Klimaaktivisten und Umweltschutzorganisationen wollen die Bundesregierung zu mehr Klimaschutz zwingen. Fünf Organisationen und weitere Einzelpersonen haben angekündigt, gegen die Klimapolitik der Ampel und die Novelle des Bundesklimaschutzgesetzes juristisch vorzugehen. Drei Verfassungsbeschwerden sind geplant– von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gemeinsam mit dem Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) sowie von Germanwatch und Greenpeace. Auch mehrere Klimaaktivisten wollen als Einzelkläger vor Gericht ziehen, sollte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Novelle unterschreiben. Die Gesetzesänderung ist noch nicht in Kraft, weil die Unterschrift des Bundespräsidenten bislang aussteht.
Die Umweltorganisationen kritisieren vor allem die „Entkernung“ des Klimaschutzgesetzes. Mit der Novelle vom April werden die bislang verbindlichen Klima-Ziele für einzelne Sektoren wie Verkehr, Gebäude oder Energiewirtschaft aufgegeben. Ministerien müssen nicht mehr mit Sofortprogrammen nachsteuern, wenn ihre Ressorts die Vorgaben zur Treibhausgasreduzierung verfehlen. Künftig gebe es nur noch allgemeine „Emissionstöpfe“ – für die 2020er-, 2030er- und die erste Hälfte der 2040er-Jahre, kritisiert die DUH. Damit werde verschleiert, wann in welchen Bereichen Anstrengungen zur CO2-Vermeidung vorgenommen werden müssten. „Das Aufschieben der politisch erforderlichen Entscheidungen ist der eigentliche Inhalt des geänderten Klimaschutzgesetzes“, sagte Anwalt Remo Klinger laut einer Mitteilung der DUH.
Germanwatch und Greenpeace warnen vor „Vollbremsung“ im Verkehrssektor
In vielen Punkten stimmen die fünf Organisationen in ihrer Kritik überein. Germanwatch und Greenpeace legen den Fokus auf das von Volker Wissing (FDP) geführte Verkehrsressort. Vor allem im Verkehr seien die im Klimaschutzgesetz von 2021 festgelegten Sektorziele stetig verfehlt worden, rügen die Verbände. Sie befürchten massive Eingriffe in Freiheitsrechte wie Fahrverbote, wenn die Emissionen zu zögerlich und spät verringert werden – wie es nach der Novelle zu erwarten sei. Denn Deutschland müsste dann nach 2030 mit einer „Vollbremsung“ im Verkehrssektor reagieren, wenn die Klimaziele für 2045 erreicht werden sollen.
Der Gesetzgeber müsse die Freiheit für junge Generationen durch ausreichenden und rechtzeitigen Klimaschutz sichern, fordern die Klimaschützer. Sie berufen sich auf das entsprechende Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021. Damals hatten ebenfalls mehrere Organisationen sowie Aktivisten wie Luisa Neubauer von Fridays for Future geklagt und waren teilweise erfolgreich. Auch Neubauer will jetzt erneut Verfassungsbeschwerde einlegen. „Wir haben ein Recht darauf, dass die Regierung vorausschaut und nicht immer mehr Druck und Last auf zukünftige Regierungen und zukünftige Generationen abwälzt“, sagte Neubauer auf Instagram. Die Novelle des Klimagesetzes sei „im Kern verfassungswidrig.“
Verbände rufen Bürger zur Teilnahme auf
Neu ist bei den jetzt angekündigten Verfassungsbeschwerden: Alle Jugendlichen ab 14 Jahren und alle Erwachsenen sollen sich anschließen können. Greenpeace und Germanwatch haben dazu unter dem Hashtag „Zukunftsklage“ aufgerufen. Online können zunächst Interessensbekundungen abgegeben werden. Die Resonanz sei bereits einen Tag nach der Ankündigung groß, sagte eine Greenpeace-Sprecherin auf Anfrage. „Viele haben sich vormerken lassen.“
Falls es zu den angekündigten Beschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht kommt, könnten sich die Verfahren über die aktuelle Legislatur hinaus erstrecken. Bei der 2021 entschiedenen Klimaklage hatte das Gericht etwa anderthalb Jahre für das Urteil gebraucht. Das wäre dann ein Fall für die nächste Bundesregierung.