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Energiepolitik

Auf Kurs?

Tim Altegör, 26.03.18
Zum Start der neuen Bundesregierung zeigt eine Umfrage: Mit Fortschritten in der Energiepolitik rechnet nur eine Minderheit. Bei den zentralen Aufgaben sind sich Bevölkerung und politisches Spitzenpersonal aber recht einig.

Am Ende war es noch einmal richtig knapp. Nach gefühlt endlosen Wochen des Wartens, der durchsondierten Nächte, der Groko-oder-No-Groko-Debatten, der bloß noch „geschäftsführenden“ Regierung, lag Angela Merkel bei ihrer Wiederwahl zur Kanzlerin gerade einmal neun Stimmen im Plus. Das sind 35 weniger, als die alten und neuen Koalitionspartner CDU/CSU und SPD im Bundestag haben. Doch gewählt ist gewählt; jetzt könnte sie also loslegen, die vierte Merkel-Regierung. Reformen anstoßen, Dinge bewegen, nicht mehr nur verwalten.

Aber ob sie das speziell im Energie- und Klimabereich auch wirklich tun wird, da sind die Menschen im Lande eher skeptisch. Das zeigt eine Umfrage von neue energie zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey, ob die neue Regierung hier etwas bewegen oder eher bremsen werde. Ergebnis: Optimistisch sind nur knapp 20 Prozent, etwa 35 Prozent rechnen mit Stillstand, 40 Prozent mit einem Ausbremsen. Aufgeschlüsselt nach Parteinähe glauben nur die Anhänger von CDU/CSU mehrheitlich an Fortschritte, selbst bei der Regierungspartei SPD überwiegen die Pessimisten.

Dazu passt das neuerdings zuständige Personal. Eine entscheidende Rolle spielt Peter Altmaier (CDU), der nun als Wirtschaftsminister für die Energiewende verantwortlich ist. Das war er in den Jahren 2012 und 2013 schon einmal für knapp anderthalb Jahre, damals als Umweltminister. In Erinnerung geblieben sind aus dieser Zeit vor allem die „Strompreisbremse“, mit der Altmaier letztlich scheiterte und die seriös kaum begründbare Zahl, mit der er sie durchpeitschen wollte: eine Billion Euro könne die Energiewende bis Ende der 2030er kosten.

Seiner Vorliebe für die Kostenfrage ist Altmaier offenbar treu geblieben. Mitte Februar hielt er in Berlin eine Rede beim Neujahrsempfang des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). Der größte Erfolg der Energiewende sei nicht, dass mittlerweile ein Drittel des Stroms aus erneuerbaren Energien stammt, erklärte Altmaier dort. „Die entscheidende Nachricht ist, dass wir es geschafft haben, die Kostenentwicklung zu bremsen.“ Damit wollte er auch den Systemwechsel beim Ökostrom von festen Einspeisetarifen zu Ausschreibungen loben, den das Wirtschaftsressort unter der Führung von Sigmar Gabriel (SPD) managte – wobei dieser Zusammenhang durchaus umstritten ist. Der Energieexperte Uwe Nestle etwa konnte keine Kostensenkung durch Auktionen feststellen (neue energie 12/2017), die Forschungsinstitute Fraunhofer IEE und Izes kamen gerade zu ähnlichen Ergebnissen.

Die Umweltministerin hat ein Problem

Gabriel ist nun nicht mehr in der Regierung, genauso wie seine Interimsnachfolgerin Brigitte Zypries. Auch Rainer Baake, Staatssekretär mit grünem Parteibuch, hat das Ministerium verlassen. Per Brief bat er Altmaier Anfang März um seine Entlassung, da er „mit den grundsätzlichen Politiken und Zielen der Regierung“ nicht mehr übereinstimme. Der Koalitionsvertrag sei „eine herbe Enttäuschung“, der Wandel zu mehr Effizienz und Erneuerbaren werde „viel zu zögerlich angegangen“. Während seiner Amtszeit hat sich Baake bei unterschiedlichen Akteuren unbeliebt gemacht, indem er – erfolglos – versuchte, Kohlekraftwerke mit einer „Klimaabgabe“ zu belegen, aber auch den Erneuerbaren-Ausbau per Auktionssystem deckeln half. Er wäre als Staatssekretär wohl ohnehin abgelöst worden, steht jetzt aber als aufrechter Klimaschützer da.

Das Umweltministerium haben die Sozialdemokraten dagegen behalten, die bisherige Ministerin Barbara Hendricks tritt dennoch ab. Ihre Nachfolgerin Svenja Schulze kommt wie Hendricks aus der NRW-SPD, ist bundespolitisch bisher aber nicht in Erscheinung getreten. Wo sie politisch genau steht, darüber wird nun viel spekuliert (zum Beispiel hier und hier). Für Kontinuität zur Hendricks-Zeit steht Jochen Flasbarth, der als Staatssekretär weitermacht. Allerdings sind Schulzes Möglichkeiten sowieso arg beschränkt. Zum Antritt bezeichnete sie den Klimaschutz als eine ihrer wichtigsten Aufgaben und hob das geplante Klimaschutzgesetz hervor, mit dem die deutschen Ziele für 2030 erreicht werden sollen. Dafür bedürfe es „einer gemeinsamen Kraftanstrengung der gesamten Bundesregierung“, so Schulze. „Das geht nur mit – und nicht gegeneinander.“

Anders gesagt: Die Umweltministerin kann planen, wie sie will, bei der Umsetzung in den einzelnen Sektoren geht nichts ohne ihre konservativen Kabinettskollegen Peter Altmaier, Andreas Scheuer (CSU, Verkehr) und Julia Klöckner (CDU, Landwirtschaft). In einer ähnlichen Lage befand sich schon ihre Vorgängerin, nun ist obendrein noch das Bauressort zu Horst Seehofer (CSU) ins Innenministerium gewandert.

Knackpunkt Netzausbau

Ein weiteres bestimmendes Thema dieser Legislaturperiode dürften die Stromnetze werden – wieder einmal. Mehrere Umweltverbände hatten jüngst darauf hingewiesen, dass die Netzplanung immer noch ausschließlich mit dem veralteten Ziel von minus 80 Prozent Treibhausgasemissionen bis 2050 rechne, statt mit den Klimazielen von Paris. Auch der Bau selbst geht nicht so recht voran. Dass immer noch Stromtrassen fehlen und die Netze nicht fit für die Energiewende sind, hat die EU-Kommission gerade – neben hohen Verbraucherpreisen und scheiternden Klima- und Effizienzzielen – in ihrem alljährlichen Länderbericht für Deutschland moniert.

Es könne doch nicht so schwer sein mit dem Netzausbau, beschwerte sich Altmaier, der es eigentlich besser wissen müsste, in seiner Rede beim BEE. Wenige Wochen später machte etwa die thüringische Landesregierung klar, dass sie gegen den Verlauf der Suedlink-Trasse durch ihr Bundesland notfalls auch vor Gericht ziehen werde. Der neue Bundeswirtschaftsminister hängt das Thema jedenfalls sehr hoch: „Die weitere Akzeptanz der Energiewende wird davon abhängen, dass wir in den nächsten ein, zwei Jahren einen signifikanten Ausbau der Netze erreichen.“ Wie er die Akzeptanz für die Stromtrassen bekommen möchte, dazu hat er bislang noch nichts gesagt.

Im Koalitionsvertrag verknüpfen CDU/CSU und SPD den Ausbau erneuerbarer Energien und jenen der Netze eng miteinander. Zwar planen sie zusätzliche Ausschreibungen für Wind- und Solarstrom, versehen dies jedoch mit einem dicken Aber: „Voraussetzung ist die Aufnahmefähigkeit der entsprechenden Netze.“ Beides solle besser synchronisiert werden. In diesem Sinne war es zumindest unglücklich formuliert, als Peter Altmaier zum Abschluss appellierte: „Wir müssen endlich einmal die Leitungen in den Sand setzen.“

Mit der Diagnose, Strompreise und Netzausbau seien die zentralen Punkte, scheint er allerdings auf einer Linie mit vielen in der Bevölkerung zu liegen. Das zeigt eine zweite Umfrage von neue energie und Civey: 24 Prozent halten die Netze, fast 23 Prozent die Preise für die wichtigste Aufgabe der neuen Regierung. Knapp danach folgt der Einstieg in den Kohleausstieg. Die Antworten unterscheiden sich stark nach Parteinähe. Während Grünen-, Linken- und auch SPD-Wähler die Kohle am wichtigsten finden, stehen die Netze für CDU/CSU- und FDP-Anhänger im Vordergrund. Niedrigere Strompreise sind vor allem bei AfD-Wählern das dominante Thema.

Die Kohlefrage will die neue Koalition auslagern, eine Kommission namens „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ soll den Ausstieg planen, inklusive Enddatum. Es wird eine der spannendsten energiepolitischen Fragen der kommenden Monate, ob sich Wirtschaftsvertreter und Umweltverbände, Gewerkschafter und Braunkohleländer hier tatsächlich einigen können – und die Bundesregierung dann auch mitzieht. Einen CO2-Preis etwa, wie ihn beispielsweise Großbritannien erfolgreich genutzt hat, um seine Emissionen deutlich zu senken, wollen die Koalitionäre erklärtermaßen nur, wenn mindestens alle G20-Staaten mitspielen – was, wenn die Kohle-Kommission das anders sieht? Altmaier jedenfalls outete sich schonmal als Kommissionsfan: Die Arbeit des überparteilichen Endlager-Gremiums lobte er in den höchsten Tönen.

 

Kommentare (1)

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  • 26.03.18 - 15:52, Heinz Otto

    Guter Text zu AUF KURS?, nur vermisse ich immer wieder ein über all dem notwendigen Netzausbau und Preisgefüge stehendes NOTWENDIGES #Energieverbrauchsreduzierungsgesetz. Das sollte Vergeuden von Energie bestrafen und Einsparen belohnen-beim Fliegen, Heizen, Bahnrasen+Kreuzfahrt.

    Hier drin steht mit dem Titel "Warum überhaupt Windenergie?":
    http://www.windstammtisch.de/informationen/
    am Schluss:
    ......
    d) Aber ohne Sparen, sei es freiwillig oder per Gesetz, also ohne Energie sparen, ward dat nix.
    Deswegen WINDENERGIE, noch Fragen?

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