Das Umschwenken auf batteriebetriebene Lkw (Battery Electric Vehicle, BEV) sei nachvollziehbar, sagt Patrick Plötz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI. „Elektrobatterien für Lkw sind heute viel leistungsfähiger, als noch vor wenigen Jahren erwartet. Auch das Schnellladen geht inzwischen wirklich schnell“, sagt der Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft, „außerdem stehen BEV schon heute in der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung an erster Stelle.“
Der Kaufpreis entscheidet – nicht
Das klingt erst einmal überraschend, liegt der Kaufpreis von BEV-Lastkraftwagen doch ungefähr doppelt so hoch wie der eines neuen Diesel-Lkw. „Wenn wir die Kosten während des gesamten Betriebs betrachten, ändert sich das Bild“, sagt Plötz. Dann sprechen die steigenden Dieselpreise, die geringeren Wartungskosten und nicht zuletzt die billigere Maut für den E-Antrieb. „Während die Gesamtkosten für Lkw mit BEV-Antrieb in den kommenden Jahren ständig sinken, steigen sie für Diesel-Lkw“, sagt Plötz. In den Berechnungen des Fraunhofer-Instituts liegen Diesel- und BEV-Variante derzeit ungefähr gleichauf (siehe Grafik rechts). Schon nach rund 80.000 gefahrenen Kilometern habe sich der höhere Kaufpreis häufig amortisiert.
Solche Berechnungen stimmen die Fahrzeughersteller optimistisch: Mehr als 70 BEV-Modelle sind bereits am Markt. Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb kommen dagegen trotz des Engagements der Hersteller – etwa Daimler Truck beim Pegasus-Projekt, BMW bei Hycet (Hydrogen Combustion Engine Trucks) oder Volvo bei H₂Accelerate – eher mühsam voran. Auch die Europäische Union mischt mit dem von ihr initiierten Projekt H₂Haul (Hydrogen Fuel Cell Trucks for Heavy Duty Zero Emission Logistics) mit. H₂Haul zielt auf die Entwicklung und den Einsatz von 16 emissionsfreien Brennstoffzellen-Lkw und installiert begleitend neue Wasserstofftankstellen mit hoher Kapazität. Für einen Markthochlauf, befand die Studie H₂-Infrastruktur für Nutzfahrzeuge im Fernverkehr, müssten alle Potenziale zu Kostensenkungen konsequent erschlossen werden. Dazu zählt Mathias Böhm vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) „Massenfertigung, hohe Auslastung der Tankinfrastruktur und optimierte Versorgungskonzepte“. Derzeit liege der Schwerpunkt noch auf der Fahrzeugentwicklung. Aktuelles Aushängeschild von H₂Haul sind drei Sattelschlepper mit FCEV-Technologie. Die Reichweite der Fahrzeuge beträgt bis zu 800 Kilometer, das Auftanken ist in weniger als 20 Minuten erledigt. Die Serienreife, so heißt es von den am Projekt beteiligten Herstellern, sei Ende dieses Jahrzehnts zu erwarten.
Das sind fünf Jahre, in denen der klassische BEV-Antrieb bei Lastkraftwagen seinen Vorsprung ausbauen kann – und wohl auch wird. Die Reichweite der BEV-Lkw liegt inzwischen bei 500 Kilometern, im Vergleich zu 300 Kilometern vor zwei Jahren. Gleichzeitig sind die Batterien kleiner und leichter, was zugunsten der Nutzlast geht. Und es gibt noch ein wichtiges Argument: „Bei den Betriebskosten kann der FCEV nicht mit dem BEV konkurrieren“, sagt Plötz. „Studien zeigen, dass der Wasserstoffpreis pro Kilo unter vier Euro liegen müsste.“ Es sei mehr als unwahrscheinlich, dass sich der Tankstellenpreis in den kommenden Jahren dorthin bewegen werde.
Wasserstoff als Nischentechnologie?
Fraunhofer-Forscher Plötz sieht dennoch die Berechtigung für wasserstoffbetriebene Lkw, etwa bei sehr schwerer Ladung oder wenn es schnell gehen muss. „Sind bei einer Langstrecke zwei Fahrer an Bord, wirken sich die gesetzlich vorgeschriebenen Lenkpausen nicht auf die Transportdauer aus, dann ist der FCEV mit seiner großen Reichweite im Vorteil.“ Wasserstoffbetriebene Lkw hätten als Nischentechnologie eine Chance, meint Plötz. „Trotzdem müssen wir uns fragen, wie groß der Absatz mittelfristig sein muss, damit sich Lkw-Produktion und Tankstellenbetrieb wirtschaftlich lohnen.“
Wirtschaftlich lohnen muss sich auch die Anschaffung, doch viele Logistikunternehmen fühlen sich dabei regelrecht ausgebremst. Im Bundeshaushalt 2024 fiel das Förderprogramm für klimaschonende Nutzfahrzeuge und zugehörige Ladeinfrastruktur (KsNI) dem Rotstift zum Opfer. Auch deshalb fahren von den aktuell 226.103 Sattelschleppern hierzulande, die den weitaus größten Anteil am Fern- und Schwerverkehr übernehmen, nach Angaben des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) lediglich 992 Fahrzeuge mit Batterieantrieb. Das entspricht einem Anteil im Promillebereich.
Aufgabe: Ein Netz mit Ladestationen
Die Mobilitätswende im Schwerlastverkehr verzögert sich also vorerst. Diese Wartezeit lässt sich sinnvoll nutzen, um ein flächendeckendes Netz mit leistungsfähigen Ladestationen aufzubauen. Ein Joint Venture von Daimler Truck, der Traton-Gruppe des VW-Konzerns und der Volvo-Gruppe hat sich der Aufgabe angenommen und investiert 500 Millionen Euro in die europäische Ladeinfrastruktur. Auch aus den Entwicklungsabteilungen kommen gute Nachrichten: Mobile und flexibel einsetzbare Ladestationen stehen ebenso kurz vor der Marktreife wie solche, die ihren Strom selbst erzeugen – klimaneutral, aus Bioethanol. Und die neueste Generation Schnell-Charger braucht nur noch 45 Minuten, um nachzuladen – das entspricht genau der vorgeschriebenen Pause nach 4,5 Stunden Lenkzeit.