haben, war bislang für die Effizienzfetischisten auch kein Problem. Für die Kurzzeitspeicherung sehen ausgereifte Konzepte sowieso deutlich effizientere Speicher wie Batterien vor, sodass Power-to-Gas nur für die weniger häufig benötigte Langzeitspeicherung gebraucht wird. Die dabei auftretenden Verluste sind überschaubar und das Gesamtsystem recht problemlos finanzierbar, wie das Fraunhofer Ise bereits vor einigen Jahren mit einer Studie aufgezeigt hat.

Alle Ja-aber-Argumente der Energiewendegegner entpuppen sich am Ende als Scheinargumente, die den Ausbau erneuerbarer Energien verhindern oder wenigstens verlangsamen sollen. Dahinter versammeln sich Unternehmen, die für eine neue klimaverträgliche Welt schlecht aufgestellt sind, Menschen, die nach dem Sankt-Florians-Prinzip keine Veränderungen durch die Energiewende vor der eigenen Haustür haben wollen oder notorische Skeptiker, die einfach prinzipiell dagegen sind. Dabei stellt der Klimawandel die größte Bedrohung für die Menschheit dar. Ohne eine radikale Kehrtwende bei der Energieversorgung wird die globale Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts um bis zu fünf Grad Celsius emporschnellen, mehr als von der letzten Eiszeit bis heute. Ein rapider Anstieg der Meeresspiegel wäre nur eine der extremen Folgen für die kommenden Generationen.

2040 klimaneutral oder doch lieber Donald Trump?

Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen haben wir beschlossen, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um den globalen Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Dazu müsste unsere Energieversorgung allerdings bis spätestens 2040 ganz ohne Erdöl, Erdgas und Kohle auskommen. Mit der aktuellen Energiepolitik wird Deutschland seine Klimaneutralität – wenn überhaupt – erst weit nach dem Jahr 2100 erreichen und damit einen vorderen Platz bei den Klimasündern einnehmen.

Wer das Bekenntnis zum Klimaschutz ernst meint, muss auch die nötigen Maßnahmen unterstützen. Wir brauchen eine Verdopplung des Windenergie- und fast eine Verzehnfachung des Solarenergiezubaus, den schnellstmöglichen Abschied von der Öl- und Gasheizung sowie von Benzin- und Dieselautos und den schnellen Ausbau von Energiespeichern. Wer das alles nicht möchte, muss entweder einen Plan B für den Klimaschutz präsentieren oder sollte sich Donald Trump beim Leugnen des Klimawandels anschließen.

Wer weiterhin den nötigen Maßnahmen mit einem Ja-aber die Unterstützung verweigert, trägt unmittelbar dazu bei, dass wir auf eine Klimakatastrophe zusteuern. Daher müssen wir Scheinargumenten entschlossen entgegentreten. Wir müssen uns aber auch an die eigene Nase fassen. Wer von uns ist selbst bereits ernsthaft auf dem Weg in eine baldige Klimaneutralität, und wer hat nicht selbst ein paar kleine Ja-aber-Argumente, warum das nicht so schnell zu erreichen ist? Immer wieder geht es um Kompromisse, in der internationalen und nationalen Klimadiplomatie. Teile der Erneuerbaren-Branche haben sich lange Zeit nicht getraut, die für den Klimaschutz nötigen Zubaumengen zu kommunizieren. Und wer stellt schon einfach so seine alltäglichen Gewohnheiten um, bei der Ernährung, im Verkehr oder im häuslichen Bereich.

Angesichts der gigantischen Probleme, die auf uns zukommen, wenn wir den Klimawandel nicht stoppen, sollten wir aber wagen, Visionen zu entwickeln. John F. Kennedy sagte 1962 in seiner berühmten Rede zum Mondfahrtprogramm: „Wir werden es tun. Und ich denke, dass wir zahlen müssen, was bezahlt werden muss.“ Nur sieben Jahre später landeten die Amerikaner auf dem Erdtrabanten, obwohl viele Ja-aber-Sager das für absolut unmöglich gehalten hatten. Machen wir endlich Energiewende und Klimaschutz zu unserem Mondprojekt.


Dieser Gastbeitrag ist zuerst in der Ausgabe 3/2018 von neue energie erschienen. Er gibt nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder. Für den Inhalt ist der Autor verantwortlich.

Zur Person: Volker Quaschning ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin und Autor mehrerer Fachbücher zum Thema erneuerbare Energien und Klimaschutz. Im Internet: www.volker-quaschning.de

 

Kommentare (3)

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  • 27.03.18 - 21:08, Experte

    ein völlig überflüssiger Artikel . Wahrscheinlich für die Lobby geschrieben. Ich selber besitze eine WKA und zwei Photovoltaikanlagen. Würde es die überaus großzügige Subvention nicht geben, würde ich den ganzen Scheiß abreißen.

  • 01.04.18 - 23:27, W. Schmidt, kei...

    ...ein absolut überflüssiger Kommentar. Zeigt er einen Funken von Intelligenz, wenn hier von Lobby gesprochen wird, und die offensichtlich machtlose Lobby für Erneuerbare (s. z.B. GroKo-Vereinbarungen) gegenüber der fossilen Lobby für Fossiles wieder einmal verloren hat? Welche Lobby muss Deutschland und die Welt also mehr fürchten?
    Und zeigt es einen Funken von Intelligenz wenn der Autor seine angeblich bereits laufenden Solar-Anlagen - angeblich - wieder abreißen würde, gerade wenn es keine Subvention mehr gäbe?
    Hingegen bin ich sehr dankbar für den Artikel, der einen ungeschönten Blick auf entscheidende Veränderungen in der deutsche Energiepolitik und -landschaft bietet und die ewigen Bremser ihrer letzten Scheinargumente beraubt.

  • 11.05.18 - 00:38, Energisch Joe

    2018 05 11

    Herr Quaschning ist seit vielen Jahren sehr engagiert für die Energiewende - trotz aller
    Anpöbelungen diverser trolliger Kommentatoren - und erklärt mit großer Geduld und
    jetzt auch wieder sehr anschaulich warum Aktion wichtig ist.
    Mit dem derzeitigen politischen Personal ist das allerdings vergeblich: Was ein Altmeier
    vorzüglich kann ist Drecksarbeit zu machen durch geschicktes taktieren und sehr geniale
    Diskussionswortspenden sowie Ausschaltung der parlamentarischen Gegenstimmen.
    So hat er schon einmal maximalen Schaden für die Energiewende durchgebracht und kein
    Zweifel, er wird es wieder schaffen für Merkel den Buhmann zu machen und dabei den fossilen und atomaren Komplex auf Kosten der Erneuerbaren zu stärken.

    Der Grad der Peinlichkeit solcher Akteure ist direkt proportional mit dem Schaden den
    sie anrichten, leider wird das erst ruchbar werden wenn sie in Fossil- Kohle -oder Atomposten entfleucht sind, persönliche Haftung ist sowieso nicht vorgesehen.

    Energisch Joe

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