Es geht voran – zumindest bei den Genehmigungen. In den ersten fünf Monaten wurde mit 3.400 Megawatt knapp 50 Prozent mehr Windkraft-Leistung an Land genehmigt als im selben Zeitraum des Vorjahres. Bis Jahresende, schätzt der Referent für Energiewirtschaft bei der Fachagentur Wind- und Solarenergie Jürgen Quentin, könnten zwischen acht und 11,5 Gigawatt genehmigt werden. Damit könnte 2024 sogar die 9,4 Gigawatt des bisherigen Spitzenjahres 2016 überflügeln.
Mit einer Inbetriebnahme der Anlagen sei, so Quentin, 2026 zu rechnen. „Die Erfahrung zeigt, dass zwischen Genehmigung und einer laufenden Anlage gut zwei Jahre liegen.“ Aufgrund von zum Beispiel Gerichtsverfahren, die die Inbetriebnahme mancher Anlagen verzögern oder verhindern, liegt die genehmigte Leistung in der Regel etwas über der letztendlich ans Netz gehenden. Aber selbst pessimistische sieben Gigawatt Windzubau in einem Jahr wären ein deutlicher Schritt nach vorne. Der bisherige Höchstwert der neu installierten Windenergieleistung lag 2017 bei 5,5 Gigawatt.
Und ein deutlicher Schritt nach vorne ist auch dringend nötig. Bei den Inbetriebnahmen verkörpern die Zahlen dieses Jahr keine Aufbruchstimmung. Von Januar bis Mai wurde etwas weniger zugebaut als im Vorjahr. Insbesondere im April und Mai schwächelte der Zubau. Diese Delle kann sich auch Quentin nicht wirklich erklären. Er sei aber optimistisch, dass es sich um temporäre Hemmnisse handele.
Zehn Gigawatt sind im Rentenalter
Das Ausbauziel für 2024 liegt derzeit in jedem Fall in weiter Ferne. Bis 2030 plant die Bundesregierung, die Gesamtleistung der Windkraftanlagen an Land auf 115 Gigawatt zu steigern. Um das zu erreichen, hat sie verschiedene Zwischenziele formuliert. Bis Ende 2024 sollen etwa 69 Gigawatt installierte Windenergie an Land für die deutsche Stromversorgung zur Verfügung stehen. „Das Ausbauziel für 2024 werden wir verfehlen. Das steht bereits fest“, erklärt Quentin.
Auch das Zwischenziel für 2026 – 84 Gigawatt – sei sehr ambitioniert. Wenn sich der Trend mit den Genehmigungen allerdings fortsetzt und sich das im Zubau widerspiegelt, sei das 2030-Ziel zwar immer noch ambitioniert, aber durchaus erreichbar. Neben dem Zubau lohnt sich auch ein Blick auf die Stilllegungszahlen. Diese sind jährlich seit 2017 gestiegen. Dieses Jahr liegen sie mit 145 Megawatt im ersten Quartal auf Vorjahresniveau.
Im Durchschnitt beträgt die Lebensdauer einer Windkraftanlage etwa 19 Jahre. Gegenwärtig sind Anlagen mit einer summierten Leistung von zehn Gigawatt mindestens 20 Jahre alt. In den kommenden Jahren wird also ein beträchtlicher Anteil der gegenwärtigen Windkraftanlagen wegbrechen. Um das aufzufangen, müssten nicht zuletzt die großen Flächenländer im Süden Deutschlands einen Zahn zulegen.
Allein letztes Jahr übertraf Schleswig-Holstein mit einem Windzubau von 1,2 Gigawatt den Wert in Bayern um knapp das 47-fache. Da jeder fünfte Quadratkilometer Deutschlands im Freistaat liegt, spielt er eine große Rolle beim Ausbau der Erneuerbaren. Energiereferent Quentin: „Dieses Jahr wurden in Bayern erst vier Anlagen in Betrieb genommen. Eine verschleppte Energiewende in Bayern gefährdet die Energiewende in ganz Deutschland.“