Auf seinem Nominierungsparteitag vorige Woche schwor US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump seiner Republikaner auf die Renaissance von Öl, Gas und Kohle ein, die er dem Land verordnen will. „Drill, baby, drill“ (Bohre, Baby, bohre) ließ er die Delegierten deklamieren. Der Rückfall der USA in fossile Zeiten schien damit besiegelt. Doch nun, nach Amtsinhaber Joe Bidens Rückzug aus dem Wahlrennen, ist der Wettbewerb um die industriepolitische Zukunft wieder offener. Die Demokraten haben noch die Chance, ihren „Green New Deal“ zur Modernisierung der Wirtschaft fortzusetzen.
Im Wahlprogramm der Republikaner wird klar: Die Partei will unter Trumps Führung an die angeblich gloriosen Zeiten der fossilen Energien anknüpfen. Die USA sollen „zum mit Abstand dominierenden Energieproduzenten der Welt“ werden. Das Programm, verabschiedet auf dem Parteitag in Milwaukee, sieht vor, die Ausbeutung vor allem von Erdöl und Erdgas massiv auszuweiten und dazu die „lähmenden Restriktionen für die amerikanische Energieproduktion“ zu beseitigen. Die für die Regulierung bisher zuständigen US-Bundesbehörden sollen entmachtet werden.
Wörtlich heißt es in dem Text: „Die Republikaner werden die Energieproduktion aus allen Quellen, einschließlich der Kernenergie, freisetzen, um die Inflation sofort zu senken und amerikanische Haushalte, Autos und Fabriken mit zuverlässiger, reichlich vorhandener und erschwinglicher Energie zu versorgen.“ Die USA sollen damit wieder zur „industriellen Supermacht aufsteigen“. Als wichtigen Punkt hebt das Programm die „Rettung der amerikanischen Autoindustrie“ hervor. Man werde die von der Biden-Regierung beschlossenen Pläne zum Übergang auf Elektro-Autos aufheben, zudem „den Import chinesischer Fahrzeuge verhindern“. China ist Weltmarktführer bei der E-Mobilität.
Hin und her beim Pariser Klimavertrag
Attackiert wird auch der angeblich „sozialistische“ Green New Deal der Demokraten, den die Republikaner laut Programm beenden wollen. Damit dürfte vor allem der so genannte Inflation Reduction Act (IRA) gemeint sein, den die Biden-Regierung eingeführt hat. Der IRA umfasst Steuersubventionen im Umfang von rund 370 Milliarden US-Dollar für grüne Technologien, etwa für den Bau von Solarmodul-Fabriken, Windparks, E-Mobilität und Wärmedämmung. Er führte unter anderem dazu, dass die Photovoltaik-Industrie in den USA stark zugelegt hat. Die Demokraten wollen an dem IRA, der auf zehn Jahre angelegt ist, festhalten.
Insgesamt knüpfen Trump und seine Republikaner mit dem fossilen Programm an die erste Amtszeit des Kandidaten an, in der sie die USA ebenfalls mit Kohle, Öl und Gas „great again“ machen wollte und in der er sogar den Austritt seines Landes aus dem Pariser Weltklima-Vertrag durchsetzte. Biden machte dieser Schritt als eine seiner ersten Amtshandlungen wieder rückgängig. Trump jedenfalls sucht auch diesmal wieder den engen Schulterschluss mit der Öl- und Gasindustrie. Er traf sich nach Recherchen der „Washington Post“ im April mit Top-Managern der Branche in seinem Club Mar-a-Lago in Florida, wo er ihnen einen Deal vorschlug. Er versprach, ihnen das Geschäft zu erleichtern, wenn sie eine Milliarde US-Dollar als Spenden für seine Kampagne beisteuerten. „Sie haben fünf Jahre lang auf eine Genehmigung gewartet, jetzt bekommen Sie sie am ersten Tag“, laute das Versprechen, so ein Insider im Bericht der Washington Post.
Freilich hat die fossile Branche auch unter Biden bisher sehr gute Geschäfte gemacht. Bei der Unterstützung für Trump geht es also wohl eher darum, Vorteile auch für die Zukunft zu sichern, in der erneuerbare Energien, E-Autos und energiesparsamere Gebäude den Absatz von Erdöl und Erdgas dann tatsächlich spürbar senken würden.
Republikanische Wahlkreise profitieren von Bidens Förderprogramm
Wie stark Trump den IRA tatsächlich zurückdrehen würde, ist unklar. Die Subventionen dieses Programms kommen nach einer Analyse der US-Wirtschaftsnachrichten-Agentur Bloomberg bisher nämlich zu drei Vierteln von den Republikanern dominierten Wahlkreisen zugute, die, da ländlicher, mit Platz für Solar- und Wind-Kraftwerke sowie niedrigeren Löhnen bei Fabrikansiedlungen etwa für Photovoltaik oder Batterien punkten. Bloomberg folgert daraus: Um Bidens IRA zurückzudrehen, müsse Trump „viele Republikaner dazu bringen, zwei Dinge abzuwählen, die jeder Bezirk dringend braucht: Arbeitsplätze und Geld, egal ob grün oder nicht". Dass das auf Zustimmung treffe, sei unwahrscheinlich.
Trotzdem könnten die Folgen von Trumps fossiler Agenda schwerwiegende Folgen haben, meinen zumindest 16 Träger des Wirtschaftsnobelpreises, die unlängst vor deren Neuauflage warnten, darunter Angus Deaton, Claudia Goldin und Joseph Stiglitz. Bidens Regierung habe „wichtige Investitionen in die US-Wirtschaft beschlossen, unter anderem in die Infrastruktur, die heimische Produktion und den Klimaschutz“. Diese steigerten das Wirtschaftswachstum, verringerten den Inflationsdruck und erleichterten den Übergang zu erneuerbaren Energien. Im Falle von Trump 2.0 seien „negative Auswirkungen auf das wirtschaftliche Ansehen der USA in der Welt und eine destabilisierende Wirkung auf die amerikanische Binnenwirtschaft“ zu erwarten, zudem drohe eine höhere Inflation.
Eine komplette Rücknahme des IRA und anderer einschlägiger Gesetze, etwa zur E-Mobilität, hätte gravierende Klimafolgen nicht nur für die USA, sondern auch weltweit, wie eine Analyse des britischen Klimaportals „Carbon Brief“ zeigt. Danach würden die US-Treibhausgas-Emissionen bis 2030 deutlich weniger zurückgehen als aktuell erwartet, nämlich nicht um 43 Prozent (gegenüber dem Basisjahr 2005), sondern nur um 28 Prozent. Fazit des Portals: „Eine zweite Amtszeit Trumps, die Bidens klimapolitisches Vermächtnis erfolgreich demontiert, würde wahrscheinlich alle weltweiten Hoffnungen auf eine Begrenzung der Erderwärmung auf unter 1,5 Grad zunichtemachen."